Musik_CD-Tips KW 22/08

A Girl Named Gustav

Zwei ungewöhnliche und eine unvermeidliche CD stehen diese Woche im Mittelpunkt. Oder, anders ausgedrückt: Hier treffen die womöglich beste Pop-Platte, intelligentes Liedgut und eine Jubiläums-Compilation aufeinander.
   30.05.2008

Manfred Prescher

MGMT - Oracular Spectacular

ØØØØØ

Sony BMG (USA 2008)

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Ich würde jede Wette darauf eingehen, daß "Oracular Spectacular" innerhalb des Riesenmolochs namens SonyBMG eine Ausnahmestellung einnimmt. Wahrscheinlich wollte man beim Multi die Sparte "innovative Coolness" nicht komplett den Indies überlassen. Letztlich ist es aber egal, wer die Platte herausbringt - Hauptsache, sie ist da. "MGMT" steht für "Management"; genauso hieß das Duo, bevor es einen Plattenvertrag bekam.

Zusammengetan haben sich Andrew Vanwyngarden und Ben Goldwasser schon im Jahr 2002. Damals waren sie noch Studenten, doch von verkrampfter Intellektuellen-Überfrachtung ist (längst) nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die beiden in Brooklyn lebenden Freaks gehen so locker zur Sache, daß sie es schaffen, vermeintlich widersprüchliche Dinge zu verbinden. Etwa in "Time To Pretend", wo Luschigkeit und Bitterkeit eine eingängige Allianz eingehen. Wer beim Hören der CD an die Flaming Lips denkt, liegt nicht so falsch: Auch MGMT lieben exaltierte Klangbilder und perfekte Melodien. Beste Beispiele auf einer sommerfrischen, durchgehend sehr angenehmen Platte sind das hüpfende "Pieces Of What" und das groovige "Electric Feel".

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Frank Sinatra - Nothing But The Best

ØØØ

Warner (USA 2008)

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Am 14. Mai vor genau zehn Jahren starb Frank Sinatra. Und wenn einer wie er über den Jordan gegangen ist, um dort Mrs. Jordan zu treffen, dann werden runde Jubiläen dazu genutzt, nochmal einen Sampler auf den Markt zu werfen. Schließlich gibt´s wenige von Frankies Kaliber, daher haben die Nachlaßverwalter auch dieses Mal einen klingenden Partezettel veröffentlicht. Doch der enthält, was bei Sinatras rund sechs Jahrzehnte andauernder Karriere kein Wunder sein kann, natürlich bei weitem nicht alle Hits.

Hier fehlen mindestens mal "I´ve Got You Under My Skin", "Witchcraft" oder "Sentimental Journey" - um einfach drei aus dem Stegreif zu nennen. Natürlich finden sich auf der Compilation das unvermeidliche, eigentlich von Paul Anka entliehene "My Way", das mit Tochter Nancy eingespielte "Something Stupid" oder Bert Kaempferts "Strangers In The Night". Alles in allem geht die Mischung aber in Ordnung und eignet sich gut als Einstieg in das Werk des Ausnahmesängers aus Hoboken/New Jersey - zu mehr aber nicht. Und das bisher unveröffentlichte, allerdings jetzt erst instrumentalisierte "Body & Soul" muß selbst der echte Fan nicht unbedingt haben.

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Gustav - Verlass die Stadt

ØØØØØ

Chicks On Speed Records/Indigo/Trost (A 2008)

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Die gebürtige Grazerin Eva Jantschitsch hätte eigentlich ein Junge sein sollen - zumindest wollte das ihr Vater so. Daher nennt sich Jantschitsch, quasi in Umkehrung von Cashs "A Boy Named Sue", schlicht "Gustav". So sollte der Stammhalter nämlich heißen. Frau Gustav studierte an der Wiener Uni für Angewandte Kunst und machte sich mit Performances und verschiedenen Online-Aktionen einen Namen.

"Verlass die Stadt" ist bereits ihr zweites Album und wie das Debüt "Rettet die Wale" ein sehr eigenständiges Ding. Zum einen füllt die Künstlerin den Begriff "Liedermacher" mit politischem und philosophischem Tiefgang, aber ohne die genretypische Saumseligkeit, zum anderen ist Gustavs Electro-Sound kantig und - besonders im Verein mit den Texten - sehr ungewöhnlich. Neun Lieder, ein "Abgesang" auf unsere Welt des kapitalistischen Niedergangs: Jedes einzelne bezieht Stellung. Anspieltips sind "Soldatin oder Veteran", "Neulich im Kanal" und das Titelstück. Diese CD ist der Soundtrack für alle Ratten, die das sinkende Schiff verlassen und leben wollen.

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