Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 50/Pt. 1

These boots are made for walking

Schon wieder ein Jubiläum: Das 150. "Miststück" zeigt nicht nur, wie Wochen, Monate und Jahre ins Land gehen, sondern daß dasselbe auch für Beziehungen gilt. Manfred Prescher beleuchtet ein Thema, das ebenso zwangsläufig zu Pop gehört wie die Liebe - nämlich das Ende derselben: die 25 größten Herzensbrecher.    19.01.2009

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Wo viel geschwelgt wird, folgt oft der Katzenjammer - und alles hat sowieso mindestens zwei Seiten. Deshalb gab und gibt es neben der Masse an Liebesliedern, Schmachtfetzen und Brunftschreien ("Whole Lotta Love") auch das Gegenteil: die in kunstfertige Kompositionen gegossenen Abschieds- und Abschiebenummern. Das große Ende, also das Rundum-Goodbye, bleibt außen vor, es geht um das Schließen der Beziehungskiste. Natürlich sorgt auch der Tod dafür, daß der Deckel aufs Schachterl fällt. Deshalb erwähne ich hier - quasi außer Konkurrenz - den Song, den ich dereinst, wenn ich ins Erdreich abdrifte, vorgetragen bekommen will: "Goodbye Friends" von den Beasts Of Bourbon. Das Lied schließt alle ein, die im Laufe des Lebens lieb und teuer waren, also auch die "girls".

 

Die Plätze 75 bis 26 - oder: Knapp gescheitert

 

75. The Cult: Painted On My Heart

74. Bob Dylan: Most Likely You Go Your Way (& I´ll Go Mine)

73. Linkin Park: In The End

72. Sam Cooke: Sad Mood

71. Connie Francis: Who´s Sorry Now

70. Johnny Paycheck: Take This Job & Shove It

69. Liz Phair: Divorce Song

68. Waylon Jennings: I Kind Of Like Kissing You Goodbye

67. Dion: Runaround Sue

66. Them: It´s All Over Now Baby Blue

65. Frank Sinatra: Lay That Pistol Down, Babe

64. Mötley Crüe: Don´t Go Away Mad (Just Go Away)

63. Bad Company: Gone, Gone, Gone

62. Roy Orbison: It´s Over

61. Jackie DeShannon/The Ramones: Needles & Pins

 

60. Fats Domino: I´m Walking

59. Paul Simon: 50 Ways To Leave Your Lover

58. Neil Diamond: Love On The Rocks

57. Ted Nugent: Kiss My Ass

56. Freda Payne: Band Of Gold

55. Elvis Costello & The Attractions: I Hope You´re Happy Now

54. The Murmurs: You Suck

53. Buck Owens: Waitin´ In Your Welfare Line

52. Righteous Brothers: You´ve Lost That Lovin´ Feeling

51. Hank Williams/Ray Charles: Your Cheatin´ Heart

50. Johnny Mathis: Too Much, Too Little, Too Late

49. The Beatles: Yesterday

48. Barbra Streisand: We´re Not Making Love Anymore

47. The Zombies: Tell Her No

46. The Temptations: Since I Lost My Baby

 

45. J. Geils Band: Love Stinks

44. Fleetwood Mac: Go Your Own Way

43. Billy Talent: The Ex

42. Ugly Kid Joe: Everything About You

41. Pantera: This Love

40. Bob Dylan: It Ain´t Me Babe

39. Die Ärzte: Ohne dich

38. Ray Charles: Hit The Road Jack

37. Gladys Knight & The Pips: I Will Survive/Free Again

36. Marvin Gaye: I Heard It Through The Grapevine

35. Cake: I Will Survive

34. The Everly Brothers: Bye Bye Love

33. Guns N´Roses: I Used To Love Her

32. Die Ärzte: Meine ex(plodierte) Freundin

31. Nancy Sinatra/Lee Hazlewood: These Boots Are Made For Walking

 

30. Elvis Costello & The Attractions: Clowntime Is Over

29. Abba: The Winner Takes It All

28. Hank Williams: Mind Your Own Business

27. Tammy Wynette: D-I-V-O-R-C-E

26. The Manhattans: Kiss And Say Goodbye

 

 

Top 25 - Don´t Leave Me This Way

 

25. Hank III: 5 Shots Of Whiskey ("Lovesick, Broke & Driftin´", 2002)

Selten hat Hank Williams´ Enkel den Geist seines Großvaters so gut erfaßt wie in diesem traurigen Säuferlied. Die Leere, die die Ex hinterläßt, wird förmlich spürbar in Bourbon ertränkt, doch das Schlimmste ist das Wiedersehen mit IHR: Sie läuft, innig verbunden mit ihrem Neuen, auf der anderen Straßenseite entlang, der Typ streichelt ihr sanft übers Haar.

