Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Leseschule
Dr. Trash empfiehlt: Halten Sie sich zur Abwechslung mit einem mehr als zwei Jahre alten Nachruf auf. Qualität endet nämlich nicht mit dem Tode - wie der Fall des deutschen Erfinders von "Mr. Dynamit" und "Kommissar X" eindrücklich zeigt. Autoren wie C. H. Guenter sagen in einem Buch mehr als österreichische Subventionsschreiber in ihrem ganzen Lebenswerk.
31.10.2007
Er wurde 81 Jahre alt und starb am 5. Juni 2005: C. H. Guenter. Persönlich durfte der Doc den großen deutschen Schriftsteller, der "Kommissar X" und "Mister Dynamit" erfand, leider nie kennenlernen, obwohl er ihm einige der schönsten Stunden seiner Jugendzeit verdankt. (Sparen Sie sich die hämischen Bemerkungen! Das war DAMALS, als man die Pubertätsjahre noch nicht mit Techno und Tattoos vergeudete, sondern mit wertvoller Lektüre aus der Romantauschzentrale ...)
Guenter begann mit 35 Jahren zu schreiben. Sein erster Auftraggeber war der Pabel-Verlag, der 1959 eine Konkurrenzserie zu "Jerry Cotton" auf den Markt werfen wollte. Also schuf der gelernte Kaufmann mit dem New Yorker Privatdetektiv Jo Walker eine Figur, die ihn die nächsten paar Jahre begleiten sollte. "Kommissar X" wurde ein Erfolg, den er sich anonym mit einigen anderen Autoren teilte - doch C. H. Guenters 51 Heftromane und 58 Taschenbücher waren für Kenner eindeutig die Höhepunkte der Reihe.
1963 trat dann ein neuer Held auf den Plan: Urban, Bob Urban. Seine Gegner fürchteten den Agenten des deutschen Nachrichtendienstes BND als "Mr. Dynamit", seine Fans horteten die monatlich erscheinenden Abenteuer der gelungenen James-Bond-Lokalausgabe im Taschenbuchregal. Und Guenter jagte 15 bis 20 Druckseiten pro Tag aus seiner Schreibmaschine - 300 Bände lang.
Als beide Helden, so wie ihr Schöpfer, längst die wohlverdiente Pension angetreten hatten, nahm sich der österreichische Oerindur-Verlag ihrer Karrieren an: 1999 durfte Kommissar X in "Drei gelbe Katzen" noch einmal nach Burma reisen, inklusive Hintergrundmaterial über Autor und Roman. Auch Mr. Dynamit erzählt seither seine besten Fälle in liebevoll gestalteten Editionen nach - und demnächst wird, leider posthum, Bob Urbans letztes Abenteuer "Die Noris-Banditen" erscheinen.
Für den Anhang des neuaufgelegten "Kommissar X"-Bands "Der Mann aus dem Nichts" verfaßte Guenter übrigens eine "ultimative Schreibschule". Darin heißt es: "Beim Schreiben ist es wie beim Telefonieren: Fasse dich so kurz, wie es geht. Mein erster Verleger hat mir pro Roman nur einen einzigen guten Satz erlaubt. Schreibst du den guten, so an die zehn Meter langen Satz, mußt du zusehen, daß du grammatikalisch elegant aus ihm herauskommst. Und nicht vergessen: dein Leser auch."
Aus diesen Worten spricht der Profi, der ungeniert kommerzielle Autor, der jahrzehntelang A. für die Leser und B. für Geld arbeitete, ohne sich bei Podiumsdiskussionen als Künstler aufzuspielen. Und der genau deswegen so gut war. C. H. Guenter wird - und sollte - uns fehlen. Der Doc trinkt jedenfalls einen großen Schluck Whisky auf ihn.
Dr. Trash
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