Musik_Porträt Danielle de Niese

"I had a dream ..."

"... and this dream became true." Das und vieles mehr erfuhr der EVOLVER-Klassikexperte Herbert Hiess bei einem Gespräch mit der Sopranistin Danielle de Niese in Wien.    08.02.2010

Danielle de Niese wurde am 11. April 1980 in Melbourne geboren; ihre Vorfahren stammen aus Sri Lanka, was man der hübschen Person durchaus ansieht. Schon mit acht Jahren begann sie, Gesangsunterricht zu nehmen. Damals fand sie das, wie sie heute sagt, selbst "crazy" - aber sie konnte einfach nicht anders. Unterstützt wurde sie dabei vor allem von ihrer Mutter, die für sie Freundin, Coach und künstlerische Beraterin in einem ist. Ihren Eltern ist Danielle heute natürlich dankbar, daß sie ihr diese Ausbildung ermöglicht haben. Angesichts ihrer erstaunlichen Karriere ist das auch kein Wunder ...

 Schon im zarten Alter von achtzehn Jahren gewann sie ein Casting an der New Yorker Metropolitan Opera. James Levine, der Chef des Hauses, engagierte sie vom Fleck weg als Barbarina für Mozarts "Le Nozze di Figaro". "Sie können mir glauben, wie nervös ich war, mit solchen Weltstars wie Renée Fleming oder Bryn Terfel Seite an Seite auf der Bühne zu stehen", erzählt sie. "Lustig, daß ich zu jung war für das Lindemann Young Artists Development Program, aber nicht zu alt für die Barbarina." Natürlich gestattete man ihr später doch die Teilnahme an besagtem Programm der Met, das sich der Förderung vielversprechender Operntalente verschrieben hat.

Eines ihrer großen Idole, das sie im Gespräch gleich mehrmals erwähnt, ist Dame Kiri te Kanawa. Der Hinweis, daß beide Sängerinnen ja gewissermaßen vom gleichen Kontinent stammen - Kiri aus Neuseeland, Danielle aus Australien -, entlockt ihr ein herzliches Lachen. Doch auch wenn ihrer Bewunderung für die ältere Kollegin keine lokalpatriotischen Ursachen zugrundeliegen, finden sich manche Parallelen, was etwa die bewegten Lebensläufe betrifft: Als de Niese zehn war, übersiedelte die Familie nach Los Angeles. Ihr Debüt als Sopranistin hatte sie 1999 in New York. Fünf Jahre später sang sie in Amsterdam und Paris. 2009 heiratete sie in London. Und heute lebt sie in New Jersey.

Eine ihrer wichtigsten Begegnungen fand allerdings in der Schweiz statt: Niemand geringerer als Nikolaus Harnoncourt suchte für Monteverdis "L´incoronazione di Poppea" einen Ersatz für die erkrankte Vesselina Kasarova. "Ich bekam einen Anruf aus Zürich mit der Frage, ob ich die Partie der Poppea in zwei Tagen übernehmen könne." Nur zwei Tage - heute findet die Sopranistin das witzig, doch damals war ihr mehr als mulmig zumute. Zumal es auch um die Unterlagen ging: "Natürlich hatte ich meine eigenen Noten dabei. Aber Frau Harnoncourt drückte mir sofort ihre Partitur in die Hand. Also mußte ich innerhalb kürzester Zeit die Partie neu lernen."

Wie wir wissen, schaffte sie die Aufführung mit Bravour ...

 

Danielle de Nieses wunderschöner und glockenheller Sopran erinnert an die junge Kathleen Battle; ihr Repertoire umfaßt derzeit hauptsächlich Barockes, mit Schwerpunkt auf Händel, Mozart und Monteverdi. Hervorragende Interpretationen einiger ihrer Lieblingskomponisten finden sich auch auf ihren beiden bisher letzten CDs: Bei Mozart und Händel begeistern vor allem die grandiose Stimmführung, die Klangkultur, Diktion und vokale Reinheit. Schwierige Partien wie etwa die Elvira in "Don Giovanni" dürften hingegen (noch) nicht ihr Fall sein. Auf "The Mozart Album" ist gut zu hören, daß dieses Fach ihrer Stimme wohl eher schaden würde, weshalb sie sich damit noch Zeit lassen sollte. Als neue Stücke kämen für sie eher die Nanetta in Verdis "Falstaff" oder die Adina in Donizettis "Liebestrank" in Frage.

Die de Niese repräsentiert in vielerlei Hinsicht den Typus "moderner" junger Sängerinnen. Sie hat ihren Eintrag auf Facebook, speichert Musik auf dem iPod und vermarktet gekonnt ihr einnehmendes Äußeres - zu gekonnt, lästern manche und etikettieren sie als "Beyonce der klassischen Musik" oder gar "Naddel Abd el Farag der Oper".

Ihre fachliche Kompetenz hat sie jedoch bereits zur Genüge unter Beweis gestellt. Wenn sie ihre weitere Laufbahn vernünftig angeht und das Repertoire zielgerichtet langsam ausbaut, wird ihr Karrieretraum auch auf Dauer in Erfüllung gehen. Für ihren 30. Geburtstag im April 2010 wünscht ihr die EVOLVER-Redaktion jedenfalls das Allerbeste - und (nicht ganz uneigennützig) auch für ihren weiteren musikalischen Weg.

Herbert Hiess

Danielle de Niese - Händel Arias

ØØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

Les Arts Florissants/William Christie

 

Decca/Universal (D 2008)

Links:

Danielle de Niese - The Mozart Album

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

mit: Bryn Terfel

Orchestra of the Age of Enlightenment/Sir Charles Mackerras

 

Decca/Universal (D 2008)

Links:

Kommentare_

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