Musik_Adult - Gimmie Trouble

Vorwärts zurück!

Auf dem neuen Adult-Album gebärdet sich Nicola Kuperus noch hysterischer als sonst. Untermauert werden ihre Exzesse mit Retro-Prä-Elektronik psychedelischen Anstrichs.    11.11.2005

Adult sind seit 2004 ein Trio. Begonnen hat alles damit, daß man für die Live-Gigs zur "D.U.M.E."-EP einen Live-Gitarristen suchte. Das diabolische Duo fand diesen bequemerweise gleich in den eigenen Reihen seines Labels Ersatz Audio: Samuel Consiglio (von Tamion 12") sprang auf der Bühne in die Bresche.

Darüber hinaus wurden Sessions gespielt, und im Handumdrehen enstand ein komplettes neues Album: "Gimmie Trouble". Die bange Frage, ob Adult darauf einmal mehr ihrer Leidenschaft frönen, den Gemüsegarten früher 80er-Jahre-Elektronik zu plündern, muß zumindest teilweise verneint werden. Diesmal beamen sich die Analog-Freaks nämlich zurück in die 70er Jahre, genauer: in die Grauzone elektronischer Musik, gekreuzt mit akustischen Instrumenten (E-Gitarre). Da sie bloß drei Monate Zeit hatten, das Album einzuspielen und zu produzieren, blieb der Session-Charakter der einzelnen Stücke weitgehend erhalten - ein echter Bonus.

Wer jetzt an Cabaret Voltaire (etwa zur Zeit von "Mussolini Headkick") oder pulsierende Throbbing Gristle denkt, liegt völlig richtig. Die zwölf Tracks sind außergewöhnlich vertrackt, die einst klaren Depeche-Mode/Fad-Gadget-Reminiszenzen sind magnetischer Psychedelia gewichen. Darüber schwebt die singende Säge Nicola Kuperus. Adults Vorteil liegt klar in ihrer Selbstbestimmung: Niemand diktiert ihnen, was sie tun sollen. Alles, vom Cover-Artwork bis zum Label, ist selbstgemacht. Man kann hier also ruhig von echter Konzeptkunst sprechen.

Kuperus´ Stimme klingt auf "Gimmie Trouble" weniger dominant als auf "Anxiety Always", ihrem letzten Studioalbum. Überhaupt verzichtet sie diesmal größtenteils auf die üblichen S/M-Querverweise. Liegt das am Experimentieren mit illegalen Substanzen oder bildet sie sich tatsächlich ein, sie sei Siouxsie Siouxs Inkarnation? Statt Kommandos kreischt sie seltsame, nachdenkliche Texte, die durchaus in die psychedelische Atmosphäre passen, die ihr Mann Adam Lee Miller und Gitarrist Sam Consiglio zusammenmischen.

Wieviel hier vom Laptop stammt oder doch mittels analogen Knöpferldrehens eingespielt wurde, sei dahingestellt - eines steht jedoch fest: "Gimmie Trouble" ist ein deutlicher Upspin und rückt Adult einmal mehr in den Mittelpunkt zahlreicher Elektronikforscher. Da aber in ihrer Welt sowieso alles rückwärts läuft, ist die Flucht in die 70er in Wahrheit ein logischer Schluß.

Ernst Meyer

Adult - Gimmie Trouble

ØØØØ 1/2


Thrill Jockey (GB 2005)

 

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