Kolumnen_Der Misanthrop: Apostel Schulze

Apostel Schulze

Früher waren Sandalen Waldorf-Schülern und Frauen vorbehalten - doch jetzt verblöden auch große Teile der Restmenschheit. Benjamin Denes hat damit keine Freude.    22.09.2003

Was gibt es doch für schöne Schuhe: Budapester oder Mokassins, klassische Slipper oder schlichtes italienisches Leder. Männer können aus den genannten Typen wählen oder auch auf bequemeres Schuhwerk wie Laufschuhe oder den mittlerweile auch schon zum Klassiker herangefaulten Sneaker alias Turnschuh zurückgreifen. Doch die "Schuhmode", zu der sich etwa 45 Prozent der männlichen Fußbesitzer im nunmehr fast verwichenen Sommer 2003 entschlossen haben, ist wirklich der Gipfel dessen, was einem ästhetischen Grundprinzipien verpflichteten Misanthropen mit Geschmack zuzumuten ist. Sie ahnen wahrscheinlich bereits, daß es in dieser Kolumne um Sandalenträger geht...

Was vormals Klerikalen und Waldorf-Schülern sowie dem weiblichen Geschlecht vorbehalten war, ist nun als ultima irratio der Gegenemanzipation fester Bestandteil der durch subtropische Temperaturen ohnehin schon schwer erträglichen Sommermonate geworden. Aber wer, bitte schön, will denn auf Schritt und Tritt käsige Männerfüße mit inselartiger Behaarung sehen, deren jeweils fünf Fortsätze von verwachsenen Gilbzehen gekrönt sind?! Möchten die postmodernen Apostel damit etwa den visualisierten Beweis für ihre unattraktiven Senk- und Spreizfüße liefern? Kommen sich solche Männer vielleicht gar schön vor, wenn sie im Café sitzend und mit übereinandergeschlagenen Beinen Kiesel aus dem Duftraum zwischen großer und Zeigezehe entfernen, um anschließend gedankenverloren in der Nase zu bohren?

Nun mögen einige übertrieben tolerante Leser auf die Untergruppe der Sandalen-mit-Socken-Träger verweisen, die jedoch von der Stilpolizei bereits in Sicherheitsverwahrung genommen werden mußten. Immerhin können die bloßfüßigen Sandalenträger noch das schwache Argument einer besseren Belüftung anführen, während die - übrigens meist Tennissocken tragenden - wohlstandsverwahrlosten Daherschlapfer einfach nur unangenehm auffallen. Nicht selten kommen sie ja auch noch mit kuhfleckartigen Schweißzonen unter den Achseln und auf dem blauen Hemd daher und tragen zudem überdimensionale Aschenbecherbrillen mit Kassengestell. Das muß nicht sein und stellt für den Misanthropen bestenfalls ein wandelndes (sic!) postnatales Muttertrauma dar.

Der gepflegte Menschenfeind kleidet sich ja im allgemeinen gern jahreszeitenunabhängig, weil stets die Möglichkeit bestellt, daß er schnell in die menschenleeren Räume Alaskas oder der Antarktis flüchten muß. Und in solchen Regionen hat man bestimmt kein Verständnis für Sandalenträger.

Benny Denes

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