Kolumnen_Der Misanthrop: Kinderwagen = Ich darf alles

Kinderwagen = Ich darf alles

Permanent sieht man sich gezwungen, tunnelblickenden Nachwuchsschieberinnen auszuweichen. Wieso nur?    12.08.2002

Wie Sie wissen, befindet sich das Gebäude, in dem ich zu essen, arbeiten, fernsehen und schlafen pflege, in einer Nebenstraße der Außenbezirks-Einkaufsmeile einer mittelmäßigen Großstadt. Das hat seine Nachteile.

Wenn man morgens die vom Dunst der am Vorabend gerauchten 28 Zigaretten aromatisierte Wohnung verläßt und die ekelhaft frische Luft der Straße inhaliert, um das unabdingbare Frischgebäck fürs Frühstück zu erwerben, wird einem besonders ein Nachteil der Anrainerschaft zur Fußgängerzone bewußt:

Permanent sieht man sich gezwungen, tunnelblickenden Kinderwagenschieberinnen auszuweichen - und das will nun einmal gar nicht zum morgendlich aufgepumpten Selbstbewußtsein passen. Solche Behinderungen des Fußgängerverkehrs können einen besonders dann zur Weißglut treiben, wenn man den ersten Kaffee des Tages noch nicht genossen hat. In diesem verdauungsgehemmten Zustand (wenn Sie wissen, was ich meine) will ich mir kurz nach acht wahrhaftig kein Lächeln aufs Gesicht quälen müssen, nur weil eine dieser minderbemittelten Muttis mit ihrem als Kinderwagen getarnten Abräumpanzer meinen Weg kreuzt oder gar in einer Art und Weise auf mich zuläuft, für die es in der konventionellen Psychiatrie bisher keine Diagnose gibt.

Die einen glotzen stumpf in die belanglosen Auslagen der Konsumhäuser und rammen mir dabei die stählernen Speichenkranzspitzen ihrer Babytransporter ans Scheinbein; die anderen überrollen nur allzugern mit massiven Geländereifen meine von sündhaft teuren, aber hauchdünnen Mokassins geschützten Zehen. Und keine von ihnen entschuldigt sich für den angerichteten Schaden; stattdessen schleudern sie mir ihren dümmlichen Standardsatz "Sie müssen schon aufpassen, ich kann ja nicht ausweichen!" entgegen.

Schlägt man einer solchen Person (die sich aufgrund ihrer mehr oder minder erfolgreichen Fortpflanzungstätigkeit offenbar heiliggesprochen fühlt) im Gegenzug vor, eventuell über eine Tempoverminderung oder gar eine Notbremsung vor Hindernissen zu sinnieren, muß man sich dann perfiderweise noch als Kinderhasser oder Homosexueller titulieren lassen. Und das um diese Tageszeit...

Mittlerweile habe ich einfach auf Aufbackbrötchen umgestellt. So erspare ich mir den Weg zum Bäcker - und kann vom Küchenfenster aus mit Steinen nach den Kinderwagenkriminellen werfen.

Benny Denes

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