Musik_CD-Tips KW 47/07

Morgen wird wie gestern sein

Die 70er und 80er - zwei Jahrzehnte kommen massiv zurück. Allerdings läßt sich die Frage, ob wir uns darüber freuen sollen, nicht wirklich schlüssig beantworten.    23.11.2007

Manfred Prescher

Kylie Minogue - X

ØØØØ

EMI (Australien 2007); Photo © Ken McKay

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Im nächsten Frühsommer wird die Australierin Kylie Minogue bereits 40 Jahre alt. Nicht, daß man der Lady das ansehen würde - in ihrer aktuellen Metamorphose ist sie lackmäßig besonders dick beschichtet, fast wie ein Revue-Girl, das versehentlich in den Gemeinschaftsfarbeimer gefallen ist. Dafür klingt "X" wirklich sehr erwachsen und durchaus altersadäquat; das Album ist also eine reife Weiterentwicklung des vorangegangenen Werkes "Body Language" - und das liegt schon vier Jahre zurück. Danach wurde ihr Brustkrebs erkannt, was sie erst ruhen und dann umso aktiver werden ließ: Sie schrieb unter anderem ein Kinderbuch, posierte für die schwedischen Modedesigner Hennes & Mauritz, spielte bei der britischen Kultserie "Doctor Who" in einer Folge mit und coverte nur für das Internet und seine Download-Schar Judy Garlands "Over The Rainbow".

Auf ein komplettes zehntes Studioalbum mußten die Fans allerdings warten. Nun ist es da: 13 Songs mit Hit-Qualität und ansprechendem Retro-Design. Die Single "2 Hearts" vereint Madonna mit T. Rex, "Wow" ist Kylies Statement zum Disco-Revival und eine Groove-Nudel sondergleichen, während "Nu-Di-Ty" mit gut abgehangenen HipHop-Bildern spielt. Kylie changiert zwischen Blondie ("Cosmic") und Sheryl Crow ("Heart Beat Rock"), fügt dem Ganzen aber eine ordentliche Prise Las-Vegas-Weltferne bei. Pomp und Circumstance, die uns blendend unterhalten.

Links:

Duran Duran - Red Carpet Massacre

ØØ

SonyBMG (GB 2007)

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Damals, als Rockmusik ihre Identität im Untergrund suchte und den gesellschaftlichen Pop-Kontext den Trägern von Seidenanzügen überließ, liebte man Duran Duran - oder man haßte sie mit Inbrunst. Manche Menschen wünschten sich, daß die Band auf ewig an den Flügeln der Windmühle hängenbleiben müßte, an die sie zwecks Videodreh gebunden wurde. Fairerweise muß man allerdings sagen, daß einige ihrer Hits mit den Jahren durchaus nicht an Anziehungskraft verloren haben. Oder anders ausgedrückt: obwohl typisch 80er Jahre, sind ein paar Songs zeitlos modern.

Warum es Simon LeBon, Nick Rhodes und die beiden Herren Taylor wieder ins Studio zog, bleibt allerdings ein Rätsel, waren doch schon das 2000er-Comeback "Pop Trash" und das von 2005 ("Astronaut") beliebiger, als die Geschmackspolizei erlaubt. Nichtsdestotrotz: In Großbritannien reicht diese Durchschnittsmucke für vordere Charts-Positionen. Da hilft auch Justin Timberlake nicht, der bei "Falling Down" mitwirkte - und auch Timbalands Unterstützung bei "Skin Divers" und "Night Runner" fällt überhaupt nicht ins Gewicht.

Links:

The Heavy - Great Vengeance & Furious Fire

ØØØ 1/2

Ninja Tune/Rough Trade (GB 2007)

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Und ich dachte immer, daß ich der Mann bin, der Pop-Bezüge herstellt und zusammenfügt, was eigentlich nicht zusammengehört. Aber die Herrschaften von Rough Trade können das mindestens genausogut. Im Falle der Newcomer The Heavy aus der englischen Stadt Bath unterstellen sie etwa, daß die Jungs Einflüsse von Curtis Mayfield, The Kinks, Screamin´ Jay Hawkins und Led Zeppelin mit Prince-, Wu-Tang- und Ragga-Styles verbinden.

Das läßt sich so zwar nicht wirklich heraushören, könnte aber durchaus stimmen. Denn "Great Vengeance ..." ist ein Sammelsurium aus Grooves, Rock- und Funkismen, dem ein Hauch Blues innewohnt. Früher nannte man sowas Fusion, heute Innovation. So einen Patchwork-Joint baut sonst schließlich nur Beck Hansen. Spaß machen die Zitate von The Heavy auch noch - und wenn die Kombo erst einmal mit "Colleen", "Set Me Free" oder "Who Needs The Sunshine" durch die Party stampfen darf wie ein blinder Elefant durch den Gemüsegarten, dann erliegt man unweigerlich ihrem Charme. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle aber, daß die vermeintlich geschichtsbewußte Vielseitigkeit hin und wieder, etwa in "Dignity", ins Beliebige abdriftet.

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