Kolumnen_Rez gscheid!
Cherchez la femme
Das ewig Weibliche zieht uns hinan, wußte schon der Herr Geheimrat. Doch wie sag´ ich´s auf Wienerisch? Die bundesdeutsche Synchronisation läßt uns mit "Titten", "Nippeln" und "Mösen" darben. Der EVOLVER schafft Abhilfe: Lesen Sie hier, über welch expressiven und illustren Wortschatz wir zur Benennung femininer Anatomie verfügen.
26.11.2009
"Languages matter!" wußte die UNESCO, als sie das Jahr 2008 zum "International Year of Languages" erklärte. Wir meinen: Ein Jahr ist längst nicht genug. Unser Sprachexperte Dr. Seicherl widmet sich daher weiterhin dem Österreichischen, genauer gesagt: der proletarisch korrekten Sprache im Alltag. Warum? Das erfahren Sie hier.
Wienerisch im Alltag: Dr. Seicherls gesammelte Lebenshilfe finden Sie hier.
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Lieber Herr Doktor!
Im Bett mit meinem Freund habe ich manchmal dirty talk ganz gerne. Leider fällt ihm nicht viel ein, außer was er halt so von seinen Videos kennt. Haben Sie vielleicht ein paar Tips für ihn?
Liebe Grüße,
Angelika
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Dr. Seicherl antwortet:
Liebe Angelika,
ich kann Dir hier nur mit Wienerischem aushelfen. Wenn Ihr diesen Dialekt verwenden möchtet, sollte Dein Freund allerdings auch die speziellen Vokale und Wortmelodien des hiesigen Idioms beherrschen. Ich empfehle daher, zunächst "auf dem Trockenen" zu üben; selbst bei korrekter Betonung könnte es nämlich sein, daß Dich die verbale Farbenpracht zu schallendem Gelächter animiert - mit fatalen Folgen für seine Manneskraft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. S
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Erläuterungen:
Da eine komplette Auflistung wienerischer Synonyme für die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale den Rahmen dieser Kolumne sprengen würde, beschränke ich mich im folgenden auf eine repräsentative Auswahl; der Übersichtlichkeit halber gegliedert gemäß den Zentren femininer Anatomie.
Region 1: mammae
Evident sind zunächst jene Begriffe, die sich von der naturgemäßen Funktion des Organs herleiten, wie etwa moikarei, müchgschäft oder müchbar; seltener zu hören sind meiarei (vom Pachtgut, vereinfachend Molkerei genannt) oder das eher vage mülizeig.
Im Zuge der Industrialisierung des Lebensmittelhandels etwas in Vergessenheit geraten ist ampa: so nannte man früher auch hierorts jene Blechkannen, in welche die Milch zunächst vom Bauern abgefüllt wurde (vgl.: bitschn). Der Terminus geht auf das altgriechische amphora zurück und bezeichnet somit eine recht große Brust.
Die Masse ist desgleichen bei gwichterln namensgebend, trotz des Diminutivs; in anderem Zusammenhang können damit jedoch auch Geweih (Jägersprache) oder Testikel gemeint sein. Ebenso mehrdeutig ist der Ausdruck schleich (Schläuche): neben langgezogenen Brüsten (vgl.: Trinkschlauch = Gefäß aus Tierhaut) werden damit Füße respektive Beine bezeichnet (mhd.: sluoch; vgl.: mia tan de schleich we).
Am bekanntesten ist natürlich das Synonym dutl (plur.: dutln), welches vom mittelhochdeutschen tutte abgeleitet ist. Wie so oft bewahrt das Wienerische hier die linguistischen Wurzeln, während das bundesdeutsche Titte eine Lautverschiebung durchlief. Von zahllosen Kategorisierungen seien an dieser Stelle nur drei erwähnt: unter gasdutln versteht man gleichsam ballonartig geblähte Brüste, im Gegensatz zu eiaschpeisdutln, welche - etwa in Rückenlage - an die Fladenform des Pfannengerichts gemahnen (bdt.: "Rührei"); nicht zu verwechseln mit dem eiaschpeisreindl (= flache Kopfbedeckung; vgl.: Girardihut).
Hängt der Busen besonders tief, spricht man scherzhaft von kniaschußdutln ("bis zum Knie") oder einfach hänga (sing. = plur.). [Anmerkung: Die Mittelsequenz ersterer Bezeichnung ist unklar; möglicherweise soll damit angedeutet werden, daß im Falle eines coitus intermammarius (wien.: dutlpudern; bdt.: "Tittenfick") der "Schuß" - i. e. das Ejakulat - in Kniehöhe auftrifft.]
Weiters sind Assoziationen kulinarischer Natur naheliegend. Der Wiener als Genußmensch kennt wuchtln nicht nur als Mehlspeise; auch an gschpaßlaberln weiß er sich offenkundig zu erfreuen - wobei im ersten Falle Bewunderung für die voluminöse Form mitschwingt, Zweiteres hingegen eine allgemein geläufige Bezeichnung ohne nähere Spezifikation darstellt. Längliche, schmale (tendenziell spitz zulaufende) Brüste werden als soizstanglbusn apostrophiert.
