Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 75/II

Back in the saddle

Anläßlich der Jubiläumsausgabe präsentiert Manfred Prescher die Tracks 11 bis 20 seiner fiktiven Country-Compilation. Yeeha!    26.10.2009

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Am Anfang schuf Gott das "Miststück" - und nun wird es bereits 175 Ausgaben alt. Wir feiern dieses Ereignis von fast schon biblischer Tragweite mit einem Blick auf eine Musikrichtung, die ebenfalls schon lange nicht mehr neu ist. Lesen Sie hier den ersten Teil.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

11. Patsy Cline - I Fall To Pieces (1961)

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Hank Cochrans bittersüßes Drama wurde in der Version von Patsy Cline zum Riesen-Hit. Für die vielleicht beste Country-Sängerin war der Song fast ein Vermächtnis: Sie starb knapp eineinhalb Jahre später im Alter von nur 30 Jahren. Aber sie hinterließ einige unsterbliche Lieder - und "Pieces" ist das unsterblichste davon.

 

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12. Hank Thompson - Wild Side Of Life (1952)

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Henry William "Hank" Thompson wurde 82 Jahre alt. Bis zum Ende seines Lebens nahm er Platten auf und verkaufte mehr als 60 Millionen Stück davon. Einer seiner Meilensteine war der Honky-Tonk-Knaller "Wild Side Of Life", in dem er seine Liebste bezichtigt, mit jedem in der Bar herumzumachen. Eine Antwort ("It Wasn´t God Who Made Honky Tonk Angel") wurde ein Hit für Kitty Wells. "Wild Side" ist ein typischer Tearjerker, wie es ihn in den späten 40er und frühen 50er Jahren oft gab. Ein weiteres gelungenes Beispiel: "There´s A Tear In My Beer" von Big Bill Lister.

 

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13. Roy Acuff - A Sinner´s Death (1948)

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Dieser Mann war so vielseitig, daß er Country-Swing genauso überzeugend rüberbrachte wie traurig-düstere Songs. Die Bandbreite reichte von "Blueberry Hill" und "Tennessee Waltz" - einer Hommage an Acuffs Heimat - über den flotten "Wabash Cannonball" bis zum nachdenklichen "Once More". Acuff wurde zum Vorbild der Generation um Johnny Cash, der etliche seiner Songs coverte. "A Sinner´s Death" ist die Blaupause für viele Songs von JC - und auch Nick Cave liebt dieses Stück.

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14. Willie Nelson - Hello Walls (1960)

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Die Stimme des texanischen Outlaws Willie Nelson mag nicht jeder, aber seine Songwriter-Kunst ist unbestritten. Bereits in seiner Nashville-Ära in den späten 50er und den 60er Jahren schrieb er veritable Klassiker, wie etwa "Crazy", das Patsy Cline erfolgreich aufnahm, oder das klaustrophobische "Hello Walls". Wer das Organ von Nelson nicht hören möchte, sollte sich die geniale Hit-Version von Faron Young besorgen.

 

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15. Louvin Brothers - Satan Is Real (1960)

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Nicht mal Engel können schöner singen als die Gebrüder Ira Lonnie und Charlie Elzer Loudermilk, die mit ihrem Gospel-Country die Sünde der Menschen anprangerten. Jawohl, der Teufel lebt. In uns allen. Und das ist gut so, denn sonst würde niemals ein solcher Monolith wie "Satan Is Real" aufgenommen werden. Charlie Louvin hat übrigens im letzten Jahr gleich zwei schöne Platten herausgebracht. (Siehe Miststück II, 54)

 

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16. The Carter Family - No Depression In Heaven (1936)

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Genau, Johnny Cashs Ehefrau June war eine Carter - ihre Mutter Maybelle gehörte zu einer der erfolgreichsten Country-Formationen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit ihrem Bruder A. P. und dessen Gattin Sara prägte sie das Genre bis zum heutigen Tag. "No Depression", die Hymne der von der Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. Betroffenen, wurde übrigens in den 90er Jahren von Uncle Tupelo gecovert. Für mich ist es der beste Carter-Family-Song unter vielen fast gleich guten; knapp dahinter rangiert "I Never Will Marry".

 

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17. Tex Ritter - Rye Whiskey (1948)

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Wenn der Ozean aus Whiskey wäre und ich eine Ente, dann würde ich bis zum Grund tauchen und nie mehr hochkommen - singt Tex Ritter in einem definitiven Säufer-Song. Der wurde übrigens nicht zu Unrecht auch von Nick Cave gecovert. Ritter kennt man heute hauptsächlich wegen seines Titellieds zu Fred Zinnemanns "High Noon", aber auch "The Deck Of Cards" gehört zu den Höhepunkten des singenden Schauspielers.

 

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18. Jimmie Rodgers - In The Jailhouse Now (1928)

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Man nannte ihn den "singing brakeman", und er war DER Storyteller. Seine Lieder sind so zeitlos, daß sie immer noch und immer wieder aufgenommen werden. "In The Jailhouse Now" ist zum Beispiel auf dem Soundtrack zu "O Brother Where Art Thou" zu hören. Die Geschichte des Erzgauners Ramblin´ Bob, der in den Knast wandert, obwohl "he thought he was the smartest guy around", ist wirklich witzig. Und tougher als die Mehrzahl moderner Gangsta-Raps.

 

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19. Hank Williams - I´ll Never Get Out Of This World Alive (1952)

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Die Qual der Wahl: "Kaw-Liga" oder "Mind Your Own Business"? "Lovesick Blues" oder "You Win Again"? Oder gar "I´m So Lonesome I Could Cry" oder "Your Cheatin´ Heart"? Egal. Hank Williams hat uns in seiner kurzen Schaffenszeit so viele Evergreens hinterlassen, daß die Entscheidung schwerfällt. Am Ende wird es dieser ebenso biologisch wie philosophisch korrekte Titel. Monty Python haben es kaum besser formuliert: "You come from nothing ..."

 

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20. Johnny Cash - Folsom Prison Blues (1955)

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Auch bei Johnny Cash fällt die Entscheidung sehr schwer. Aber dieser bitterböse Song, den er 1955 für Sun Records und danach noch häufig aufgenommen hat, ist ein absoluter Meilenstein. Hier wird jemand grundlos ("just to watch him die") umgebracht - mehr noir in einem Lied geht nicht. Sinister war die Welt von Johnny Cash noch häufig, aber hier ist der Abgrund kilometertief. Kein Wunder, daß die schweren Jungs im Gefängnis von Folsom dieses Stück feierten ...

 

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