Musik_CD-Tips KW 31/08

Charakterköpfe

Echte Typen sind eine Seltenheit - aber die drei, um die es heute geht, gehören eindeutig zu dieser raren Spezies. Natürlich sagt das noch nicht viel über die Qualität ihrer Musik aus ...    08.08.2008

Manfred Prescher

Alice Cooper - Along Came A Spider

ØØØØ

SPV (USA 2008)

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Ist schon eine Weile her, seit Tante Alice für alle Oberschüler dieser Welt den letzten Schultag verkündete und die Lehranstalt in Schutt und Asche legte. Seit diesen wilden Tagen hat Vincent Damon Furnier, wie der Ex-Elternschreck eigentlich heißt, viel Müll produziert. Aber eben durchaus auch gute, zeitlose Platten wie das leider untergegangene Meisterwerk "From The Inside".

"Along Came A Spider" gehört zu den eher Guten - und das überrascht dann doch. Erzählt wird in typischer Cooper-Konzept-Manier die Story eines Serienmörders, der wie eine Spinne tötet. Das ist herrlich verrückt und wird oft musikalisch stimmig umgesetzt: "Vengeance Is Mine" ist zeitlos brachialer Metal, "Catch Me If You Can" ist so gut, daß es sogar auf "Welcome To My Nightmare" positiv aufgefallen wäre. Herausragend auch das schräge "I´m Hungry" und die bittere Ballade "Killed By Love". Für mich der Killer: "(In Touch With Your) Feminine Side", denn so frisch klingen die Seventies nicht mal bei ARTE. Über die Ausfälle (allen voran "Salvation") breite ich den Mantel des Schweigens, denn es sind deren gar nicht so viele.

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Conor Oberst - Conor Oberst

ØØØ 1/2

V2/Universal (USA 2008)

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Conor Oberst gilt als Songwriter. Irgendwie stimmt das auch, aber der Mann aus Omaha/Nebraska ist weit mehr: freakig wie Beck und poetisch wie Mr. Kurt Wagner von Lambchop. Das ergibt auf jeden Fall eine nette Mischung, vor allem, weil Oberst einige sehr griffige und eingängige Melodien gelingen.

Auf seinem Solodebüt gibt sich der Tausendsassa viel verhaltener als beim gemeinsamen Sound-Umgraben mit den Kollegen von Bright Eyes. Übrigens: Wie der frühe Beck verstrickt sich auch Oberst in zig Mini-Projekte, aber das tut hier nix zur Sache. Diese Platte ist so ätherisch, so esoterisch und so sacht, daß im Vergleich dazu Simon & Garfunkel als Heavy-Rocker durchgehen - obwohl die Weichheit nur beim Kompletthören existiert. Seziert man die Platte in Einzelstücke, dann kommen erstaunliche Härten zum Vorschein, etwa bei der Single "Souled Out!!!" oder dem putzigen "Sausalito". Was auf Albumlänge leicht langweilt und ins ZEN-mäßige (Zuhören-Einschlafen-Nachhintenkippen) abdriftet, entfaltet so Song für Song seine Wirkung. Anspieltips sind "I Don´t Want To Die (In The Hospital)" und "NYC - Gone, Gone".

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Randy Newman - Harps And Angels

ØØØØ 1/2

Warner (USA 2008)

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Vor neun Jahren veröffentlichte der bissigste und beste Songwriter der westlichen Hemisphäre sein bisher letztes Studioalbum "Bad Love". In den 40 Jahren seit dem Debüt "Randy Newman" sind es, wenn man den "Best Of"-Sampler, das "Songbook" und "Faust" wegläßt, gerade mal elf Platten. Das ist (fast) der karge Output eines Leonard Cohen, doch der Kalifornier Newman ist entschuldigt: Seit Jahrzehnten schon leidet er an der Schlafkrankheit, was überhaupt nicht witzig ist. In der Hauptsache verdient er sein Geld mit Disney-/Pixar-Soundtracks wie "Toy Story" oder "Cars" - und ist faktisch der Hofkomponist des Konzerns.

Soweit das Vorgeplänkel. "Harps And Angels" ist eine verdammt gute Newman-CD, ausgefeilt, perfekt durchkomponiert und voller Ironie, wie zum Beispiel im durchgeknallten "A Piece Of The Pie" oder in "Only A Girl". Das zentrale Stück ist kein Lied im eigentlichen Sinn, sondern ein Spoken-Word-Teil zu Piano-Begleitung: "A Few Words In Defense Of Our Country" kommt als massive Generalabrechnung mit George Doubleyuh gerade noch rechtzeitig, bevor Will Smith das Ruder übernimmt. Möglicherweise paßt der Text auch dann noch. "Harps And Angels" ist so gut, daß zu hoffen bleibt, daß uns Randy beim nächsten Mal nicht so lange warten lassen wird.

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