In solchen Momenten bleibt eben nur eins: "5 shots of Whiskey, to help kill the misery".

 

24. Elvis Presley: Suspicious Minds ("30 #1 Hits", 1968)

Helge Schneiders deutsche Übersetzung von "Suspicious Minds" lautet "Zerstückelte Gehirne" und ist gar nicht mal so falsch. Dieses Lied beschreibt den Zustand der gegenseitigen Zerfleischung, die einer Trennung häufig vorausgeht, nämlich so schön, daß man glatt mitleiden möchte. Der Text stammt übrigens vom King höchstpersönlich.

 

23. The Drifters: Mexican Divorce ("1959-65 Greatest Hits", 1961)

"One day married, next day free" heißt es in diesem schwungvollen Stück. Wundersamerweise konnte man sich im erzkatholischen Mexiko schnell und unbürokratisch scheiden lassen. Die Drifters, eine der erfolgreichsten Vokalgruppen aller Zeiten, machten aus diesem Umstand einen flirrenden Ohrwurm, der schon durch die schmissige Melodie belegt, daß auch das Herzeleid begrenzt ist. Übrigens: Zwei Lead-Sänger der Gruppe waren solo und mit ähnlichen Themen ebenfalls sehr erfolgreich - Clyde McPhatter und Ben E. King.

 

22. Ernest Tubb - Let´s Say Goodbye Like We Said Hello ("The Definitive Collection", 1948)

Der Traum von einem einvernehmlichen und harmonischen Ende wurde nie stimmiger besungen als vom Texaner Tubb: Man hört, daß er sich eine Trennung in Friede, Freude, Eierkuchen wünscht, diese aber für extrem unwahrscheinlich hält. Solche Honky-Tonk-Hits rührten nicht nur die Menschen in der Jukebox-Ära, sie können es auch heute noch.

 

21. Tony Christie: Born To Cry ("Made In Sheffield", 2008)

Was für ein bombastisches Gänsehaut-Ding, das Englands führender Songwriter, der knarzige Sheffielder Richard Hawley, da gemeinsam mit Jarvis Cocker für Tony Christie geschrieben hat. Das Orchester schwelgt in der Unabänderlichkeit der Dinge, der Sänger beweist auch in schweren Zeiten Stärke, und der Text ist schlicht genial: Die Frau kann nach dem Beziehungsende gern hier bleiben, wenn sie heute nacht unbedingt allein schlafen will. Auf sechs Minuten verteilt, gibt´s noch mehr solcher Sätze.

 

20. Ulrich Roski: Der Ofen ist aus ("Das macht mein athletischer Körperbau", 1971)

"Du, ich will dir was sagen/Du, hör mir mal zu/Du, mir liegt was im Magen/Du, mir drückt der Schuh/Ich kann nicht mehr schweigen/Denn es bricht aus mir raus/Du, weißt du was/Der Ofen ist aus/Ich sag´s gern noch genauer/Du widerst mich an/Wie man nur auf die Dauer/Jemand anwidern kann ..." Diese Zeilen haben sich mir derart ins Gedächtnis gebrannt, daß ich sie nie vergessen habe. Das gilt auch für den Rest, den Liedermacher Roski folgen läßt - eine Schimpftirade, die bis heute unerreicht bleibt. Fazit: "Bestell deiner Mutter/Und sieh zu, wie sie´s schluckt/Herzlichen Glückwunsch, mein gnädiges Fräulein/Zu diesem Produkt."

 

19. Sonny Terry & Brownie McGhee: Climbing On Top Of The Hill ("Folk Songs Of Sonny Terry & Brownie McGhee", 1961)

Ein echter Blues-Klassiker, den Terry und McGhee da schrieben. Zuletzt hat B. B. King ihn in einer schönen Version veröffentlicht, doch die 61er-Version des Autorenduos ist besser, weil lakonischer: Nun ist sie weg, aber das stört mich nicht, ich klettere den Berg hoch und laß alles hinter mir. So etwas kann noch heute sehr gut tun - genau wie dieser Song.

