Kolumnen_Der Misanthrop: Code-Chamäleons

Code-Chamäleons

Ein neuer, ekelhafter Hang zur sprachlichen Anpassung ist festzustellen: Humanoide Automaten plappern genau in dem Stil, den man ihnen vorplappert. Pfui!    31.03.2003

Sprache, Sprache, Sprache. Schon wieder widmet sich eine Folge dieser Kolumne jener Fertigkeit des Menschen, die ihn - neben der Werkzeugherstellung, dem aufrechten Gang und der Fähigkeit, Feuer zu machen - von den anderen Tieren unterscheidet. Im Lauf der Evolution und insbesondere im Zuge der Entwicklung urbaner Strukturen hat sich das "Codeswitching" zu einer beliebten Strategie vermeintlich sozial intelligenter Subjekte entwickelt. "Sprechen Sie die Sprache Ihrer untersten Angestellten" kriegen 32jährige Manager mit blauen Hemden und gelben Krawatten seit mehr als einem Jahrzehnt in diversen Seminaren eingebleut.

Heutzutage, da sich die Trademarks der Unternehmensberater auf alle Ebenen der Gesellschaft ausgebreitet haben, gibt es einen neuen, ekelhaften Hang zum sprachlichen Wechselspiel. Dialekt, Soziolekt, Am-Arsche-lekt (Verzeihung); immer mehr Menschen versuchen sich an ihnen fremden Varietäten. Mit dem Müllmann rumprollen, während man die Wochenzeitung unterm Arm hat, beim netten Zeitungshändler aus Bruck an der Mur versuchen, Hans-Moser-mäßiges Weanerisch nachzuäffen - so etwas kann nur daneben gehen.

Hauptverantwortlich für diese störende Zeiterscheinung ist neben sozialpsychologischen Prozessen ein Phänomen namens Persistenz. So nennen Sprachwissenschaftler das Verharren bestimmter Lexeme und Phoneme im Arbeitsspeicher. Trifft man ein Code-Chamäleon, so kann man das gleich ausprobieren: Man streut in eine lockere Unterhaltung zum Beispiel unvermittelt inhaltsleere Floskeln ein wie "halt", "eigentlich" oder "hmhmhm", und schon wird sich der Gesprächspartner anpassen. Oder man probiert das Gegenteil und benützt absichtlich komplexe Formulierungen. Aus "Wegen der Steuererhöhungen haben wir dieses Jahr kein Geld für den Urlaub" wird dann "Daß wir dieses Jahr nicht verreisen, ist den Steuererhöhungen geschuldet." Spätestens zwei Tage später wird das Chamäleon dank Persistenz die gleiche Konstruktion benützen.

Misanthropen bevorzugen Gesprächspartner, die einfach so reden, wie sie es mit ihren Liebsten, ihrer Familie und ihren engsten Freunden tun. Treffen sie aber doch auf ein Chamäleon, so sind sie froh, einen Vorwand gegen lästige soziale Interaktion zu haben. Verstehst?

Benny Denes

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