Tom Odell: "Another Love"
Enthalten auf der CD "Long Way Down" (Smi Col/Sony Music)
Früher hat Manfred Prescher versucht, andere Menschen mit seinem guten Musikgeschmack zu missionieren. Heute weiß er, daß Hopfen und Malz verloren beziehungsweise allerhöchstens noch im Bier zu finden sind. Na dann Prost! 22.07.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Einen Moment Geduld, bitte. Ich muß kurz raus, rasch die Burg vom edlen Ritter Sepp, ihr wißt schon, das war des Mittelalters größter Depp, aufsuchen. Dort will ich mir eine Lanze mopsen.
So, bin wieder da. Die Lanze breche ich jetzt praktisch vor euren Bildschirmen für den Engländer Mike Rosenberg, besser bekannt als Passenger, und seinen Hit "Let Her Go". Ihr fragt euch sicher, warum ich grad so zerstörungswütig bin? Ich will euch nicht auf die Folter spannen: Die Kritiker landauf, landab verreißen das Album "All The Little Lights" und die Erfolgssingle - oder schweigen sie tot. Das ist schade, denn unter dem milden Kerzenlicht eines romantischen Abends betrachtet, ist "Let Her Go" einfach ein wunderschöner kleiner Song. Zugegebenermaßen geht innovativ irgendwie anders, aber das Rad wird ja auch nicht täglich neu erfunden. Seit es von der quadratischen Urform zur heute gültigen Rundlichkeit entwickelt wurde, dreht es sich praktisch optimal.
Aber darf man nun "Let Her Go" mögen? Klar. Außer natürlich, man ist Kritiker. Dann, so hab´ ich vor kurzem in einem Kommentar auf "Spiegel Online" gelesen, geht das natürlich nicht. "Entweder wird Musik gehört oder kritisiert", schrieb der schlaue User. Womit? Mit Recht natürlich. Also zieht euch Passenger rein. Zeilen wie "Du kennst deinen Liebsten erst, wenn du ihn weggeschickt hast/Du weißt erst, wie gut es dir ging, wenn es dir mies geht" sind doch gar nicht mal so doof. Da habe ich schon deutlich Dümmeres von ziemlich trendigen Kritikerlieblingen gelesen. Ich sage und schreibe nur: Franz Ferdinand ...
Nicht, daß ihr jetzt denkt, daß ich den Power-Pop des schottischen Quartetts um Alex Kapranos nicht mag, aber es ist schon ein wenig schräg, wie hymnisch mit der Band umgegangen wird. Auch "Right Action", der Vorbote auf das vierte Album "Right Thoughts, Right Words, Right Action", ist echt gelungen. Keine Frage. Und coole Sätze gibt´s bei Franzl auch: "Ich liebe es, wie es klingt, wenn du weggehst." Oder jetzt in "Right Action": "Jetzt, genauso wie vorher, liebe ich dich für immer/Richtige Gedanken, richtige Pläne, richtiges Handeln." Ihr findet die Zeile bescheuert? Bescheuerter als die von Passenger? Ist sie. Aber man muß ja nicht unbedingt auf den Text hören, wenn das Tanzbein zuckt. Und man muß nicht unbedingt Musikkritiken lesen, wenn man mit dem eigenen Geschmack prima leben kann.
Ich muß schon wieder meinen Schreibfluß unterbrechen. Gerade hat mich eine Schnake gestochen. Das juckt wie blöd, kann ich euch sagen. Also kratz´ ich mich und überlege derweil, ob es mich kratzt, wie die aufgeschlossene Musikjournalistenzunft zu Tom Odell steht.
Der Künstler aus dem südenglischen Chichester ist gerade mal 22 Jahre jung - und doch schreibt das Küken wunderbare Lieder und singt sie auch noch selbst. Oder andersrum. Wen das an die sehr erfolgreichen Youngsters Adele und Jake Bugg erinnert, der sei versichert, daß es mir genauso geht. Ganz nebenbei und mit einer justament hier völlig angebrachten Prise Angeberei sei erwähnt, daß ich sowohl Bugg als auch Adele weitgehend vor dem Rest der deutschsprachigem Menschheit entdeckt habe. Extra für euch natürlich. Damals wollte ich euch schließlich noch mit guter Musik missionieren. Heute ist mir wurscht, was ihr hört - solange ihr euch nicht von Dieter Bohlen oder so den Restverstand vernebeln laßt.
Tom Odell kann ich euch jedenfalls getrost ans Herz legen. Der Jüngling konnte übrigens im Alter von sieben Jahren schon ordentlich mit dem Klavier umgehen und wird daher wohl auf ewig Glück bei den Frauen haben. Kurz nach seinem siebten Geburtstag, im Jahr 2012, wurde er von Lily Allen entdeckt. Und dann gewann er prompt einen Brit Award - und zwar den der Kritiker. Trotz dieses Lobs könnt, dürft und sollt ihr Odell hören. Wenn ihr Deutsche seid und öfter mal in die Röhre geschaut habt, mußtet ihr das sogar, weil die Telekom mit diesem Lied warb. Ist ja schließlich auch gut, wenn der/die Liebste ein Telefon oder gar ein Handy sein/ihr eigen nennt. Von Toms Debüt-CD "Long Way Down" gefallen mir "I Think It´s Going To Rain Today", "Hold Me" und "Till I Lost” besser - aber das kann euch wiederum egal sein.
Nächste Woche werde ich hier über eine herrlich verschwurbelte Kollaboration schreiben: den Italiener Teho Teardo, der es im Verbund mit Blixa Bargeld versucht. Was genau, verrate ich im kommenden "Miststück". Bis dahin hört, was ihr wollt. Mir doch egal. Und bleibt, wie ihr seid. Etwas anderes bleibt euch sowieso nicht übrig.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
Tom Odell: "Another Love"
Enthalten auf der CD "Long Way Down" (Smi Col/Sony Music)
Franz Ferdinand: "Right Action"
Enthalten auf der CD "Right Thoughts, Right Words, Right Action" (Domino Records/Goodtogo)
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