Musik_Verdi und Fosse bei den Wiener Festwochen 2011
Welttheater in Wort und Musik
Die Wiener Festwochen 2011 begannen Ihr Programm mit einer hervorragenden Theaterpremiere, die vom französischen Regiemeister Patrice Chereau in Szene gesetzt wurde. Als Fortsetzung gab es Verdis "Rigoletto", dessen Aufführung von den meisten Geiferern stark verrissen wurde - wobei die besuchte Aufführung nichtsdestotrotz exzellent war!
11.06.2011
Der 66jährige Franzose Chereau ist hauptsächlich ein Theaterregisseur; Ausflüge in den Bereich Oper konnte man 1976 beim legendären Bayreuther "Ring" oder zuletzt 2007 bei den Wiener Festwochen in Leos Janaceks "Aus einem Totenhaus" im Theater an der Wien erleben.
Diesmal befaßte sich Chereau mit zwei Stücken des norwegischen Autors Jon Fosse, der genau ein Jahr älter ist als der EVOLVER-Klassikexperte (welcher übrigens nur das erste Stück, nämlich "Rêve d’automne" ("Herbsttraum") erleben durfte).
Fosses Werk spielt ursprünglich auf einem Friedhof; Chereau versetzt die Handlung in den Pariser Louvre und erzielt damit großartige dramaturgische Erfolge. Die Rahmenhandlung besteht aus dem Begräbnis der Großmutter des Mannes - gewürzt mit der langersehnten Rückkehr des besagtes Protagonisten zu seiner Ehefrau, einer Begegnung mit der Ex usw. usf. Sex, Betrug und Streit gehören natürlich dazu, und beendet wird das Drama mit dem Tod aller Beteiligten. Während der gesamten Dauer von einer Stunde und 50 Minuten kommt nicht eine Sekunde Langeweile vor - trotz der französischen Sprache des Stückes. Die Übertitel wurden sehr logisch und behutsam auf die Rückwand der Bühne im Museumsquartier, Halle E projiziert.
Musikalisch ging es mit Giuseppe Verdis Oper "Rigoletto" weiter. Fast alle Rezensenten verbissen sich aufs Brutalste in das Team Luc Bondy und Omer Meir Wellber. Der 1981 in Israel geborene Dirigent zeigte in der besuchten Aufführung aber, was er kann. Es ist zwar noch viel zu früh, über ihn als Weltstar zu sprechen; doch großartige Tendenzen sind da - und wenn er sich nicht verheizen läßt, könnte er einmal eine echte Weltkarriere starten. Wellber führte das RSO-Wien einfühlsam und sehr klar. Bis auf kleine Wackler (z. B. beim Choreinsatz im Schluß des 1. Bildes), die er gekonnt wieder auffing, war es eine überzeugende Aufführung.
Vom Feinsten war Chen Reiss' Gilda. Die ebenfalls in Israel geborene Sopranistin bezauberte mit einer feinen und glockenhellen Stimme, sicherer Höhe und vor allem einer großartigen Artikulation. Sie singt nicht nur, sondern gestaltet vielmehr.
Georg Gagnidze in der Titelpartie spielte in Bondys Regie keinen Krüppel, sondern einen aufrecht gehenden Hofnarren. Sein starker und sonorer Bariton beeindruckt allemal. Der erst 24jährige Sarde Francisco Demuro zeigte als Herzog von Mantua die Bandbreite seines Könnens. Wenn vielleicht in Jahren seine Stmme mehr ausgereift ist, kann man in Zukunft einiges von ihm erwarten.
Festwochen-Schauspieldirektor Luc Bondy hat den "Rigoletto" als Beginn einer Trilogie angesetzt, die in den nächsten beiden Jahren mit den Opern "Il Trovatore" und "La Traviata" fortgesetzt werden soll. Hier empfiehlt sich Chen Reiss auf alle Fälle als Violetta in Verdis "La Traviata"; hoffentlich hat sich Wellber bis dahin so weit perfektioniert, daß man sich jetzt schon auf diese Abende freuen kann.
Herbert Hiess
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