Kolumnen_Rez gscheid!
Dreck, Butter und Nadeln
Wissen Sie eigentlich, was Sie sagen? Gemeint ist: vor dem sechsten Bier? Viele Redewendungen kommen uns ganz selbstverständlich über die Lippen. Daß eine logische Erklärung dabei oft gar nicht so einfach ist, zeigen die jüngsten Fragen an unser Sprachressort.
28.01.2010
"Languages matter!" wußte die UNESCO, als sie das Jahr 2008 zum "International Year of Languages" erklärte. Wir meinen: Ein Jahr ist längst nicht genug. Unser Sprachexperte Dr. Seicherl widmet sich daher weiterhin dem Österreichischen, genauer gesagt: der proletarisch korrekten Sprache im Alltag. Warum? Das erfahren Sie hier.
Wienerisch im Alltag: Dr. Seicherls gesammelte Lebenshilfe finden Sie hier.
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Sehr geehrter Herr Dr. Seicherl!
Man hört und liest ja oft, daß Politiker "Dreck am Stecken" hätten. Aber was heißt das eigentlich genau, und wie kommt es zu dieser Beschreibung?
Mit besten Grüßen
Paul Moravec
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Dr. Seicherl antwortet:
Sehr geehrter Herr Moravec,
am ehesten könnte man es wohl damit umschreiben, daß der Betreffende sich nicht immer gesetzeskonform verhalten hat beziehungsweise verhält, wobei das Ausmaß der Verfehlung eine Verheimlichung der Angelegenheit ratsam scheinen läßt.
Daß derlei oft Politikern nachgesagt wird, dürfte an der Natur ihres Berufes liegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. S
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Erläuterungen:
Eigenartigerweise gibt es kaum nähere Informationen zur Herkunft dieser Phrase. Wer drek am stekn hat, hat sich etwas zuschulden kommen lassen. Der sinnbildliche Schmutz am Stab ist dabei nicht per se judizierbar, gilt aber als Indiz.
Die wahrscheinlichste Erklärung für das Gleichnis dürfte in jener Zeit zu finden sein, als zur Garderobe des Herrn von Stande auch ein Spazierstock zählte. Am gepflegten Parkett seiner gewohnten Umgebung stets makellos, mochte jenes Accessoire wohl nur dann gröberer Verunreinigung ausgesetzt gewesen sein, wenn sein Träger Stadtteile aufsuchte, in welchen die Straßen nicht gepflastert waren: zwielichtige Viertel, deren üble Spelunken verbotene Genüsse in Aussicht stellten und wo das Schweigen über heimliche Geschäfte mit ein paar Münzen erkauft wurde. Indes nach der Rückkehr ein Diener die Stiefel putzte und die Kleidung gewechselt wurde, konnte der Herr leicht auf die verräterischen Spuren an seinem Stock vergessen.
Folgt man hingegen der Weltsicht modernerer Damen, die in allem Länglichen ein Phallussymbol erblicken, könnte die Wendung auch auf - in mehr oder weniger übertragenem Sinne - unhygienische Vorlieben anspielen.
Eher aus dem ländlichen Bereich wiederum stammt die synonyme Wendung buta am kopf. Zwar trugen hochgestellte Ägypterinnen im Altertum Duftkegel im Haar, welche in der Wärme langsam schmolzen; eine Parallele zu unlauteren Machenschaften ließe sich hier aber nur schwer konstruieren.
Zur Interpretation für unsere Breiten maßgeblicher dürfte da die frühere Gepflogenheit von Bauern sein, bei nicht am Hofe wohnendem Gesinde wie etwa Saisonknechten am Ende des Arbeitstages die Taschen zu durchsuchen. Wer nun etwa Lebensmittel stehlen wollte (welche seinerzeit einen deutlich höheren Wert darstellten als heute), mußte ein geeigneteres Versteck dafür finden - und da bot sich findigen Zeitgenossen ihr Hut an, zumal dieser meist nur in der Kirche oder im heimischen Schlafgemach abgelegt wurde.
Die in genannter Phrase herangezogene Art des Diebesgutes illustriert auch sehr schön die zunehmende Nervosität des Gauners, je länger die Durchsuchung dauerte (siehe: Duftkegel).
[Anmerkung: Zur Differenzierung der beiden angrenzenden Selbstlaute wird bei der Intonation meist ein Konsonant eingefügt; sprich: "bútaram-kopf".]
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Lieber Doktor Seicherl,
ich erinnere mich, als Kind von meiner Tante oft mit den Worten "Geh, mach da keine Spompernadeln!" zurechtgewiesen worden zu sein. Ich wußte dann schon, was sie meinte. Trotzdem dachte ich dabei immer, was das denn mit ihrem Nähzeug zu tun hat. Nur so aus Neugier: Können Sie mir den Ausdruck erklären?
Herzliche Grüße,
Gertrud Bronner
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Dr. Seicherl antwortet:
Liebe Frau Bronner,
Sie interpretierten die Worte Ihrer geschätzten Tante damals wohl korrekt, wenn Sie sie als Ermahnung verstanden, nicht von einer vorangegangenen Aufforderung abzulenken. Richtig ist natürlich auch, daß es nichts mit Nadeln zu tun hat.
Näheres über die Herkunft kann ich Ihnen zu meinem großen Bedauern jedoch nicht sagen, da mir keine der verfügbaren Interpretationen ausreichend stichhaltig erscheint.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. S
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Erläuterungen:
Wenn Kinder schpompanadln mochn, versuchen sie, durch aufmerksamkeitsheischende Handlungen und Worte einen Aufschub zu erreichen (meist vor subjektiv unliebsamen Aufgaben). Tendenzielle Harmlosigkeit prägt auch dann das Geschehen, wenn diese Formulierung unter Erwachsenen angewandt wird.
So geläufig die Sentenz jedoch ist, so unpräzise bleiben die Versuche einer Herleitung. Das französische espadon (= zweihändiges Schwert; vgl. span.: espadón = Haudegen) klingt als Ursprung ebenso weit hergeholt wie die Hypothese, der gleichbedeutende bundesdeutsche Begriff "Sperenzchen" (früher: Sperenzien) läge hier etymologisch zugrunde. Letzterer dürfte sich zwar vom lateinischen sperno (= verschmähen) ableiten, ähnelt jedoch in seiner Vokalfolge kaum dem hier erörterten Ausdruck.
Am nähesten kommt noch das italienische Dialektwort spampanare, was soviel wie "übertreiben" bedeutet.
[Anmerkung: Etwas schärfer wirkt die Formulierung danz, wenn von unnötigem Aufhebens die Rede ist. Hier fehlt die gutmütig-schelmische Intention der schpompanadln, und der Gestus ist aggressiver (vgl.: wos san des fia danz).]
Dr. Seicherl
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