Musik_Iphigénie en Tauride

Griechische Blutoper

Das Drama der Iphigenie in einer Spitzenaufführung: Im Rahmen seines Gluck-Schwerpunkts zeigt das Teater an der Wien dem "Haus am Ring", wie man selten gespielte Werke auf Weltklasseniveau präsentieren kann.    26.03.2010

Die griechische Mythologie bietet ein schier unerschöpfliches Reservoir an Ideen und dramatischen Stoffen, nicht nur für Halbbildungsforen wie die "Millionenshow". So bediente sich auch Christoph Willibald Gluck oftmals dieser Sujets für seine Opernlibretti.

Der antike Tragödienstoff um Iphigenie hat bekanntlich die gesamte Bandbreite von Inzest, Kindesmord und Vergewaltigung vorzuweisen. Einst von ihrem Vater Agamemnon den Göttern geopfert (damit er nicht wegen einer Flaute seinen Termin in Troja verpaßte ...), wurde Iphigenie von Artemis nach Tauris entrückt, um dortselbst der Göttin als Hohepriesterin zu dienen. Als nun, Jahre später, ihr Bruder Orestes - auf der Flucht vor den Erinnyen - mit seinem Freund Pylades auf der Insel ankommt, sollen die beiden prompt geopfert werden, was wohl die damals ortsübliche Form der Gastfreundschaft Fremden gegenüber darstellte.

Regisseur Torsten Fischer bediente sich bei seiner Inszenierung der Gluck-Oper "Iphigénie en Tauride" allerdings ein bißchen zu sehr einer plakativen Symbolik. Die Ouvertüre, im Zuge derer die gesamte Ausgangssituation der Tragödie dargestellt wurde, war ausgezeichnet gelöst; warum aber dann bis zum Schluß Klytämnestra und Agamemnon (sehr gut gespielt von Anna Franziska Srna und Christoph Zadra) auf der Bühne herumirren mußten und in unterschiedlichsten Positionen anwesend waren, weiß eigentlich niemand. Ohne diese Faust-aufs-Auge-Symbolik hätte man die Regie jedenfalls als hervorragend bezeichnen können.

Großartig waren hingegen die Personenführung, die Umsetzung der Lichteffekte und der Einsatz der Drehbühne; auch musikalisch darf die Aufführung als Triumph gelten. Die Wiener Symphoniker zeigten sich dabei streckenweise in deutlich besserer Verfassung als ihre philharmonischen Kollegen am Ring. Der britische Barockspezialist Harry Bicket führte das Orchester mit Begeisterung und Emphase. Er leitete die Musiker zu ebenso transparentem wie feurigem Spiel an, ohne den Klangkörper dabei allzu harsch wirken zu lassen wie manch ein dem "Originalklang" verpflichteter Dirigentenkollege.

 

Die Sänger waren gewissermaßen ein "Best of the Best" der Barockopern-Szene. Allen voran stand die grandiose Sopranistin Véronique Gens als Iphigenie, beeindruckend wirkten aber auch die Leistungen von Stéphane Degout (Bariton) und Rainer Trost (Tenor). Degout sang den Orestes mit gewohnt präzisem Timbre, während Rainer Trost als Pylades geradezu brillierte. Trost hat sich in den vergangenen Jahren offenkundig vom rein lyrischen Tenor zu einem fast dramatischen Sänger entwickelt; er ist somit auf jeden Fall auf dem richtigen Weg.

Erfreulich ist auch, daß das Theater an der Wien mit seinem Gluck-Schwerpunkt realisiert, was etwa Herr Holender in der Staatsoper trotz vollmundiger Ankündigungen (man erinnere sich an den angeblichen Gluck-Zyklus mit Ozawa) niemals zuwege gebracht hat. Dafür muß man dem Intendanten Roland Geyer mehr als nur ein bißchen dankbar sein.

Herbert Hiess

Christoph Willibald Gluck - Iphigénie en Tauride

ØØØØØ

französische Fassung

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Regie: Torsten Fischer

Solisten:
Véronique Gens, Andrew Schroeder, Stéphane Degout, Rainer Trost u. a.

Arnold Schoenberg Chor


Wiener Symphoniker/Harry Bicket

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