The Mitchell Brotchers - Dressed For The Occasion
Warner (GB 2007)
Der König ist tot - lang lebe der König! Seit sich der "King of Pop" selbst entthront hat, macht es wieder richtig Spaß, "Thriller" oder "Bad" zu hören - meint Manfred Prescher. 26.11.2007
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
Was treibt eigentlich Michael Jackson gerade? Die Stukkateure haben die Arbeiten an den Seitenschiffen des Sängers beendet, weil das Geld für die Umbaumaßnahmen ausgegangen ist. Sowas kommt bei unbescheiden geplanten Sakralbauten einfach mal vor. Liegt in der Natur der Sache - zumal Jackson schon lange auf echte Hits wartet und wahrscheinlich nicht einmal mehr eine Plattenfirma hat, die seine Liturgien unter die schrumpfende Zahl der Pop-Gläubigen bringt. Vielleicht läßt sich die oben geäußerte Frage auch ganz profan beantworten? Ich stelle mir zumindest vor, daß Jacko auf seiner Neverland-Ranch - oder wie sein privates Graceland halt heißt - sitzt, mit den Fingernägeln die "Kuckuck"-Siegel des Gerichtsvollziehers von den Möbeln kletzelt und dann ebenso genervt wie gelangweilt einen Film der legendären Mitchell Brothers ins Videogerät einlegt, vielleicht "Sodom & Gomorrah" oder "Resurrection Of Eve". Dann hängt er den guten alten Zeiten nach, als Pornos noch Filmkunst sein konnten und Michael Jackson im Kreise der Brüder von "Ben" und dem kleinen "ABC" tirilierte.
Wie? Sie dachten, daß die Mitchell Brothers Musiker seien? Die beiden Cousins Tony Nyanin und Teddy Hanson, um die es hier geht, haben ihr musikalisches Projekt nach dem unter Schmuddel-Fans beliebten und auf Schweinkram-Festivals hochdekorierten US-Geschwisterpaar James Lloyd und Artie Jay Mitchell benannt. Die Mitchell-Brüder im Rap-Geist aber stammen aus England und erreichten über das legendäre The-Beats-Label von Mike Skinner erstmals 2005 eine breitere Öffentlichkeit - mit guten Grooves und einem Word-Flow, an dem MC Duke oder Derek B. ihre Freude haben dürften. Selbst Michael Jackson müßte eigentlich amused sein, weil er vom Sofa aus der eigenen Reinkarnation beiwohnen kann.
Die aktuelle Single der Mitchell Brothers jedenfalls ist eine Ehrerbietung, eine Verbeugung vor dem einzig echten King of Pop. Schon das Cover - gehalten im waschechten "Bad"-Outfit - zeigt, daß die beiden Rhythmus-Poeten wahre Fans sind, obwohl sie bei der Veröffentlichung von "Thriller" gerade erst aus den Eiern geschlüpft sind. Und bei "Off The Wall" waren höchstwahrscheinlich noch nicht mal die Eltern von Tony und Teddy liiert ... Nun wird das Duo jedoch gemeinsam zu "Michael Jackson", weil einer allein nicht groß genug wäre. Am Anfang des prächtigen Songs scheinen des Königs alte Kleider dennoch ein paar Nummern zu riesig zu sein, also wünschen sie, daß sie sich wie Jacko bewegen könnten. Zum Finale gelingt der Moonwalk zumindest verbal schon sehr gut. "I could swear I was Michael Jackson" und " I wanted to be the 'Man In The Mirror'/Right after I saw the zombies in 'Thriller' ", rappen sie - und man ist geneigt, ihnen den Sprung in den Adelsstand abzukaufen. Ihr "yeah he, yeah he" klingt so echt, daß man es entweder für ein Sample oder für eine aktuelle Aufnahme von Jackson halten könnte.
Übrigens: Franz Ferdinand sind ausgewiesene Fans der Mitchells und ihres Hits "Michael Jackson". Gemeinsam toben sie durch "Slap Your Face", das letzte Stück der Brothers-CD "Dressed For The Occasion". Wenn "Michael Jackson" schon der derzeit besten britischen Band und ihren Landsleuten gefällt, könnte sich doch damit auch der im Lied Geehrte zu neuen Taten aufschwingen. Vielleicht sollte er es den Mitchell Brothers gleich tun, das Pornovideo aus dem Recorder nehmen, stattdessen "a copy of 'Bad' on VHS" einlegen und solange die Magie von damals auf sich wirken lassen, bis der Putz bröckelt. Dann wird er vielleicht wieder so, wie es Georg Ringsgwandl seinerzeit beschrieben hat: "Ja der Michael, der ist eitel/doch der Michael, der ist nett/wiara oiwei rumgsprunga is/und gsogt hot: I´m bad, I´m bad, I´m bad."
Daß man mit etwas Doppelherz auch im hohen Alter noch fidel herumspringen kann, beweist übrigens Kylie Minogue mit "2 Hearts". Aber das gibt´s erst nächste Woche.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
The Mitchell Brotchers - Dressed For The Occasion
Warner (GB 2007)
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Kommentare_
Sehr geehrter Manfred Prescher,
ich weiß ja nicht, hinter welchem Mond Sie leben,
aber Michael Jackson lebt schon seit ""zwei"" Jahren nicht mehr auf der Neverland-Ranch und ein neues Album ist in Arbeit. Vielleicht sollten Sie sich erst einmal informieren, bevor sie etwas schreiben!!!!!
Gruß
Vicky
Auch wenn noch so viele Leute Artikel wie diesen hier schreiben - Michael Jackson hat mehr Platten verkauft als jeder andere - daran wird auch so ein Artikel nichts ändern. Er zeigt uns nur, wie geschmacklos manche Leute versuchen ihr Geld mit dem Namen anderer Leute zu verdienen oder Aufmerksamkeit zu erregen.