Akzente_Grafenegg 2009: Giuseppe Verdi - Messa da Requiem
Gemischte Gefühle
Mit den Konzertreihen "Musiksommer" und "Musikfestival" lockt Grafenegg auch heuer wieder vor allem Wiener Musikfreunde an. EVOLVER-Klassikexperte Herbert Hiess beobachtete bei der Aufführung des Verdi-Requiems, wie ein großartiger Chor und ebensolche Solisten das Konzert trotz des mittelmäßigen Dirgenten zu einem Ereignis machten.
22.07.2009
Der italienische Dirigent Gianandrea Noseda ist in Österreich nach Ansicht des Autors dieser Zeilen kein wirklicher Begriff; wohl aber werden ihn Netrebko-Fans kennen, da er auf der ersten CD der Sängerin bei Universal den Takt angab. (Lesen Sie dazu unsere Besprechung.)
In Grafenegg dirigierte er im Rahmen des "Musiksommers 2009" die Totenmesse von Giuseppe Verdi, die er gemeinsam mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich im Laufschritt absolvierte. Der Musikdirektor des Theaters Regio in Turin dirigierte mit großer Geste, einigen Sprüngen und zwischenzeitlichen Tanzeinlagen (auch, wo sie nicht konvenierten) und verpaßte damit einen großartigen Moment um den anderen, wobei sogar manche Übergänge "aufgesetzt" wirkten. Noseda versuchte sich wohl als das Temperamentbündel zu präsentieren, das er nicht ist. Wirkliche Ruhe kehrte niemals bei ihm ein; nur das "Agnus Dei" strahlte als einziger Satz eine sakrale Würde aus. So salopp er offenbar das Werk nahm, so salopp wirkte er auch beim Verbeugen, indem er heftig einen Kaugummi (oder ein Zuckerl) kaute.
Von ganz anderem Niveau waren hingegen der Chor und die großartigen Solisten - angefangen bei der Georgierin Tamar Iveri, die die krankheitshalber ausgefallene Moskauerin Marina Poplavskaya mehr als souverän vertrat. Die Sopranistin hat eine wunderschöne, glockenhelle Stimme, die sie auch gekonnt einsetzte. Wenn sie das Pianissimo im "Libera Me" vor dem Übergang ins Forte nicht "geschummelt" hätte, könnte man sie als geradewegs perfekt bezeichnen. Kongenial klangen auch der Mezzo von Daniela Barcellona, der metallisch strahlende Tenor des erst 29jährigen Francesco Meli und die orgelnde Baßstimme des italienischen Sängers Carlo Colombara. Der Chor des Teatro Regio di Torino war durchwegs phantastisch: bewundernswert, wie Nosedas Chortruppe selbst die heikelsten Passagen souverän interpretierte. Das niederösterreichische Orchester war in ebensolcher Form; schade nur, daß einzelne Unsauberkeiten (vor allem bei den Celli zu Beginn des "Offertoriums") die Bestnote verhinderten.
Den Grafenegger Veranstaltern ist es jedenfalls zu danken, daß sie so großartige Künstler ins Weinviertel holen; damit ist klar, daß dieser Konzertort selbst bei den berühmtesten Interpreten ein Wunschziel ist.
Herbert Hiess
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