Musik_Purcells "The Fairy Queen" bei der Styriarte 2014
Grazer Sommernachtstraum
Nikolaus Harnoncourt verzauberte das Styriarte-Publikum mit seiner musikalischen Sicht der Semi-Opera von Henry Purcell, einem seiner Lieblingskomponisten. Die Aufführung der Fabelgeschichte war ein künstlerisches Großereignis. Schade, daß die Regie von Harnoncourts Sohn Philipp manchmal nicht an dieses Niveau anknüpfen konnte.
27.06.2014
Henry Purcells Oper über die Feenkönigin ist das Ergebnis einer anonymen Bearbeitung von Shakespeares "Sommernachtstraum", die der englische Komponist in eine "Semi-Opera" (manche würden "Schauspielmusik" sagen) verpackt hat. Im Original wechseln bei solchen Werken dramatische Schauspiel- und Musikszenen ab.
Nikolaus Harnoncourt und sein Sohn Philipp zimmerten daraus ein zweieinhalbstündiges, fünfteiliges Wechselspiel von Gesang und Tanz, das ein Musterbeispiel von szenischer und musikalischer Homogenität gewesen wäre ... wenn der Regisseur nicht manchmal "Ohrfeigen" an das Publikum verteilt hätte. Offenbar wollte er zeitweise krampfhaft modern sein; nur so ist es erklärlich, daß einmal der Baß (ausgezeichnet: Florian Boesch) mit der Motorsäge auftritt und vorher in einem (nicht einmal authentischen) Elvis-Kostüm der 60er zu sehen ist. Die fünf Bilder (Akte) des Stückes wurden in eine Rahmenhandlung mit einer Tänzerin und einem Tänzer gepackt, in der beide pantomimisch durch die Wandlungsgeschichte junger Liebender zum Ehepaar führten (großartig: die Tänzer Rita Sereinig und Max Niemeyer).
Die Choreographin Anna Schrefl schloß sich in Sachen Leistungsschwankungen dem Regisseur an; manchmal war man von den Tänzen begeistert, andere Male mußte man statt barocker Chaconnen oder Gigues plötzlich zumbaartige Gruppentänze mitansehen.
Nikolaus Harnoncourt zauberte mit seinem Concentus Musicus Wien, den er schon seit 61 (!) Jahren leitet, eine barocke Sternstunde, die niemanden in der List-Halle kaltließ. Mit einem minimalistisch besetzten Orchester erreichte er zum Himmel strebende Klänge. Unbeschreiblich schön waren beispielsweise die Echoeffekte im zweiten Bild ("Rausch der Natur"), wo man sich tatsächlich mitten in einem Sommerwald wähnte.
Vom Gesanglichen her war die Aufführung recht uneinheitlich; während Terry Wei (Counter) und Elisabeth Magnus zeitweise Brillanz vermissen ließen, überzeugten Dorothea Röschmann, Martina Jankova und der bereits erwähnte Florian Boesch umso mehr. Röschmanns Lamento im fünften Akt, bei dem der deutsche Weltklassesopran im Zusammenspiel mit dem Dirigenten die Zeit geradezu stillstehen ließ, war ein unvergeßliches musikalisches Ereignis.
Natürlich muß man Harnoncourts Alter (er wird heuer 85) respektieren - und es ist verständlich, daß er in Zukunft kaum mehr Opernprojekte annehmen will. Doch nach dieser Produktion ist der unbedingte Wunsch nach einem Wiedersehen und -hören in Graz (oder anderswo) beim Publikum wohl unausbleiblich.
Wer Purcells Semi-Oper nicht live in Graz erleben kann, hat die Möglichkeit, sie noch bis 7. Juli 2014 im Livestream in HD-Qualität zu sehen und zu hören.
Herbert Hiess
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