Kolumnen_Miststück der Woche III/6

Adele: "Skyfall"

James Bond startet auf seine alten Tage noch einmal durch. Immerhin feiert der Mann mit der Lizenz für guten Sex 2012 sein goldenes Leinwandjubiläum im Geheimdienst Ihrer Majestät. Und dazu singt der größte Star, den die Pop-Welt derzeit zu bieten hat.    22.10.2012

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Trotz allem, was ich tagein, tagaus so anstelle - ab und an muß ich mir schon lobend auf die Schulter klopfen. Vor ziemlich genau fünf Jahren, exakt am 5. November 2007, schrieb ich justament an dieser Stelle über eine junge Londonerin folgende weise Sätze: "Ich wage hiermit die Trend-Prognose und lasse mich vom Leser darauf festnageln: Adele wird im nächsten Jahr groß herauskommen." Ich sollte recht behalten. Die damals nicht einmal 20jährige Songwriterin startete mit ihrem Debütalbum "19" so durch, daß Sebastian Vettel im Vergleich dazu wie ein wandelnder Bremsklotz wirkt.

Mittlerweile ist Adele ein, ach was, ist sie der Superstar und verbreitet den Glanz des längst untergegangenen Empire bis ins marode Pop-Busineß hinein. Ihre zweite Langspielplatte "21" bricht seit ihrer Veröffentlichung im Januar 2011 so ziemlich alle Rekorde. Wahrscheinlich, so vermute ich, hat sie längst auch ihren eigenen Himmelssturz absolviert und wurde in einer hermetisch abgeriegelten Kapsel aus solch schwindelerregenden Höhen abgeworfen, daß Felix Baumgartner vor Neid erblassen müßte. Sicher ist aber, daß der weibliche Teil der Weltbevölkerung je mindestens ein Exemplar ihrer CD und einen iTunes-Download besitzt. Weshalb ich Adele den überhaupt nicht despektierlichen Orden "Wachtelkuh des Jahrzehnts" verleihen muß ...

Und nun ist sie gemeinsam mit James Bond unterwegs, um kurz mal die Welt zu retten. Ich finde, daß Adele eine perfekte Wahl ist. Die Verantwortlichen, die gerade die Gelddruckmaschine namens "Skyfall" anwerfen, wollten zwar zunächst den ehemaligen Oasis-Rüpel Noel Gallagher, aber herumrüpeln darf der sechste Bond-Darsteller Daniel Craig schon selber. Und bislang war nur Tom Jones mit seiner Titelmelodie zu "Thunderball" so nah am smarten Agenten dran, daß man meinte, James würde selber singen. In den meisten Fällen wurde der Hit zum Film aber von Frauen vorgetragen - unter anderem dreimal von Shirley Bassey. Und an diese Tradition schließt Adele mit ihrer bombastischen Soul-Hymne an.

Die vorangegangenen Bond-Songs von Chris Cornell und Jack White waren ziemlich mistig, was ebenfalls in den alten "Miststücken" nachzulesen ist. Doch Adele macht ihre Sache verdammt gut. Das Stück zeigt ihre Stärke als Sängerin und ist doch so sehr 007, daß es zündet wie einer von Qs geheimen Sprengsätzen. "Skyfall" zitiert die typische Musik der Serie, ist also nah an John Barry, und gleichzeitig auch so typisch Adele, daß die Mischung einfach funktioniert. Welchen Stellenwert "Skyfall" innerhalb des Bond-Gesamtwerks hat, kann ich noch nicht beurteilen. Aber eines steht für mich fest: Wenn der Film, der am 1. November anläuft, nur ansatzweise die Qualität des Titellieds hat, dann wird er besser als die beiden Vorgänger. Für Fans dürfte das mehr als nur "Ein Quantum Trost" bedeuten.

 

Rechtzeitig zum Start des Blockbusters erscheinen übrigens im für seine edlen Comics bekannten Verlag Cross Cult die ersten drei Bond-Romane von Ian Fleming in neuer Übersetzung und ziemlich cooler Aufmachung. Sprachlich sind die neuen Transkriptionen etwas verschwurbelter als die bekannten Versionen aus den sechziger Jahren - aber dafür sind die Bücher endlich vollständig ins Deutsche transponiert.

Mit "Casino Royale",  "Leben und sterben lassen" und "Moonraker" startete Ian Fleming, der Sohn eines im Ersten Weltkrieg gefallenen und überaus wohlhabenden Unterhausabgeordneten, in den fünfziger Jahren seine Weltkarriere. Zuvor war er ein "ewiger Student", der keine Wissenschaft bis zum Ende erlernte. Er versuchte sich als Bonvivant, Diplomat und eben auch Spion, lag aber die meiste Zeit seiner strengen Mutter auf der Tasche. Mit der Macht des Geldes verhinderte diese auch seine Beziehung zur Schweizerin Monique Panchaud. Daß die Lady seine Frau fürs Leben hätte sein können, war Fleming bis ins Totenbett hinein klar, doch das änderte nichts an seinem persönlichen, amourösen "Skyfall". Im leider vorerst nicht neu übersetzten Bond-Roman "Man lebt nur zweimal" setzt er der Liebsten übrigens ein spätes Denkmal - als Monique Delacroix wird sie zur Mutter von 007. Ob sie sich darüber gefreut hat? Wahrscheinlich sitzt sie auf einer Wolke und macht genau das, was viele Frauen tun, wenn sie Adele hören: sie sinniert, wie sehr ihr die Sängerin aus dem verletzten Herzen spricht.

 

Nächste Woche will ich an dieser Stelle etwas Eigenwerbung betreiben - dann geht es hier um meinen ersten eigenen Sampler, der ziemlich logischerweise "I Like It Like That" heißt. 

 


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER


Manfred Prescher

Adele - Skyfall

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James Bond im EVOLVER-Archiv


Rechtzeitig zum Kinostart von "Skyfall", dem mittlerweile 23. Bond-Streifen, liefern wir Ihnen einen Überblick der bisherigen EVOLVER-Veröffentlichungen über den Mann mit der Lizenz zum Töten und seinen Schöpfer. Viel Spaß beim Stöbern!

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