Kolumnen_Der Misanthrop: Tierfreunde

Tierfreunde

Warum tun sich Menschen diese geistig minderbemittelten Fellträger mit hohen monatlichen Betriebskosten an? Da könnte man ja gleich eine Familie gründen...    18.11.2002

Ein Klischee über Misanthropen besagt, sie haßten mehr noch als die Menschen jene domestizierten Wesen, die als deren beste Freunde gelten - nämlich die armen Haustiere. Tatsächlich aber hält sich die Abartigkeit der beiden Parteien die Waage.

Als der Misanthrop vor einigen Wochen in einem durchaus als vornehm zu bezeichnenden Restaurant essen war (selbstverständlich alleine), saßen am Nebentisch eine junge Frau, ihr Partner und eine zerzauste Perserkatze, die auf einem der mit Hussen bezogenen Stühle thronte. Als der Ober mit dem Essen kam, erkundigte er sich vorsichtig, wer denn die Rindsrouladen in Rotweinsauce bestellt habe und stellte das opulente Gericht sodann vor den Mann hin. Den Räucherlachs mit Meerrettichsahnesauce dachte er der Katze zu, um sich anschließend eilends zu empfehlen. So etwas sollte einen Misanthropen erfreuen. Die Dame aber hatte doch tatsächlich und scheinbar aus freiem Willen nichts anderes zu tun, als das Tier zu füttern und auf ihr eigenes Mahl zu verzichten. Und gleich hat man wieder Grund, an der Menschheit zu verzweifeln...

Geradezu klassisch ist in diesem Zusammenhang auch eine Situation, bei der ein tierloser Passant einen gehaltvollen Herbstspaziergang durch den Park macht und dabei einen beigen Trenchcoat trägt. Irgendwann, wenn er absolut nicht darauf vorbereitet ist, also theoretisch jederzeit, galoppiert ein Riesenschnauzer, junger Schäferhund oder Retriever auf ihn zu. Der Passant sieht voller Angst die Kopfmuskeln des Hundes wie in der Zeitlupenaufnahme eines Hundertmeterlaufs auf- und abwandern und steckt instinktiv die Hände in die Manteltaschen. Mit starrem Tunnelblick geradeaus gehend, hofft er, daß die kalbsgroße Bestie nicht ihn, sondern einen möglicherweise genau hinter ihm stehenden Vierbeiner anvisiert habe. Doch dem ist in solchen Momenten leider nie so. Der "süße Hund" springt den Passanten an, beschmutzt dabei seinen Trenchcoat mit Matsch und Spritzern und bellt oder winselt dabei so laut, daß der ganze Park auf den feigen Passanten schaut. Der Hundebesitzer hat in derlei Fällen meist nichts besseres zu tun, als schwachsinnige Kommentare abzugeben: "Der ist ganz lieb. Der will nur spielen!" oder "Na, Angst vor Hunden?" Spricht man ihn auf die Haftung für das Tier und die Kosten für die Reinigung des Mantels an, wird man sofort als Tier- und Hundehasser beschimpft. Danach kommandiert der potentielle Sodomit seinen Vierbeiner gewöhnlich unter Nennung eines dämlichen, völlig unpassenden Namens wie "Johnny", "Moses" oder "Adam" ab.

Tiere sind nichts für Misanthropen, und ihre Besitzer schon gar nicht. Letztere simulieren nämlich soziales Verhalten bei einem geistig minderbemittelten Haustier und spielen sich vor, sie hätten einen loyalen Freund. Tatsächlich halten sie sich jedoch nur einen übelriechenden Fellträger mit hohen monatlichen Betriebskosten. Da könnte man ja gleich eine Familie gründen.

Benny Denes

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