Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"
06.12.2013
"Jeder hat etwas zu verbergen, weil Privatsphäre ein wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil unseres Lebens ist", sagt Steffan Heuer. Aber: Who loves ya, Baby? Viel mehr als ein globales Achselzucken hat der PRISM-Skandal bisher nicht bewirkt. Die kollektive Beschwerde der Medien hat lediglich reflektiert, daß durch den Whistleblower Edward Snowden viele Verschwörungstheorien über Nacht nicht mehr als paranoide Wahrnehmungsstörungen durchgehen. Richtig überrascht war niemand. Im 21. Jahrhundert weiß schließlich jeder, daß er überwacht wird. Auch die Empörung der Politik sei nur gespielt, kommentierte Isabella Mader, IT-Strategie-Expertin und Vorstand der NetHotels AG, unlängst bei einem Roundtable-Gespräch des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK): "Deutschland hat schon 1968 vertraglich die flächendeckende Überwachung an den US-Geheimdienst outgesourct und davon auch profitiert." Ein paar tieffliegende Protestnoten haben den Besitzer gewechselt; mehr formaler Akt denn wirksame Aktion - und etwa so, als würde man koreanische Agenten mit einer Schachtel Mozartkugeln darum bitten, nicht mehr heimlich mit Touristenvisa in Österreich einzusickern.
Laut einer Studie der Information Technology & Innovation Foundation (ITTIF) könnte die globale Spionageaktion nordamerikanischen Unternehmen im Cloud-Bereich bis zu 26 Milliarden Euro schwere Umsatzverluste bescheren - was insgesamt aber eher eine formale Deformation darstellt als einen schwerwiegenden Schaden. Die meisten US-Unternehmen, die in Europa aktiv sind, verhalten sich medial tatsächlich auch so, als wäre nichts gewesen. Wo kein Knall zu hören ist, ist auch kein Schuß gefallen. Wenn eine Pressemeldung kommt, dann aus der internationalen Ecke: vom Mutterhaus auf der anderen Seite der Welt. Google, Apple, Microsoft und andere Protagonisten fordern dann mehr Transparenz von der US-Regierung, eindeutige Gesetzesregelungen und ähnliche Wortspenden. Japanische und koreanische Firmen werben seither unermüdlich damit, daß sie nicht dem amerikanischen Patriotenaktionismus unterliegen. Die globale Informationstechnologie steht aber mehr oder weniger unter der Dominanz von US-Firmen, inklusive der sensiblen Bereiche Verschlüsselungs-Software und Netzwerke. Fast ein Drittel der Teilnehmer einer Umfrage des IT-Unternehmens Lancom Systems geht davon aus, daß Backdoors in ihren IT-Komponenten vorhanden sind. Stolze 42 Prozent schließen es nicht aus, und nur 20 Prozent glauben, daß ihre Infrastruktur sicher ist.
Das Dilemma betrifft jeden: Unternehmen, weil die globalisierte Industriespionage durch das Anzapfen von Wohlfühlwolken und Datenkabeln im wahrsten Sinne des Wortes keine Grenzen kennt. Die Tatsache, daß die persönlichen Daten von Menschen einen mit Firmengeheimnissen vergleichbaren Wert darstellen, sickert nur langsam in den Äther der sogenannten öffentlichen Wahrnehmung. Aber wenigstens sickert sie. Das Internet habe das im physischen Leben praktizierte Vertrauensverhältnis auf den Kopf gestellt, indem "verlangt wird, daß man im vornhinein alles über sich preisgibt, um überhaupt mitspielen zu können", sagt Steffan Heuer. Es gibt zwar Auswege aus dem Dilemma der totalen Überwachung, allerdings "keinen hundertprozentigen Schutz", wie der in Kalifornien werkende brand eins-Kolumnist in seinem gemeinsam mit Pernille Tranberg verfaßten Buch "Mich kriegt ihr nicht! Die wichtigsten Schritte zur digitalen