Mira Calix - 3 Commissions
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Warp/edel (GB 2004)
Frauen, die sich mit experimenteller Elektronik beschäftigen, sind eine Seltenheit. Eine Pionierin dieser Sparte zeigt sich hier von einer Seite, die wir bisher noch nicht kannten. 10.11.2004
Es begann vor zwei Jahren, als das Genfer Naturhistorische Museum Frau Chantal Passamonte (so heißt Mira Calix wirklich) mit einer Komposition beauftragte, die allein aus gesammelten Insektengeräuschen bestehen sollte. Der Track "NuNu" wurde zwei Monate später im Museum präsentiert.
Auf "3 Commissions" finden sich gleich zwei Fassungen von "NuNu". Den Anfang macht eine live improvisierte Version ("RFH Mix"), die im Rahmen des "Ether Festival 2003" gemeinsam mit der London Sinfonietta in der Royal Albert Hall uraufgeführt wurde. Hier wetteifert das Orchester mit den Grillen, Fliegen und sonstigem Getier. Es fällt dem Hörer schwer zu unterscheiden, wer nun genau welche Geräusche verursacht. Spannend und verwirrend ist aber vor allem, daß das Ganze unheimlich nach Ambient klingt. Wahlverwandschaften zu Rechenzentrum oder Microstoria bestehen aber nur in der Aufbereitung der scheinbar losen, freien Manipulationen der "Found Sounds" und Melodiekürzel. Calix hat im Laufe der Jahre ihren eigenen minimalistischen Stil und ihre eigene, unverwechselbare Tonalität entwickelt.
Die zehnminütige Komposition "Le Jardin de Barbican" wurde im Frühling anläßlich der ersten Retrospektive der Malerin Helen Chadwick in der Barbican Art Gallery eingesetzt - und zwar als Untermalung der Vernissage. Das Stück wurde endlos geloopt und erklang aus Lautsprechern, die zwischen tropischen Pflanzen versteckt waren. "Le Jardin de Barbican" ist straffer organisiert als das erste Stück und folgt einer zyklischen Struktur. Drones werden ein- und ausgeblendet und bilden gemeinsam mit den inzwischen bekannten Insekten- und Vogelstimmen einen subtilen exotischen Klangteppich, der sich im Gehirn verselbständigt.
"NuNu" in der Genfer Urfassung beschließt "3 Commissions". Eine Vielzahl an gesampleten Insektengeräuschen dringt an des Hörers Ohr. Die vorliegende 13-Minuten-Version besticht durch einen sakralen Touch, dem man sich nur schwer entziehen kann. In der Mitte des Stücks überlagert ein bedrohliches Brummen die singenden Insekten, die minimalistischen Melodien sacken ab, fast scheint es, als würde das Biotop von einer finsteren Macht bedroht. Doch das Brummen verschwindet rasch, und nach und nach kehren die "Insect Musicians" (© Graeme Revell) wieder aus ihren Verstecken zurück und lassen den Zuhörer weiter im grünen Naturparadies wandeln.
Chantal Passamonte gelangt es mit "3 Commissions", musikalisches Neuland zu betreten. Und wir werden Zeugen, daß ihr Improvisation und kontextuelle Konsequenz genauso von der Hand gehen wie die musikalische Aufarbeitung ihrer eigenen Stimmungen ("One on One", "Skimsitta"). Bleibt nur eine Frage offen: Warum gibt es nicht mehr Frauen in der männerdominierten Elektronikszene?
Empfehlung.
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Warp/edel (GB 2004)
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