Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #24
144 schnelle Pasta-Gerichte für jeden Tag
Viele Menschen können zwar essen, aber nicht kochen. Sie sind Fast food und Fertiggerichten ausgeliefert, werden häßlich und verschandeln als Spaziergänger die Städte. Dagegen gehen wir heute vor - mit dem kürzesten Kochkurs aller Zeiten. 19.08.2010
Neulich lästerte ich über TV-Köche. Ich erhielt viele Zuschriften, vor allem von ihren Anwälten, und leiste nun, da sich der rote Laserpunkt des Auftragskillers auf meine Brust senkt, aufrichtig und freiwillig Abbitte: 1. Wir brauchen Kochkunst, ja, und Kochkünstler auch, sowieso. 2. Jeder kann kochen, genau. 3. Jedenfalls, nachdem er diese Kolumne gelesen hat. Ich baue sie modular auf: Von einem Basisgericht ausgehend, lernen Sie eine Vielzahl internationaler Gerichte zu kochen. Ich meine das ausnahmsweise einmal völlig ernst. (Fast.)
Pasta-Gerichte sind besonders einfach und erfordern minimalen Materialeinsatz, weswegen sich italienische Restaurants auch eine goldene Nase verdienen, die dann Il Padrino einsacken würde, wäre das nicht zu cliché für eine wertvolle Kolumne wie diese. So eine Pizza ist läppische 90 Cent wert, und selbst dann hat der Herr aus Italia schon gute Zutaten verwendet, aber ich schweife ab.
So gehen Sie vor: Sie setzen einen Topf mit Wasser auf, salzen es. Sobald es brodelt, werfen Sie die Nudeln rein; nehmen Sie Barilla, dann geht nichts schief, oder DeCecco, wenn Sie sich mondän geben wollen. Nehmen Sie nicht Vollkornnudeln, denn das sind keine. Nach acht Minuten (oder was auch immer der Packungsaufdruck empfiehlt) kippen Sie die gekochten Nudeln in ein Sieb. Die Pasta geben Sie in einen Teller. Schneiden Sie ein Stück Butter ab und legen es auf die Pasta. Warten Sie, bis es schmilzt. Salzen und pfeffern Sie nach Gusto, ergo vorsichtig. Fertig. Muß man für sowas wirklich zum Italiener gehen?
Ja, denn diese Nudeln mit Butter würden natürlich nach einem Arsch namens Friedrich schmecken. Daher nun die erste Variation (1): Sobald das Nudelwasser zu kochen beginnt, stellen Sie eine Pfanne auf eine zweite Herdplatte (jetzt wird’s kompliziert!), die Sie mit maximal mittlerer Hitze anfeuern. Den Boden dieser Pfanne bedecken Sie mit Olivenöl. Sobald das heiß ist, werfen Sie ein bis fünf gehackte Knoblauchzehen und eine halbe bis drei gehackte Chilischoten hinein, dazu etwas Salz und Pfeffer. Dann rühren Sie drin herum. Wenn das Zeug braun ist, schalten Sie die Platte ab und verlegen die Pfanne auf eine kalte Platte - inzwischen sollten die Spaghetti durch sein und kommen wie gehabt ins Sieb und danach in die Pfanne. Das muß schmecken, das geht gar nicht anders. Ist es zu trocken, brauchen Sie mehr Olivenöl.
Die zweite Variation: Nehmen Sie zusätzlich zu den Knoblauchzehen ein bis drei kleine Zwiebeln oder Schalotten, die Sie natürlich vorher klein hacken. Alles andere bleibt gleich. Oder (3): Geben Sie kurz vor Schluß einen Löffel Butter in die Pfanne, auch wenn schon Olivenöl drin ist. Oder (4,5): Streuen Sie kurz vor Schluß gehackte Petersilie oder (niemals gemeinsam!) gehacktes Selleriekraut in die Pfanne. Oder (6) halbe Kirschtomaten. Oder (7): Stellen Sie das Öl mit Knoblauch, Zwiebeln und Chili etwas früher zu (also deutlich, bevor das Nudelwasser kocht) und hauen Sie fünf Minuten vor Schluß noch ein bis drei Dosen Tomatenmark hinein, die Sie mit ein bis fünf guten Schluck Rotwein aufgießen und cremig rühren. (Zu Wein in Soßen eine Anmerkung für manische Resteverwerter: Was man nicht trinken mag, sollte auch einer Soße fernbleiben, finden Sie nicht auch?) Oder (8): Stellen Sie das Öl noch etwas früher zu und hauen Sie, sobald Knoblauch und Zwiebeln braun sind, ein bis vier gehackte Tomaten hinein, eventuell noch eine kleine Dose Tomatenmark. Plus frischen, gehackten Oregano. Es geht auch getrockneter, aber der muß dann möglichst früh rein. Zu Tomaten sei angemerkt: Ja, klar kann man auf frische Tomaten schwören, aber die Eiertomaten aus der Italo-Dose sind meistens besser als selbst der frischeste Holland-/Spanien-Mist, der bei uns erhältlich ist.
