Kino_The Owner
Es geht ein Rucksack auf Reisen
"The Owner" ist ein aus 25 Kurzfilmen montierter Spielfilm - und mehr als die Summe seiner einzelnen Teile.
24.05.2012
"Es ist ein wilder Ritt um die Welt." So beschreibt Arne Nostitz-Rieneck (Bild unten) im Interview mit Radio Augustin ein interessantes Projekt, das am kommenden Freitag in der Wiener Urania uraufgeführt wird. Er ist einer von 25 Regisseuren aus 19 Ländern, die einander nur per Internet kennen und gemeinsam einen abendfüllenden Film gedreht haben, bei dem jeder Regisseur für ein Segment verantwortlich war. "CollabFeature" heißt das Projekt - und "The Owner" das erste Werk, das am 25. Mai im Wiener Urania-Kino und gleichzeitig in weiteren 18 Städten Premiere haben wird; überall dort, wo Teile des Filmes entstanden sind. "CollabFeature ist eine weltweite Gruppe von Filmemachern, die vor etwa zweieinhalb Jahren von zwei Amerikanern ins Leben gerufen wurde", sagt Nostitz-Rieneck. Weil ihr erstes gemeinsames Projekt nur mit geringen finanziellen Mitteln gesegnet war, mußte anstatt herumreisender Schauspieler ein anderes Verbindungselement zwischen den Filmen gefunden werden - und das ist ein Rucksack.
Über die Story wollen die Beteiligten vorab nicht viel sagen; sie ließe sich auch nur schwer mit wenigen Worten erzählen, bei 25 Akten, von denen jeder ein Plotpoint sein kann. Prinzipiell ist es die Geschichte eines ziemlich alten Rucksacks beziehungsweise der Suche nach seinem ursprünglichen Besitzer. Der in Segmente unterteilte Handlungsbogen wird von den 25 Kurzfilmen aufgefüllt. Festgelegt waren der generelle Plot, das Aufnahmeformat und die Übergabepunkte am Anfang und Ende jeder Geschichte. Bei 25 Regisseuren, naturgemäß alles Egomanen, kommt man mit Basisdemokratie allerdings nicht weit. Das muß Arne zugeben, weil sich schon relativ bald herausgestellt hat, daß verschiedene Dinge nicht von allen gemeinsam entschieden werden können. "Es war schon ein Lernprozeß, bei dem viel passiert ist", sagt Arne. Letztlich mußten sich alle Beteiligten über den Formatstandard Full-HD hinaus auf einen einheitlichen Look einigen, der vom Score zusammengehalten wird.
"Es ist ein typischer Festivalfilm", erzählt Arne. "Ich glaube nicht, daß er so bald im Fernsehen im Hauptprogramm laufen wird. Er verlangt dem Zuschauer auch einiges ab." In mehrfacher Hinsicht ist "The Owner" durch seine Dichte eine Tour de force durch Länder, filmische Handschriften und Genres. Der Beitrag von Arne ist beispielsweise Horror; insgesamt ist aber fast alles vertreten, was man sich zwischen Komödie, Liebesfilm und Thriller vorstellen kann - aber eben jeweils auf wenige Minuten komprimiert.
Die Art des Kennenlernens und der Kollaboration der Filmemacher ist (noch) originell, aber angesichts der Web-Evolution nicht sensationell. Ähnliches ist auch in anderen Bereichen zu sehen, wie etwa die Filmfinanzierung durch (meist minder erfolgreiche) Crowd- und Cloud-Funding-Aktionen per Web. Interessant ist das CollabFeature-Projekt als erfolgreicher Kino-Vorreiter, der zwangsläufig Epigonen haben soll und wird. In der Videoproduktion sind ähnliche Mechanismen ebenfalls aufzufinden, vor allem im Umfeld vieler Ein-Mann-Online-Journalisten, die - wenn sie kein echtes Geld damit verdienen - Blogger genannt werden. Allein die Breite der Beiträge macht "The Owner" schon interessant, und durch seine Entstehungsgeschichte erledigt sich das Marketing praktisch von selbst, vor allem wegen des Internets und natürlich auch dortselbst.
Damit ist "The Owner" Teil einer neuen Produktionswelt, die den Datendraht mit immer größerer Selbstverständlichkeit nutzt. Das Experiment ist geglückt - und zum Teil ist es der Experimentalcharakter, der den Reiz auf der Leinwand ausmacht: die großflächig projizierte Zerrissenheit, die durch die Musik und den durchgehenden roten Faden zum Spielfilm wird. "A new step toward world cinema" behauptet der Trailer, der wie für einen Hollywood-Blockbuster gemacht zu sein scheint; overdressed, aber doch irgendwie ein passender Anzug für das Projekt.
Chris Haderer
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