Kolumnen_Rez gscheid!
Hardcore Games
Stellen Sie sich vor, der Strom fällt aus. Und zwar so richtig, also auch in Laptop-Akkus und ... und ... ja? Genügt Ihre Phantasie, um blaß zu werden? Fassen Sie Mut, lesen Sie EVOLVER! Unser Linguistikexperte hält selbst für ein derart apokalyptisches Szenario zwei praktikable Vorschläge bereit.
02.07.2009
"Languages matter!" wußte die UNESCO, als sie das Jahr 2008 zum "International Year of Languages" erklärte. Wir meinen: Ein Jahr ist längst nicht genug. Unser Sprachexperte Dr. Seicherl widmet sich daher weiterhin dem Österreichischen, genauer gesagt: der proletarisch korrekten Sprache im Alltag. Warum? Das erfahren Sie hier.
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Lieber Herr *kma* Doktor!
Heute hat mich mein Alter wieder voll genervt. Schlimm genug, das er null ahnung hat, quatscht er mich ständig an. Hab eh nichts gehört, dann zieht er mir die Kopfhörer aus dem Ohr. Er ist auf dem Trip, dass ich Internetsüchtig bin. Dabei haben mich die ganzen botter schon genug genervt, aber meinst du, er checkt was? Die party hat er mir verboten, wo ich schon auf L90 war! Sagt, ich soll anmeiern oder pfitschgoogeln oder was. Statt das er sich einmal was chilliges reinhaut und mich in ruhe lässt. Weist du, von was der Spasti redet?
max*tankwarrior*
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Dr. Seicherl antwortet:
Lieber Max,
ich nehme an, Dein Vater sprach von "Pfitschigogerln" und "Anmäuerln". Es handelt sich dabei um Spiele, die ein hohes Maß an Geschicklichkeit und Konzentration erfordern. Ich bezweifle allerdings, daß sie für Playstation, Xbox oder Wii verfügbar sind.
Dr. S
P.S.: Subjektiv gesehen könnte es für Dich von Vorteil sein, daß Dein Vater sich nicht doch einmal Gedanken zum Thema "reinhauen" macht - zumal, wenn er erfährt, wie sein Sprößling ihn in der vermeintlichen Anonymität des Internet tituliert.
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Translation / Gebrauchshinweise:
bfidschi... : (nur als Präfix:) schnell, sausend
gogerl: Testikel; Truthahn; hier, als gogerln: wackeln
meierl: Diminutiv zu "Mauer"
Daß es auch Spiele gibt, die ohne jeglichen Einsatz von Elektronik auskommen, gerät zunehmend in Vergessenheit.
Beim bfidschigogerln etwa dient üblicherweise ein Tisch als Spielfeld. Benötigt werden drei Münzen sowie geeignete Hilfsmittel zum Bewegen derselben (in der Schule meist die sogenannten Geodreiecke; solch widmungswidriger Einsatz verkürzt deren Lebenszeit allerdings beträchtlich). Zwei gleich große Münzen repräsentieren die Spieler, eine kleinere den Ball. Es gilt, abwechselnd mit der jeweils eigenen (zur Unterscheidung "Kopf" bzw. "Adler" zeigend) den Ball in das gegnerische Tor zu schießen, also in die entsprechend markierten Bereiche an den Schmalseiten des Tisches. Weitere an Fußball angelehnte Regeln sind unter anderem faul (Touchieren der gegnerischen Spielmünze vor Ballkontakt) oder aut (Ball fliegt vom Tisch), mit dementsprechenden Folgen.
[Anmerkung: Daß sich auf diesem Wege die meisten Gesetze der Festkörperphysik - Reibung, Beschleunigung, Masse, Kräfteparallelogramm etc. - ebenso einfach wie anschaulich explizieren lassen, hat bis dato noch keinen Eingang in die Lehrpläne gefunden; von der vielzitierten "Auge-Hand-Koordination" ganz zu schweigen (die ja gern - unter Hinweis auf die Maus - als pädagogische Entschuldigung für Computerbenützung herangezogen wird).]
Auch ameierln wird mit Münzen gespielt, obwohl ursprünglich Kugerl (bdt.: "Murmeln") dafür verwendet wurden; es handelt sich im Grunde um eine Variante von Boule (frz., wörtl.: Kugel) unter einschränkenden Bedingungen. Im Unterschied zum alten Nationalsport der Franzosen zählt nicht die Endposition des Wurfutensils in Entfernung zu einem Fixpunkt (eine kleine weiße Kugel, die nicht berührt werden darf), sondern zu der Wand, an die gespielt wird. Jeder Mitspieler hat einen Wurf; es gewinnt der, dessen Münze am Schluß der Kante am nächsten liegt - "Wegschießen" der Gegner ist erlaubt. Die jeweilige Distanz zur Mauer bemißt danach die Hand: Kategorien sind beispielsweise antn (Daumen bis kleiner Finger), bakerl (Daumen bis Zeigefinger), dritl (Zeige- bis Mittelfinger) oder gnetsch (Daumenbreite).
[Anmerkung: Verboten wird das Spiel z. B. seitens des Lehrkörpers oft deshalb, weil die Münzen selbst dabei sowohl Einsatz als auch möglichen Gewinn darstellen.]
Dr. Seicherl
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