Musik_Verdis "Attila" im Regietheater
Infantile Spiele
33 Jahre nach der singulären "Attila"-Premiere an der Wiener Staatsoper unter Giuseppe Sinopoli durfte man das wunderbare Werk in Wien endlich wieder live erleben. Doch ein sonderbarer Regisseur machte die Vorfreude bereits in den ersten Minuten zunichte. Man weiß nicht, ob man sich mehr über die saublöden Inszenierungsideen oder das "fortschrittliche" Publikum wundern soll ...
22.07.2013
Ein deutscher "Starregisseur" und Liebkind einiger schräg angehauchter Feuilletonisten schaffte das Kunststück, aus Verdis schöner Frühoper "Attila" ein peinliches und unwürdiges Spektakel zu machen. Das (teils super-gendermäßig-ironische) Publikum erfreute sich zeitweise in schenkelklatschender Bierzeltgaudi an sehr banalen "Gags", ohne überhaupt zu wissen, was handlungsmäßig wirklich vor sich ging.
Das Regietheater-Schatzi Peter Konwitschny bewies mit seiner fehlgeleiteten Inszenierung (natürlich nach einem Muster, mit dem man heute kein Kleinkind mehr "schockieren" kann) nicht einmal Respekt vor der berauschenden Musik; seine kindischen szenischen Phantasien störten mehr als einmal auch den Hörgenuß. Man muß schon ganz spezielle Vorstellungen haben, um eine Oper wie "Attila" in die Teile "Kindlich verspielt", "Ausgewachsen infantil" und "Immer noch nichts gelernt" zu gliedern - oder zu begreifen, warum Odabella auf der Bühne stets mit einer Styroporgitarre herumlaufen mußte; das "Instrument" war bestenfalls bei ihrer Romanze und anderen Szenen mit Harfenbegleitung gerechtfertigt (aber auch nur, wenn man ein paarmal heftig gegen die Wand gerannt ist).
Typisch Piefke, könnte man in der besetzten (Wieder-)Ostmark dazu sagen. Und dabei sollte man es vielleicht auch schon belassen, um dem Nicht-Regisseur - wie Konwitschny selbst und keineswegs zu Unrecht sagt - nicht mehr Aufmerksamkeit zu schenken als nötig. Seine "Attila"-Produktion war eher Psychogramm als Theaterarbeit, und man hatte nicht nur einmal das Gefühl, mehr Voyeur in einer äußerst banalen Gedankenwelt denn Zuseher zu sein.
Es mag ja altmodisch sein, an den Spruch "Prima la musica, poi le parole" zu erinnern; doch wenn eine szenische Verunglimpfung die Musik zu (zer-)stören beginnt, sollten bei den Verantwortlichen und auch bei den Künstlern (vielleicht sogar der Intendanz?) die Alarmglocken läuten. In der gesamten Aufführung gab es nur wenige faszinierende Momente; am allerstärksten war die große Szene mit Ezio im zweiten Akt (fünften Bild). Doch auch diese Illusion wurde rasch mit einer großartig gesungenen und absolut idiotisch "gespielten" Cabaletta zerstört.
Die musikalische Seite war trotz des szenischen Unheils noch das Beste an dieser Inszenierung. Allen voran glänzten Dmitry Belosselsky in der Titelpartie und der Rumäne George Petean als sein Widersacher Ezio. Die Venezolanerin Lucrecia Garcia hat einen durchschlagskräftigen und dramatisch klingenden Sopran; wenn sie nur etwas differenzierter gesungen hätte (vor allem ersparte sie sich in der Romanze die Pianos!), könnte man von Weltklasse sprechen. Der Grazer Nikolai Schukoff als Foresto verfügt im Prinzip über einen fein klingenden Tenor, nur waren seine gesangstechnischen Probleme offenkundig. In der Liga, in der er auftritt, dürften Registerwechsel innerhalb einer Oktave niemals so deutlich hörbar sein. (Anm.: Ein Registerwechsel ist quasi eine Modusänderung bei der Stimmband- und Kehlkopfmuskulatur, die im Idealfall nicht zu vernehmen ist.)
Dirigent Riccardo Frizza hatte das ORF-Orchester bestens im Griff; seine Leistung war um Dimensionen besser als bei den beiden "Hoffmann"-Serien im Haus an der Wien. Daß Opernfreunde, die in den 80ern die "Attila"-Serie mit Giuseppe Sinopoli in der Wiener Staatsoper hören durften, Riccardo Frizza heute mit dem verstorbenen Maestro vergleichen, ist unfair. Musikalisch war die Produktion mehr als respektabel. Mit einem anderen Regisseur hätte man sich sogar daran erfreuen können ...
Herbert Hiess
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