Kolumnen_Miststück der Woche IV/3 - Leserwunsch #13

Dean Martin: "Send Me The Pillow That You Dream On"

Wenn Dean Martin singt, dann schmelzen die Frauen dahin. Das hat Manfred Prescher irgendwo gelesen, aber auch schon live mitgekriegt. Dabei war Dino so maulfaul, daß er gar nicht wirklich sang, sondern entspannt vor sich hinmurmelte - das aber auf wirklich beeindruckende Art und Weise.    17.11.2014

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

 

Ach, schick mir doch bitte das Kissen, auf dem du geschlafen hast. Vorausgesetzt, der andere müffelt nicht so streng, daß man mehrere Sprühnebel Febreze braucht oder das Teil gleich auf 90 Grad durch die Blechtrommel purzeln läßt, ist dieser Wunsch nachvollziehbar. Vor allem, wenn man oder frau wegen eines Klinikaufenthalts, einer Kur oder eines Einsatzes im Friedenskorps auf Borneo länger als die üblichen paar Tage von dem oder der Liebsten getrennt ist. Mir hat beispielsweise ein Schal über die harte Fron bei der Gebirgsmarine hinweggeholfen.

Damals, als Hank Locklin das Lied mit dem leintuchlangen Titel "Send Me The Pillow That You Dream On" schrieb und erstmals aufnahm, waren amerikanische Soldaten im zerstörten Europa stationiert, und der Koreakrieg stand bevor. Gehen wir einfach mal davon aus, daß die GIs von Sehnsucht nach dem Zuhause, das bekanntlich dort ist, wo das Herz wohnt, geplagt waren, dann ergibt der Song auch zeitlich gesehen Sinn. In den Honky-Tonks zwischen Alabama und Florida jedenfalls lief er zusammen mit einer Reihe recht ähnlicher tearjerker übrigens sehr gut.

Als die Saurier ausgestorben waren und sich langsam die Säugetiere auf dem Planeten breitmachten, wurde das Lied noch ein paarmal erfolgreich aufgenommen, etwa von Johnny "Das kannst du mir nicht verbieten" Tillotson oder The Browns, noch später sangen es Dwight Yoakam und Dolly Parton. Die definitive Version stammt allerdings aus dem Jahr 1965, wurde auf dem Album "Dean Martin Hits Again" veröffentlicht und croonte sich mitten hinein in die "British Invasion".

 

 

Dino, der tatsächlich ein Fable für Countrysongs hatte und mit seinem Murmelbariton Lieder wie "Little Ole Wine Drinker Me", "Second Hand Rose", "I Walk The Line" oder "I´ll Hold You In My Heart" veredelte, machte glaubhaft, daß er am Kissen seiner Liebsten interessiert sei. Wahrscheinlich, weil er zwischen den Auftritten in Vegas, den Dreharbeiten für die nicht nur aus heutiger Sicht sehr schrägen Matt-Helm-Filme und den Fernsehshows, durch die er führte, kaum nach Hause kam, um sich das Lager mit der Holden zu teilen.

Übrigens war, wenn wir seinem Autobiografen Nick Tosches glauben wollen, Dino Paul Crocetti, wie Dean Martin eigentlich hieß, ein treuer Ehemann. Auch von den harten Getränken, auf die seine Rat-Pack-Kollegen Sammy Davis Jr. und Frank Sinatra standen, hielt er nicht viel. Laut Sinatra konnte sich Dino den ganzen Abend lang an einem Brandy-Glas festhalten. Er ging angeblich auch zeitig zu Bett, weil ihm das morgendliche Golfspiel wichtiger war als irgendein Gelage, Geflirte oder Geflirre. Bei diesem Mann war praktisch alles Show, sowohl der drunk act - jene angeschickerte Art zu aufzutreten; "Ladies and gentlemen, here he is, direct from the bar: Mr. Dean Martin" - als auch diese virile Ausstrahlung, dieses Maskuline, das glauben machte, frau könnte allein von seinem Anblick oder seinem Geruch schon schwanger werden. Nur die lässige, coole Eleganz und dieses wurschtige Genuschel waren echt.

Deshalb kann man sich auch sehr gut vorstellen, daß Dean Martin den Barroom des "Sands" schon um 21 Uhr Ortszeit verläßt, sich - allein und ohne Hintergedanken - zur frühen Ruhe begibt und den Charakterkopf auf das weiche Kissen bettet, das ihm Ehefrau Jeannie Biegger per Fedex zukommen hat lassen. Übrigens war Dean Martin - entgegen anderslautender Kolportagen - in den 50er Jahren nicht mit seinem Dauerfilmpartner Jerry Lewis verwandt. Und der wiederum ist nicht identisch mit dem Mann, dem wir "Great Balls Of Fire" oder "Whole Lotta Shakin´ Goin´ On" verdanken. Aber das nur am Rande.

Drei Dinge will ich aber noch anmerken, bevor ich mich auf das leider frischgewaschene Ruhekissen begebe: Über Dean Martin habe ich tatsächlich schon einmal eine Kolumne geschrieben - und zwar Weihnachten 2012. Außerdem empfehle ich euch das mittlerweile sehr gesuchte Dino-Standardwerk "The Way Of Positive Drinking" und die vier opulenten Boxsets von Bear Family. Auf denen ist jeder Song zu finden, den Dean Martin je aufnahm - und ein paar hat er im Laufe seiner langen Karriere schon vor sich hingenuschelt. Ach, und was noch? Mal überlegen ... schon fällt es mir wieder ein: Auch nächste Woche werde ich wieder einen Leserwunsch erfüllen; dann geht es hier um einen jungen Rapper, der auf den seltsamen Namen eRRdeKa hört.

Bis dahin legt euch auf euer Kissen, vielleicht gemeinsam mit dem oder der Liebsten, hört von mir aus Dean Martin, bis euch der Honig aus den Ohren tropft, und geht respektvoll miteinander um. Dann übersteht ihr sogar Bahnstreiks oder das Gesinge von Helene Fischer auf dem Anrufbeantworter von Universal Music. Punkt, Ende. Aus. Ich bin für dieses Mal raus.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Dean Martin: "Send Me The Pillow That You Dream On"

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Enthalten auf der CD "Dean Martin Hits Again" (Legacy Recordings)

 

(Photo: Bear Family)

Links:

"Das Ding krieg´ ich wohl nie mehr los"

Manfred Prescher/Interview


Das "Miststück der Woche" wurde vor kurzem 300 Ausgaben jung. Grund genug, um den Erinnerungs-Blues anzustimmen und über Vergangenes und Zukünftiges zu sprechen: Manfred Prescher im EVOLVER-Interview.

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