 

18. Prince & The Revolution: Purple Rain ("Purple Rain", 1984)

"I never wanted 2 be your weekend-lover", schluchzt der kleine Mann in seinem größten Schmachtfetzen. Wohlwissend, daß die besten Schnulzen die besonders artifiziellen sind, läßt er sein rosa Selbstmitleidschweinchen durch ein Plüschszenario springen. Und die Gitarre weept dazu so gently, daß sie wirklich zu weinen scheint. Blöd nur, daß bei Prince-Konzerten immer die Feuerzeuge ausgepackt werden, wenn "Purple Rain" kommt. Dabei ist der Song von selber so luzid, daß es eine barocke Pracht hat.

 

17. Nick Cave & The Bad Seeds: Carnival Is Over ("Kicking Against The Pricks", 1986)

Im Original stammt dieses traurige Lied von den Seekers, die damit Mitte der 60er Jahre einen Hit landeten. Viel später, als auch deren Reinkarnation The New Seekers schon Geschichte waren, nahm sich Düstermann Cave des Songs an und würzte ihn mit einer Prise Bitterkeit und jeder Menge Wut über das Versagen, das zum Ende der Liebe geführt hat.

 

16. Townes van Zandt: Dead Flowers ("Rear View Mirror", 1979/1993)

"Dead Flowers" stammt eigentlich von den Rolling Stones, aber van Zandts live eingespielte Version ist noch böser. Hier singt einer, der weiß, daß er sich mit der falschen Frau eingelassen hat, und wünscht ihr die Pest, den goldenen Schuß und alle Höllenhunde an den Hals. "And I won´t forget to put roses on your grave."

 

15. Chuck Jackson: Tell Him I´m Not Home/Dr. Hook & The Medicine Show: Sylvia´s Mother ("Best Of Chuck Jackson", 1963/"Sylvia´s Mother", 1971)

Zwei Songs, ein Thema: Beide Stücke sind Mini-Dramen, bei denen der Zuhörer Zeuge wird, wie eine Beziehung via Verleugnung am Telefon beendet wird. Getreu dem Motto "Sag´s du ihm" müssen die Verwandten die Drecksarbeit erledigen. Jackson, einer der besten Soulshouter überhaupt, legt das kräftigste Pathos ever in die Stimme, während man in Dr. Hooks Version des großen Silverstein-Ohrwurms zu hören glaubt, wie der Sänger panisch nach Kleingeld für den Münzfernsprecher sucht. And the operator says 40 Cent more ...

 

14. The Libertines: Music When The Lights Go Out ("The Libertines", 2004)

Pete Doherty läßt es krachen: "Oh Darling please forgive me/But I no longer hear the music" schreit er in den Lärm. Nichts als Krawall - und es ist klar, daß er die Geigen der Gefühle nicht mehr hören kann. In dieser Wall-Of-Sound-trifft-Depri-Hymne kulminieren Dohertys Verzweiflung und Bindungsunfähigkeit zu einem Granitbrocken, der ihm hoffentlich mal vom Herzen fällt. Angeblich ist der Sänger seinerzeit nach den Aufnahmen gemeinsam mit den Kumpels direkt an der Bar ins Alkoholkoma gefallen.

 

13. Randy Newman: Rider In The Rain ("Little Criminals", 1977)

"Oh my mother´s in St. Louis/And my bride´s in Tennessee/So I´m going to Arizona/With a banjo on my knee." Was der ewige Spötter Newman in seinem perfekt inszenierten Country-Epos in einfachen, aber starken Worten sagt? Ganz einfach: Flucht ist oft besser als standzuhalten. Der Protagonist läßt praktisch seine komplette Welt hinter sich und freut sich, daß Amerika ein großes, weites Land ist.

 

12. Guns N´ Roses: Back Off Bitch ("Use Your Illusion I", 1991)

Als Hardrocker noch Schwänze hatten: Axl Rose nimmt Anlauf und springt der Tussi ins Gesäß. Auf daß die dann durchs Fenster in den Rinnstein fällt, aus dem sie kroch. Für die Dame ist das allemal gesünder, als "I used to love her/But I have to kill her."

 

11. The Stranglers: All Quiet On The Eastern Front ("Black And White", 1978)

Hugh Cornwell und seine Truppe haben mit diesem Song die definitive Schlußmach-Nummer meiner Spätpubertät erschaffen. Alles ruhig an der Beziehungsfront hieß für mich, daß alles gesagt, alles versucht wurde und daß man im Nebel der Schlacht nach den Verwundungen sucht. Der Soundtrack dazu ist hart, metallisch und kalt wie ein Seziermesser.

 

Coming up: die zehn größten It´s-over-Songs aller Zeiten


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

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