Musik_Szenische und konzertante Opern im Theater an der Wien
Barockes Wechselbad
Im Theater an der Wien konnte man die szenische Aufführung einer Gluck-Oper und zwei konzertante Produktionen von Purcell und Händel erleben. Leider überzeugte nur Purcells "The Fairy Queen". Glucks "Telemaco" war zwar musikalisch exzellent, was man vom Stück aber nicht behaupten kann - und Händels "Ariodante" eher ein fragwürdiger Erfolg.
19.03.2012
Wenn ein relativ schwaches Werk und eine ebensolche Regie zusammentreffen, können der beste Dirigent und die besten Sänger nichts mehr ausrichten. Christoph Willibald Glucks Oper "Telemaco" wurde am 30. Jänner 1765 anläßlich der Krönung von Kaiser Joseph II. im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Der Komponist begann 1764 mit der Arbeit an dem Werk und kam offenbar unter Zeitdruck, was man der Oper recht deutlich anhört, obwohl sie kunstvoll instrumentiert und in ihrem "Sturm und Drang-Stil" vielen Zeitgenossen um Längen voraus ist.
Instrumentaltechnisch war Gluck einer der mutigsten Komponisten überhaupt; fast romantisch setzt er die Harfe ein oder läßt die Streicher im expressiven Tremolo die Rezitative spielen. Trotzdem fehlt der Erzählung über Odysseus und seinem Sohn Telemach das gewisse Etwas. Das zweiaktige Stück wirkt des öfteren verloren und manchmal sogar mehr wie ein Oratorium als eine szenische Geschichte.
René Jacobs und die Akademie für Alte Musik Berlin setzten Glucks Notationen in schönste Klänge um. Leider funkte Torsten Fischers Regie insofern dazwischen, als sie manchmal mehr störend denn interessant wirkte. Fischer stellte Circes Insel und das Meer mit zwei monumentalen Rundspiegeln dar. Zwar waren da manche Effekte natürlich beeindruckend (z. B. die Inselbewohner, die sich "im Himmel spiegelten"). Hier hätte Fischer die Regie so auslegen müssen, daß die schwache Handlung die Musik nicht stört, sondern eher unterstützt.
Gesanglich war die Vorstellung relativ durchschnittlich; am besten waren Rainer Trost als Odysseus, Alexandra Pendatchanska als Circe und allen voran der tapfere Einspringer David DQ Lee, der vom Orchestergraben aus den erkrankten Bejun Mehta als Telemaco ersetzte (während Fischers Regieassistent Philipp Krenn die Rolle auf der Bühne spielte).
Viel interessanter als die mythologische Erzählung über Odysseus’ Sohn ist der Sommernachtstraum von Shakespeare in der Vertonung von Henry Purcell. Diese "Semi-Opera" konnte man konzertant mit dem großartigen King’s Consort im Theater an der Wien erleben. Das weltberühmte britische Traditionsensemble brillierte mit zehn Spitzensängern und einem Spitzenorchester.
Purcells Werk ist keine geschlossene Oper, sondern eher eine Schauspielmusik, was vor allem historische Gründe hatte. Im 17. Jahrhundert war eigentlich wenig Platz für richtige Opern, da Großbritannien eher am Theater interessiert war. So ging der Komponist den Umweg über besagte Semi-Opern.
Robert King als Gründer und Leiter seines Consorts erzählte vor den ersten Takten der Musik, wie aufwendig und elitär diese Uraufführung vor mehr als 300 Jahren gewesen sein muß. Im Theater an der Wien konnte King mit seinem Ensemble eine richtige Atmosphäre zaubern. Der Sopran von Lucy Crowe, David Wilson-Johnsons Baß und die anderen Sänger brachten Shakespeares Komödie so richtig genial zum Leuchten und zum Glänzen.
Die konzertante Aufführung von Georg Friedrich Händels "Ariodante" war leider wieder nur mittelmäßig. Pech für das Theater an der Wien, daß Mezzo-Star Joyce diDonato krankheitshalber ausfiel und der britische Mezzo Sarah Connolly nicht wirklich ein gleichwertiger Ersatz war ... Die Britin hat zwar eine wunderschön klingende Stimme, die jedoch weder wirklich fasziniert noch beeindruckt. Die beiden kanadischen Sängerinnen Karina Gauvin (Sopran) und Marie-Nicole Lemieux (Alt) beeindrucken da stimmlich schon mehr. Schade nur, daß Lemieux übermäßig outriert - das klingt zwar kurze Zeit gut, langweilt aber auf Dauer.
Langweilig war auch das Complesso Barocco unter Alan Curtis. Die Musik war klar "runterdirigiert", das Orchester qualitativ wahrlich nicht auf der Spitze, was sich daran zeigte, daß es im dritten Akt komplett ausließ. Das fing bei unsauberen Einsätzen (vor allem bei den ersten und zweiten Geigen) an, setzte sich mit katastrophalen Intonationen fort und ging bis hin zu "schiefen" Begleitungen. Das Complesso Barocco hat an diesem Abend deutlich demonstriert, daß es keines der führenden Originalklangensembles ist.
Demonstriert wurde in dieser Saison auch, daß Händel und Vivaldi hervorragende Komponisten und ebenso gute "Kommerzschreiber" (vor allem bei Opern) waren. Vieles klingt bei ihren Opern jedoch beliebig austauschbar; wenn die Aufführung dann auch noch qualitativ ausläßt, wird sie mehr zur Qual als zur Freude.
Herbert Hiess
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