Musik_Julia Fischer/Wiener Philharmoniker

Beethoven, schau oba!

Anläßlich einer Europa-Kurztournee luden die Philharmoniker die deutsche Violinistin Julia Fischer zu ihrem Debüt mit dem Orchester ein. Diagnose: mit Bravour gelungen und ein Meilenstein in der Karriere der erst 30jährigen Musikerin!    20.05.2013

Im Rahmen der Konzertreihe "Beethoven am Uraufführungsort" brachten die Wiener Philharmoniker im Theater an der Wien ein erlesenes Programm, wobei sich die hübsche Geigerin Julia Fischer erstmals mit dem Orchester präsentierte. Dirigent des Konzerts war der Finne Esa-Pekka Salonen, der übrigens erst 2010 bei den Wienern debütierte.

Der Maestro ist nicht nur ein hervorragender Orchesterleiter, sondern auch als Komponist begnadet. Neben dem Violinkonzert von Beethoven konnte man an diesem Abend nämlich auch eines des Finnen hören. Sein viersätziges Werk ist eine Hommage an die europäische und amerikanische Musik, an Klassik, Jazz und Moderne. Salonen verlieh den vier Sätzen Namen mit Symbolgehalt - "Mirage", "Pulse I, "Pulse II", "Adieu" - und arbeitete kunstvoll Klänge bekannter Komponisten in sein Opus ein. Für die Violinistin ließ er keine Schwierigkeit aus: Doppelgriffe, rasante Läufe und sogar Ponticello-Klänge in den Doppelgriffen (Anm.: wenn der Streicher nahe am Steg spielt, wird der Klang dünn und "kratzig"). Julia Fischer nahm all diese Hürden souverän und machte Salonen mit ihrer Interpretation ganz offensichtlich eine große Freude.

 

Mehr als begeisterungwürdig war nach der Pause die Reverenz an den Namensgeber des Konzerts: Beethovens Konzert in D-Dur op. 61 hatte man schon lange nicht mehr so exzellent gehört. Fischer zauberte aus ihrer Guadagnini-Geige aus dem Jahr 1742 die berückendsten Töne hervor. So virtuos viele Passagen sind - niemals klang die Musik aufgesetzt, sondern immer homogen. Höhepunkt war das Larghetto (2. Satz), in dem Dirigent, Orchester und Solistin richtiggehend schwelgten. Julia Fischers Interpretation reiht sich damit nahtlos an die von Nathan Milstein, Maxim Vengerov und Anne-Sophie Mutter, die der EVOLVER-Klassikexperte alle live erleben konnte.

Bravourös waren auch wieder die Wiener Philharmoniker mit Salonen als Dirigent - endlich wieder einer, der sich akzentuiert zuzupacken traut, ohne in abgelutschte Originalklang-Manierismen zu verfallen. Die Philharmoniker folgten dem Maestro auf jeden Fingerzeig und breiteten für ihre Solistin dieses Abends den schönsten Klangteppich aus.

Zum Abschluß doch noch eine etwas kritische Anmerkung: Das Orchester sollte mittlerweile über die hauseigene Akustik des Theaters an der Wien Bescheid wissen. Die Streicher klingen (im Gegensatz zu den Bläsern und Schlagwerk) dort überdimensional. Es wäre an der Zeit, daß zumindestens die Musiker gemeinsam mit den Dirigenten hausspezifisch proben - das gäbe den Aufführungen vielleicht noch den letzten Schliff zur Perfektion.

Herbert Hiess

Beethoven am Uraufführungsort

ØØØØ 1/2

Konzert mit den Wiener Philharmonikern

Leserbewertung: (bewerten)

Ludwig van Beethoven: Leonore-Ouvertüre Nr. 2

 

Esa-Pekka Salonen: Violinkonzert

 

Ludwig van Beethoven: Violinkonzert D-Dur op. 61

 

 

Julia Fischer, Violine

 

Wiener Philharmoniker/Esa-Pekka Salonen

 

Konzert am 3. Mai 2013 im Theater an der Wien

 

(Foto: Felix Broede)

Links:

Kommentare_

Musik
Weihnachtliche Musiktips im Corona-Jahr

Geschenktips für Klassikfreunde

Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.  

Musik
Orchesterkonzert der Wiener Philharmoniker

Seltsame Zeiten

Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.  

Print
Rudolf Buchbinder im Interview

Reise durch den Beethoven-Kosmos

Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.  

Musik
Wiederaufnahme in der Berliner Staatsoper

Carmen in der Corona-Krise

Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.  

Stories
"Der Vorname" in den Kammerspielen

Makabre Wohnzimmerkomödie

Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.  

Musik
Last-Minute-Ideen für Klassikliebhaber

Weihnachtliche CD-Tips aus Wien

Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.