(9): Stellen Sie das Öl noch etwas früher zu und geben Sie, sobald Knoblauch und Zwiebeln glasig sind, zwei gehackte Selleriestangen und dreihundert Gramm Faschiertes hinein, später dann gehackte Tomaten, eventuell noch eine kleine Dose Tomatenmark, plus frisch gehackten Oregano. Oder (10) nehmen Sie statt des Faschierten (guten) Speck und geriebenen Pecorino. Man könnte statt Faschiertem oder Speck auch (11) gehackte Karotten und Zucchini nehmen. Sie könnten auf die Tomaten und alles verzichten und stattdessen ein halbes Kilo Blattspinat (meinetwegen Tiefkühl-) nehmen, kurz kochen, abtropfen und etwas kleinhacken, dann in das Öl mit Knoblauch und Zwiebeln klatschen (12) und da dann die Nudeln drüberwerfen. Und so weiter. Parmesan kann nicht schaden, aber wer ohnehin nur den fertig geriebenen aus dem Kühlregal (im Streuer!) kennt, der kann ihn auch weglassen.
Ein paar Absätze! Mehr braucht ein Meisterkolumnist wie ich nicht, um mit der Anleitung für über zwölf Gerichte alle TV-Köche in die Tasche zu stecken. Nehmt dies! Mit obiger Anleitung für Pasta Aglio e Olio, Arrabiata, Bolognese, Amatriciana und mehr werden Sie immer satt und zufrieden sein; ich verspreche Ihnen Glück, Manneskraft und Cellulitefreiheit bis an Ihr Lebensende.
Und wenn Sie die 12 Gerichte mit 12 verschiedenen Paste kombinieren, ergeben sich schon 144 Gerichte. Ja, was sage ich: Die halbe Küche der Welt basiert auf oben genanntem Ausgangsrezept! Wer mehr will: Verzichten Sie auf alles ab einschließlich Olivenöl, nehmen Sie stattdessen Asia-Nudeln und Kokosmilch und Curry und Fischsauce und schneiden Sie Gemüse rein, und Sie haben auch noch die andere Hälfte. Und das alles, wenn ich das einmal sagen darf, ohne böses, böses Obers.
Dieser kurze Kolumnen-Kochkurs kann fürderhin als Prima materia der Küche gelten, als Heiliger Gral der schnellen, unkomplizierten Küche , ... (hier bricht die Kolumne ab, weil der Autor beim Italiener was essen ging. Das geht einfach schneller.)
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Das Bilderrätsel:
"Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, warum Leute sowas essen. Ihnen auch?"
(Das Bild entstand übrigens während einer Ravioli-Party. Wir aßen das Zeug, teilweise kalt, bis uns schlecht war. Ein herrliches Vergnügen für jung & alt!)
Zugegeben, ein gutes Rätsel ist das nicht.
Ich bitte daher stattdessen um Ihre besten Pasta-Rezepte als Kommentare!
Kommentare_
Meine Hochachtung! Ihre Anleitungen sind ebenso präzise wie korrekt.
Sehr schön auch, daß endlich einmal jemand sacht darauf anspielt, daß Vollkornnudeln nicht nur aussehen wie Recyclingkarton, sondern auch so schmecken. Ich persönlich bevorzuge Eiernudeln. Auch wenn sämtliche Verfechter der Reinen Lehre jetzt im Chor aufheulen: sie sind in Biß und Geschmack einfach noch besser. (Die Nudeln, nicht die Orthodoxen.) Es gibt sie (die Nudeln) bei uns z.B. von Recheis - dort verwendet man wenigstens Eier "aus Bodenhaltung".