Selbstverteidigung" festhält. Darin gibt Heuer neben vielen Blicken hinter die Motive einer ganzen Industrie auch eine Reihe von praktisch umzusetzenden Tips, wie man "Leuten, die an unsere Daten herankommen wollen, das Leben zumindest schwer machen kann". Das erfordert durchaus Mühe: "Es ist ein Puzzle, ein Katz- und Mausspiel, bei dem man sich ständig auf dem neuesten Stand halten muß." Im wirklichen Leben erwarte sich ja auch niemand, gleich nach der ersten Kampfsport-Übungsstunde den Schwarzen Gürtel zu bekommen. Diesem Gedanken folgend versteht sich "Mich kriegt ihr nicht!" auch als eine Art Gebrauchsanweisung der verständlichen Art, die sich an "Situationen" orientiert - wie Arbeitsplatz, Konsum, Kommunikation oder auch dem Sterben. Heuer geht dabei zwar in die Tiefe und damit über allgemeine "Facebook ist böse"-Aussagen hinaus, bleibt aber auf den Brettern der Verständlichkeit. Das Buch illustriert die Möglichkeiten und Praktiken einer auf Überwachung spezialisierten Industrie, die von den unterschiedlichsten Interessen getrieben wird. Sich wie der Zwergenkönig Laurin eine Tarnkappe überzuziehen und unsichtbar zu werden, ist im globalen Dorf fast unmöglich und bedeutet in jedem Fall den Verzicht auf viele sogenannte "Convenience"-Produkte. Amazons Liste der vorgeschlagenen Bücher ist genausowenig eine Nettigkeit des Händlers wie die "Genius"-Funktion in der iTunes-Software von Apple - vielmehr sind es Mechanismen zur möglichst detailreichen Abbildung von Einkaufs- und Vorliebenprofilen der Kunden. Was die globale Bespitzelung angeht, leben wir quasi im Kalten Krieg 2.0 - und wenn es sonst keiner macht, so der Tenor von "Mich kriegt ihr nicht!", dann muß man die Verteidigung seines digitalen Ichs eben selbst in die Hand nehmen und eine ordentliche Firewall um sich ziehen. Auch wenn das leichter gesagt ist als getan …
Im unverschlüsselt per Skype geführten Interview, das in Maryland den Agents Dale Bartholomew Cooper und Lancelot Link ihren kostbaren Schlaf geraubt hat, plaudert Steffan Heuer aus, daß digitaler Widerstand schon damit beginnt, sich mit dem "Oversharing" von privaten Informationen auseinanderzusetzen: "Erst denken, dann posten", sagt er. Zusatz seit Edward Snowden: "Erst denken, dann hosten." Nach einem Deutschlandbesuch Ende November ist Heuer angeblich wieder in Amerika.
"Mich kriegt ihr nicht! Die wichtigsten Schritte zur digitalen Selbstverteidigung" von Steffan Heuer und Pernille Tranberg. Erschienen im Oktober 2013 im Murmann-Verlag, Klappenbroschur, 272 Seiten; ISBN: 978-3-86774-321-1; € 16,90
Im Internet sind die Lauscher immer und überall. Digitale Selbstverteidigung ist angesagt. Die notwendigen Tips gibt Steffan Heuer in seinem Buch "Mich kriegt ihr nicht!"
Zum zweiten Mal hat Regisseur J. J. Abrams den Motor der "Enterprise" angeworfen und sie auf eine für den Titel "Into Darkness" eigentlich recht gut ausgeleuchtete Reise geschickt. Chris Haderer ist eine Runde mitgeflogen.
Vom 8. bis 15. Februar geht das "Festival des gescheiterten Films" in den Breitenseer Lichtspielen vor Anker. Gezeigt werden Filme, für die es leider keinen kommerziellen Markt zu geben scheint.
Am 25. Oktober werden im Wiener Rabenhof die 14. "Big Brother Awards" verliehen. Traditionell finden sich unter den Nominierten illustre Namen von Beatrix Karl bis Marie Vassilakou.
Regisseur Julian Roman Pölsler hat sich an der Verfilmung von Marlen Haushofers "Die Wand" versucht - und ein schön photographiertes Hörbuch abgeliefert.
Kommentare_