Sinatra Tribute Band & Max Neissendorfer: "All The Way"
Kolumnen_Miststück der Woche III/37
Sinatra Tribute Band & Max Neissendorfer: "All The Way"
Die Wahl war nicht einfach - zu guter Letzt ging es um zwei Stücke: entweder "More" oder "All The Way". Manfred Prescher ließ einfach sein Herz entscheiden. 10.06.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
In der Kathedrale meines Herzens wird immer eine Kerze für Max Neissendorfer brennen - denn wir waren vor Jahr und Tag das definitive "Rat Pack". Oder, um es mit Franz Beckenbauers nicht allzu kaiserlichem Lied zu sagen: "Gute Freunde kann niemand trennen." Deshalb - und weil Max der leuchtende musikalische Stern Münchens ist - freute ich mich, als er mir seine neue CD "All The Way" zukommen ließ. Zwei der Tracks haben es mir dabei besonders angetan: "More", das eigentlich aus dem Oscar-prämierten Soundtrack der italienischen Pseudo-Dokumentation "Mondo Cane" stammt, und "All The Way". Das Liebeslied wurde vom genialen Autoren-Team Jimmy van Heusen und Sammy Cahn ("Love And Marriage", "High Hopes", "Come Fly With Me" etc. pp.) geschrieben und hat ebenfalls den Oscar gewonnen. Es ist zentraler Bestandteil des wunderbaren Films "Schicksalsmelodie", in dem Frank Sinatra den Sänger Joe E. Lewis spielt. Soweit die Fakten. Entschieden habe ich mich für "All The Way" und damit für die unsterblichen Zeilen "When somebody loves you/It´s no good unless he loves you all the way/Happy to be near you/When you need someone to cheer you all the way".
Vielleicht war das mit "All The Way" doch anders? Und der Song wurde gar nicht für Sinatra geschrieben, sondern für Max Neissendorfer? Ich hab´ jedenfalls irgendwie im Ohr, daß Frankie auf der Live-Platte von 1957 folgende Moderation zum allerbesten gibt: "This very next song is well-known from an old friend of mine - Max Neissendorfer. I sing it because he is not a friend of mine yet." Das ist natürlich Quatsch, weil Max anno siebenundfünfzig grad das sonnige Licht Münchens erblickte und die musikalische Taufe in den Schwabinger Jazzschuppen noch weit vor sich hatte. Aber die Version, die Max mit seiner Sinatra Tribute Band eingespielt hat, die hört sich so an, als könnte das obige Märchen wahr sein. Neissendorfer bringt den Spirit von Sinatra absolut überzeugend rüber, weil er eben nicht nur wirklich ein stimmlicher Virtuose ist und seine Musiker perfekt agieren; er ist auch als Künstler und Künstlerpersönlichkeit so stark, daß er sich kurz vor van Heusen/Cahn und Sinatra verneigt, dann aber eindeutig als Max Neissendorfer rüberkommt. Und damit unterscheidet er sich wohltuend von all den Epigonen weit und breit. Ich sage: Er soll möglichst 100- oder gar 1000mal so viel verdienen wie Michael Bublé. Es sei ihm sogar verziehen, daß er aktiver Fan des FC Bayern ist. Glückwunsch zum Triple, Max. Ich werde aber lieber einen guten Brandy auf deine einmalig schöne Musik trinken.
"All The Way" wurde immer wieder gecovert - unter anderem von Neil Sedaka, Billy Holiday, Lou Rawls, Celine Dion und den Punk-Bösewichtern Richard Hell & The Voidoids. Max Neissendorfer und die Sinatra Tribute Band sind näher am Original als die Dion oder Hell, aber ihr Arrangement ist doch sehr eigenständig swingend. Ursprünglich erschien "All The Way" als Single in Kombination mit der ebenfalls "klassischen" Sinatra-Nummer "Chicago (A Toddlin´ Town)" als B-Seite. So wurde das Lied ein ziemlicher Hit, es erreichte immerhin Platz 15 der US- und Rang 3 der britischen Charts. In die Hitparade wird Max Neissendorfer nicht kommen, das ist leider amtlich - weil sich Eleganz, Emotion, Geschmack und Können nicht mehr wirklich auszahlen. Aber das ist kein Grund zum Jammern, verbiegen läßt sich Max eh nicht. Und für ein, zwei "Augustiner", einen "Breznknödel" und Eintrittskarten für die Arroganz-Arena reicht das, was er spielend zur Rechten von Frankie verdient, auf jeden Fall.
"All The Way" ist ein zeitlos schönes Liebeslied, das in Max Neissendorfers Version die Herzen zum Erbeben bringt. Den Text singt er lässig und mit einem Timbre, das uns dahinschmelzen läßt. Gott sei Dank verwendet er die originalen Worte von Sammy Cahn, etwa "Deeper than the deep blue sea is/That´s how deep it goes if it´s real” und nicht die Umdichtung, die Sammy Davis Jr. während des legendären Rat-Pack-Auftritts im "Sands" vornahm: "Deeper than a toilet seat ..." Davis Jr. gab bei dieser großartigen Show übrigens einen (fast) so perfekten Sinatra, wie das auch Max Neissendorfer hinbekommt. Gleichzeitig mimte er aber auch noch Tony Bennett, Louis Armstrong und Dean Martin. Aber ich schweife (schon wieder) ab. Lieber höre ich mir "All The Way" an und tauche ein in eine perfekte Melodie, die Neissendorfer mit seiner Stimme veredelt. Und plötzlich glaube ich an die Macht der Liebe. Sing´s noch einmal, Max, sing "But if you´ll let me love you/It´s for sure I´m gonna love you all the way, all the way". Den Song hat Sinatra übrigens 1957 bei der Live-Show gar nicht gespielt. Dafür aber zum Beispiel "Glad To Be Unhappy” oder "(Love Is) The Tender Trap”, das auch von van Heusen und Cahn stammt. Also, Max, die könntest du stante pede einspielen, das wäre echt ein feiner Zug von dir.
Nächste Woche werde ich an dieser Stelle über andere Münchner den Stab brechen - nämlich Sportfreunde Stiller und "Applaus, Applaus". Womit ich das tun werde? Mit Recht natürlich. Also bleibt mir gewogen und bleibt´s, wie ihr seid´s; was anderes bleibt euch eh nicht übrig. Und hört Max. Wer Max hört, liebt besser. Das ist nämlich auch amtlich.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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