Erfreulich fand ich auch die Anleitung "kleinhacken" beim Knoblauch: die Knoblauchpresse ist ein Folterinstrument, auch für das Aroma. Ich selbst hachle die Zehen (am Gurkenhobel; geht wunderbar, wenn die Schneiden keine zu groben/dicken Stücke produzieren).
Mein Rezept für Sugo (ergibt etwa 10 Portionen):
1 Kilo Zwiebel kleinschneiden und abrösten, 40 Deka Lammfaschiertes abrösten (jeweils in viel Olivenöl). Beides in einen großen Topf geben, dazu den Inhalt einer 800-Gramm-Dose geschälter Tomaten (ganz) sowie einer Tube Tomatenmark. Einen Liter Wasser und eine Handvoll Lorbeerblätter dazu. So lange köcheln, bis die Tomaten zerfallen sind (dauert ein paar Stunden - umrühren nicht vergessen). Dann je einen gehäuften Eßlöffel Oregano und Tyhmian dazu, eine Prise Basilikum, eine ganze Knolle (nicht Zehe!) gehachelten Knoblauch und je einen Teelöffel Rosmarin und geschrotetes Chili. Eine weitere Stunde köcheln (Wasser nach Bedarf ergänzen), dann 1-2 Eßlöffel frisch in Ringerl gehackte Chilis sowie eine Prise Chilipulver dazu; mit Meersalz abschmecken. Ein paar Minuten durchziehen lassen, mit den Spaghetti servieren und frisch geriebenen Pecorino drüberstreuen.
Dazu paßt am besten ein Gurkensalat mit Dill und Rahmmarinade - aber das ist wieder ein anderes Rezept.
Klingt spannend, ich werde mich bei allerstnächstester Gelegenheit an die Töpfe begeben, wenn auch mit halbierter Menge. Was Vollkornprodukte betrifft, so sind diese möglicherweise "für den Export gedacht" und sie befinden sich nur aus Versehen und unseren Märkten.
"Für den Export"? Interessante Idee.
Eine hinterhältige Kriegstaktik, wenn es denn stimmt - aber gefährlich. Schon Anthony Bourdain identifizierte Vegetarier als "Feinde alles Guten und Schönen" und Veganer als deren "hisbollahartige Splittergruppe" (damals gab es die Frutarier noch nicht; sie hätte er wohl nur mehr als "Taliban-Elitecorps" definieren können).
Wer immer mit unverdaulichem Vollkorn die p.t. Kunden nachhaltig zu demoralisieren gedenkt, hat damit sicher Erfolg - doch sie schlagen irgendwann zurück. Und zwar mit Missionseifer! Schließlich besteht die einzige Freude von Selbstkasteiern (Gläubigen, Nichtrauchern, etc. pp.) darin, möglichst viele Unschuldige an ihrem Leid teilhaben zu lassen.
Nachsatz zu meinem Rezept: Verkehrt man das Zwiebel/Fleisch-Verhältnis, eignet sich die Sauce bestens für Auflauf. Statt Spaghetti nimmt man (lange) Makkaroni, kocht sie aber nicht ganz gar. Dann wird eine geeignete Form zweifach mit Schichten aus jeweils Nudeln/Sugo/geriebenem Käse befüllt (von unten nach oben, sechs Lagen also in Summe) und im Rohr herausgebacken. Pecorino wäre hier allerdings verschwendet; für die zum Schmelzen gedachten Schichten bietet sich guter Emmentaler o.ä. an (natürlich frisch gerieben; fertig in Blättern abgepackter "Schmelzkäse" ist schlicht Sondermüll).
Nachsatz 2: Ja, es ist scharf. Zartbesaitete Gaumen sollten die jeweiligen Chili-Anteile zumindest auf die Hälfte reduzieren.
Ich muss hier doch widersprechen. Vollkornprodukte sind nicht unverdaulich, sie fördern ganz im Gegenteil das Defäkieren und erweisen sich als Königsweg zum zeitgemäß optimierten Stuhlgang.
Und doch muss die Frage erlaubt sein, warum wir etwas essen. Trivial der Hinweis: um nicht tot vom Stuhl zu kippen. Danach aber scheiden sich die Geister: Stellen wir uns eine Stunde lang in die Küche und zelebrieren Zutaten, um hernach auf Basis kunstvoll zubereiteten Essens ein schönes Leben zu genießen, oder machen wir uns die Mühe bloß, um besser scheißen zu können. Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand (nicht in der Schüssel).