Mehr der Bekleidung geschuldet ist der Terminus gsims - ein dirndl etwa vermag die Oberseite des Dekolletés bis zur Horizontalen zu stützen.
müch/müli: Milch
zeig: Zeug; Gegenstände aller Art (mhd.: ziuc)
bitschn: Blechkanne (mhd.: bietsche)
wetuan: schmerzen ("wehtun")
reindl: flaches Kochgeschirr (ahd.: rîna)
wuchtl: Fußball; beleibte Frau; pointierte Bemerkung; Mehlspeise (bdt.: "Dampfnudel")
gschpaß: Scherz; Freude
laberl: abgeflachtes Sphäroid (dim. zu "Laib"; vgl.: feznlaberl = Ball aus Stoffresten)
soizstangerl: längliche Backware aus Germteig, mit Kümmel und grobem Salz bestreut
gsims: Mauervorsprung (grch.: geison)
dirndl: Mädchen; Trachtenkleid
Geht man weiter ins Detail und betrachtet die mamillae, werden große areolae ("Höfe") als töla bezeichnet. Die Warze insgesamt fungiert unter dutlzipf (= mhd.; dt.: Zipfel) oder aug (vgl. scherzh.: scheene augn hods); bei den noch kleinen, blassen Formen Heranwachsender spricht man von müchwaazn (vgl.: müchboat). Die zentrale Erhebung selbst wird knopf genannt (plur. dim.: knepferl).
töla: Teller
hom: haben (hob: ich habe; hod: er/sie/es hat)
boat: Bart
knopf: Knoten; Bedienelement (bdt.: "Knauf"; vgl.: Drehknopf)
Region 2: vagina
Nähert man sich nun dem Lendenbereich, kann zunächst Vorsicht geboten sein: Im brunzbuschn lauert der futhusar - möglicherweise, so die Dame denn ihre Körperhygiene vernachlässigt. Letzterer gehört aber auch nicht in diese Auflistung, da es sich bei phthirus pubis nicht um einen Körperteil, sondern um einen Parasiten handelt, wie ihn Soldaten oft zu verbreiten pflegten.
Von einem "Busch" wird man jedenfalls nur sprechen, wenn der Schambereich nicht, aktueller Mode gehorchend, rasiert ist. Gleiches gilt für den muff. Dieser Ausdruck stammt ursprünglich aus dem Mittellateinischen und bedeutete "Pelzhandschuh"; vom synonymen französischen moufle gelangte er im 16. Jhdt. über das Niederländische als "Handwärmer" in den deutschen Sprachgebrauch.
Der geläufigste Ausdruck für das weibliche Genital wurde bereits erwähnt. Die fut (plur.: futna), vom mittelhochdeutschen vut hergeleitet, existiert in zahlreichen spezifizierenden Kombinationen; so läßt eine schnobefut etwa auf vorstehende innere Schamlippen schließen. Unter einer klemfut versteht man jedoch kein jungfräuliches Organ, sondern eine prüde ("verklemmte") Frau.
Syllogismen und pars pro toto-Kongruenzen finden sich hier im Wienerischen häufig. Der Terminus pritschn beispielsweise bezeichnet ebenso eine Prostituierte wie eine Vagina, wobei die ursprüngliche Assoziation von der einfachen Lagerstatt herrührt (ahd.: britissa = Bretterverschlag). Die spielerisch-ornamentalen Varianten britschigunkerl und britschigogerl beziehen sich jedoch ausschließlich auf den Körperteil.
Auf die umschließende Hohlform des Scheidenkanals wiederum reflektiert nicht nur das Hochdeutsche (vgl.: Schwertscheide). Der Wiener kennt in diesem Zusammenhang bixn (= Büchse; von mhd.: bühse) respektive buxn (ahd.: buhsa) ebenso wie butn (mlat.: butina = Flasche, Gefäß) oder masnstubn; hier wird der Aufenthaltsort "Stube" mit dem jiddischen masel (= Glück) kombiniert. Zu nennen wäre noch der der ebeso schlichte wie einleuchtende Ausdruck schwanzkistl.
Evident ob der optischen Anmutung sind rizn (hdt.: Ritze), klunsn (hdt.: Kluft) oder baunzerl: eigentlich ein semmelähnliches Gebäck, jedoch mit nur einer Mittelfurche versehen (vgl.: wekerl). Die gigaritschn hingegen soll ihren Namen einem Bordell am Spittelberg verdanken; und die kleschn illustriert lautmalend den Ablauf rhythmischer Penetration. Der schliz nimmt, linguistisch gesehen, eine Sonderstellung ein: neben dem alt- und mittelhochdeutschen sliz (= Spalte) dürfte das gleichlautende tschechische Substantiv an der Namensgebung beteiligt sein (cz.: sliz = Schleim; vgl.: schlizig).
brunzn: urinieren
futhusar: Filzlaus
schnobe: Schnabel
butn: Bottich; großes, offenes Gefäß; Rückentrage
wekerl: kleiner Laib
kleschn: klatschen
schlizig: schleimig; schlüpfrig
Von den Details der Vagina weiß der Wiener nur wenig zu berichten, da das Procedere der Intimrasur erst in jüngster Zeit Verbreitung findet und ihm somit die natürlichen Locken tiefere Einblicke verwehrten.
So bleibt bislang der mons veneris unbenannt. Die labiae immerhin sind hierorts bekannt (als futlaperl beziehungsweise fozlapn), desgleichen die Klitoris. Völlig ungeklärt ist in letzterem Falle jedoch die Namensgebung: neben dem quasi schriftdeutschen kizla wird jenes weibliche Lustzentrum nämlich als jud apostrophiert. Den Vorgang der manuellen Stimulation an jener Stelle umschreibt man mit in judn wuzln (= rollen, walken).
[Anmerkung: Eventuell schiebt hier die traditionell erotikfeindliche christliche Religion die Möglichkeit sexueller Erregbarkeit der Frau als "Altlast" den diesbezüglich aufgeschlosseneren Anhängern mosaischen Glaubens zu; eine schlüssige Erklärung gibt es allerdings meines Wissens bislang nicht.]
Dr. Seicherl
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