Akzente_Musikfestival Grafenegg 2007
Fest mit Charakter
Festivals sind beliebter denn je. Hinter jedem Misthaufen gibt es irgendeine Veranstaltung, die ein Festspiel sein will - auch wenn dort, wie gewohnt, nur Mist zu finden ist. Anders in Grafenegg: Dort ist man auf dem besten Wege, zum Festival von Weltrang zu reifen. Konzertmäßig könnte man so selbst Salzburg sehr schnell den Rang ablaufen.
29.08.2007
Intendant und Initiator des Grafenegger Musikfestivals ist der weltberühmte Pianist Rudolf Buchbinder, der nicht nur sein Instrument hervorragend beherrscht, sondern auch ein Networker im besten Sinne ist. Wenn Freunderlwirtschaft anderweitig Übelkeit verursachen mag - hier wird sie wirklich zum Vorteil aller betrieben. Buchbinder und seine nette Gattin kennen Musiker (no na!), Politiker, Industrielle usw. Wenn man all diese Persönlichkeiten gemeinsam vor eine Aufgabe stellt, kann sowas wie das Musikfest Grafenegg entstehen. Buchbinders Hauptmentor dabei ist der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll, der offenbar eine goldene Nase für interessante Projekte hat.
Mit der Freiluftbühne "Wolkenturm" ist den Veranstaltern ein großer Wurf gelungen. Das architektonisch großartige Objekt paßt sich trotz seiner Modernität in das Gebäudeensemble des Schloßes ein. Exzellent ist auch die Akustik, die prinzipiell ohne elektronische Verstärkung auskommt.
Nach der Einweihung im Juni und der Festivaleröffnung am 23. August war das hier besprochene Konzert eine echte Premiere - das erste, das gänzlich ohne Regen über die Bühne ging. Naß war es dafür im Mittelteil des Programms, da Valery Gergiev mit dem London Symphony Orchestra fulminant die Naturgewalten des Meeres darstellte. Claude Debussys "La Mer" war übrigens auch bei Gergievs allererstem Konzert der Wiener Philharmoniker im Musikverein zu hören. Es ist einzigartig, wie differenziert und leidenschaftlich das Orchester klang - ob bei zärtlichen Girlanden, die die Wellen darstellten, oder aber bei heftigen Stürmen: Gergiev entfachte ein einzigartiges Klangfeuerwerk. Dank der hervorragenden Akustik war jedes kleine Detail deutlich zu vernehmen.
Beginn und Hauptteil des Abends waren dem Sujet "Romeo und Julia" gewidmet. Den Anfang machte die Fantasieouvertüre von P. I. Tschaikowsky; der Hauptteil war eine Zusammenstellung aus dem gleichnamigen Ballett von Sergej Prokofjew, die Herr Gergiev höchstpersönlich besorgte. Da zeigte der Maestro, "wo der Bartl den Most holt". Gergiev schöpfte die volle Dynamik aus, vom zartesten Pianissimo bis zum heftigsten dreifachen Forte war alles zu hören. Unvergeßlich bleiben die schicksalhaften, tödlichen Paukenschläge im Finale des Balletts.
Nebenbei bemerkt: Es ist grotesk, mit welcher Unverschämtheit und Dummheit der Stardirigent von manchen Medien angepatzt wird - allen voran eine österreichische Wochenzeitung, die den Niedergang des Journalismus in diesem Lande eingeläutet hat und in der ein übler Phrasendrescher mit seinem im vorgezogenen Menopausenfrust befindlichen Damentrio über Kultur faseln darf. Ginge es nach solchen Leuten, wäre Gergiev der lauteste und schlechteste Dirigent ... aber gottlob geht es auf der Welt nie nach solchen Leuten, nur in den geschützten Werkstätten des Beamtenjournalismus.
Wenden wir uns also wieder erfreulicheren Tatsachen zu: Wenn das so weitergeht, könnte das Musikfestival Grafenegg unter der Intendanz von Buchbinder im Laufe der Jahre zu einem Festspiel von Weltrang reifen. Schon im ersten Jahr ist man auf dem besten Weg dorthin. Hoffentlich kann das Niveau zumindest gehalten und vielleicht sogar noch gesteigert werden. Sollten Künstler mit solcher Qualität Grafenegg auch in den kommenden Jahren die Ehre geben, dann dürfte die glorreiche Zukunft kein Problem sein.
Herbert Hiess
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