Konzert am 23. Juli 2011
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Werke von Antonio Vivaldi, Giovanni Legrenzi, Tarquinio Merula, Dario Castello und Baldassari Galuppi
Auditorium, Grafenegg
Il Giardino Armonico/Giovanni Antonini
Man setzt sich ins Auto, fährt eine gute halbe Stunde nach Grafenegg und wird in zwei formidablen Originalklangkonzerten innerhalb einer Woche musikalisch nach Venedig und nach Spanien bis hin in den Orient geführt. Die beiden Aufführungen waren nicht nur Sternstunden, sondern auch Lektionen in Geschichte. 03.08.2011
Das erste der beiden Originalklangkonzerte bestritt das mittlerweile weltberühmte Ensemble Il Giardino Armonico unter seinem Chef Giovanni Antonini. Das Konzert trug den Namen "Viaggo Musicale" - wobei die Reise nach Venedig zu Antonio Vivaldi führte.
Vivaldi ist nicht nur Schöpfer der "Vier Jahreszeiten" (wahrscheinlich neben Ravels "Bolero" das einzige Klassikwerk, das auch Nichtklassikhörer kennen), sondern auch einer großen Anzahl von Solokonzerten, Concerti Grossi (mehrere Soloinstrumente werden von einem Orchester begleitet), Kantaten usw. Er war ein bedeutendes Mitglied der "venezianischen Schule", die sich aus heute mehr oder weniger bekannten Komponisten der Region zusammensetzte; so wie Dario Castello und Giovanni Legrenzi, die ebenfalls in diesem Konzert zu hören waren.
Il Giardino Armonico sorgte mit seiner Einspielung von Vivaldis "Jahreszeiten" erstmals für Aufsehen in der Kulturszene. Das Ensemble wurde 1985 von Musikschulabsolventen in Mailand gegründet. In Grafenegg waren sieben Musiker der Gruppe anwesend, die mit ihrem brillanten Spiel für Furore im Publikum sorgten. Bei den drei Flötenkonzerten war der Ensembleleiter Antonini auch Solist. Er spielte bei zwei Konzerten ein Flautino (eine Art Mini-Blockflöte) und bei einem Konzert eine normale Blockflöte.
Antonio Vivaldi schenkte dem Solisten bei seinen Werken absolut nichts. In den schnellen Sätzen muß er mit Koloraturen, Trillern, Lagenwechseln usw. zeigen, was er kann. Und das tat Antonini auf jeden Fall. Wer weiß, wie schwierig Intonation und Tongebung bei einer Blockflöte sind (durch die instabile Luftsäule im Instrument), der kann nachvollziehen, was für ein brillanter Musiker Giovanni Antonini ist.
Eine Woche später entführte das Ensemble Hespèrion XXI unter Jordi Savall und seiner bezaubernden Frau Montserrat Figueras das Publikum auf die iberische Halbinsel und ihren musikalischen Satelliten.
Das Konzert war nicht nur ein musikalisches Ereignis, sondern demonstrierte dem Publikum, wie eng verbunden Musik- und Zeitgeschichte sind. Spanien war immer schon ein Schmelztiegel der Nationen. Im frühen Mittelalter war es in der Hand der Mauren (vor allem Marokkaner), bis Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. die Alhambra (= Burg von Granada) übernahmen und die letzten Mauren 1492 vertrieben. Und mit ihnen wies das Herrscherpaar auch die spanischen Juden, die Sepharden, aus dem Land.
Genau die Sepharden und ihre Musik standen im Mittelpunkt des formidablen Konzerts. Savall und Figueras sind selbst Katalanen und haben offenbar ein großes Faible für sephardische Musik. Nur so kann man sich erklären, warum die beiden und die anderen Spitzenmusiker des Ensembles die sephardischen Gesänge so innig interpretierten.
Savalls Wegbegleiter bei dieser musikalischen Reise waren der Bulgare Nedyalko Nedyalkov mit einem Kaval (einer vor allem in Bulgarien und im Orient gespielten Flöte), Andrew Lawrence-King mit Harfe und Psalterium (davon gibt es mehrere Formen; in diesem Konzert kam eine trapezförmige "Bauchharfe" zum Einsatz), Dimitri Psonis (Guitarra morisca, Santur und Perkussion - das Santur ist ein Vorläufer des in der Volksmusik so beliebten Hackbretts) und David Mayoral (Perkussion). Nicht zuletzt ist das beeindruckende und virtuose Spiel Jordi Savalls an der Viola da Gamba zu erwähnen.
Savalls Frau bediente die Cithara, eine im Spanien des Mittelalters und im Orient gespielte Art Zither. Das Hauptinstrument (Savall am Schluß des Konzertes bei der Vorstellung der Instrumente: "das Originalklanginstrument des Abends") war jedoch Figueras´ bezaubernde und glockenhelle Stimme. Mit welcher Intensität und Sensibilität sie in die Klangwelt der Iberer eintauchte, das macht ihr so schnell keiner nach.
Übrigens feierte Jordi Savall am 1. August seinen 70. Geburtstag (zu dem EVOLVER-Redaktion und -Klassikexperte herzlichst gratulieren). Seine Gattin wiederum ist 63 Jahre alt - was man ihr absolut nicht ansieht. (Auch dazu eine Gratulation ...)
Konzert am 23. Juli 2011
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Werke von Antonio Vivaldi, Giovanni Legrenzi, Tarquinio Merula, Dario Castello und Baldassari Galuppi
Auditorium, Grafenegg
Il Giardino Armonico/Giovanni Antonini
Konzert am 30. Juli 2011
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Werke von "Anonymus", Henry du Bailly, Diego Ortiz, Bartomeu Cárceres und Tarquinio Merula
Auditorium, Grafenegg
Hèsperion XXI/Jordi Savall
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
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