Kino_Whatever Works

Rostige Liebe

Mit seinem 40. Film kehrt der heuer 74 gewordene Woody Allen nach vier Jahren Abwesenheit wieder zu seiner Muse New York zurück. Dabei setzt der Regisseur zugleich die Tradition fort, daß in seinem Œuvre nicht immer alles Gold ist, was glänzt.    27.10.2009

Seit vier Jahrzehnten dreht der in Brooklyn geborene Woody Allen nun schon Filme. Und seit 1982 hat er jedes Jahr mindestens ein Kinowerk abgedreht, 1987 sogar gleich zwei. Allen ist ein Urgestein des amerikanischen Autorenkinos - mit wohl keinem Regisseur wird New York so sehr in Verbindung gebracht wie mit ihm. Die Stadt ist seine Muse, und er ist ihr Geliebter. Vor vier Jahren trennten sich die beiden in Freundschaft, und Allen machte sich daran, eine Reihe von Filmen mit seiner "Affäre" London zu drehen. (Wäre die Londoner Mord-Trilogie ein Drei-Gänge-Menü, so würde der im vergangenen Jahr erschienene Vicky Cristina Barcelona sicher das südeuropäische Dessert darstellen.)

 

Nach seinem amourösen Ausflug gen Europa kehrt Allen nun wieder zurück ins gemachte Bett. Doch der zweite Versuch zwischen Allen und seiner alten Liebe New York will nicht so recht überzeugen. Das mag auch daran liegen, daß der Auteur mit "Whatever Works" eines seiner Drehbücher aus den frühen Siebzigern verfilmt hat. Vor drei Jahrzehnten schrieb Allen sein Skript dem Komiker Zero Mostel auf den Leib, doch als der 1977 verstarb, wurde das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Nun, drei Jahrzehnte später, wirkt sein Drehbuch allerdings nicht mehr sonderlich frisch, sind doch einige Elemente bereits in einige seiner anderen Filme wie "Geliebte Aphrodite" oder "Harry außer sich" eingeflossen.

Der von Larry David verkörperte Boris Yellnikoff ist eine klassische Allensche Figur, ein Narzißt und Hypochonder, der nachts oft nach Panikattacken schweißgebadet aufwacht. Daß Boris über seinen Mitbürgern steht, zeigt sich durch sein ausgesprochenes Genie. Er verfügt nicht nur über einen IQ von 200, sondern ist als einziger imstande, zu erkennen, daß er lediglich eine Figur in einem Film ist. Mehrmals läßt ihn Allen die vierte Wand durchbrechen, was Boris´ Mitmenschen sehr verstört wahrnehmen. Als ihn das Südstaatendummchen Melody (Evan Rachel Wood) um Unterkunft bittet, ändert sich sein Leben. Die Zweckgemeinschaft entwickelt sich mit der Zeit zur Liebe, doch als Melodys Mutter (Patricia Clarkson) auf der Suche nach ihrer Tochter in New York eintrifft, beginnt sich das Beziehungskarussell für alle Beteiligten wieder einmal schwunghaft zu drehen.

Was den amerikanischen Fernseh-Star Larry David auszeichnet, ist die Tatsache, daß er wie Woody Allen aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn stammt. Allerdings merkt man "Whatever Works" früh an, daß die Entscheidung, ihm die Rolle des Boris zu geben, ein Fehler war. Der "Seinfeld"-Erfinder und "Curb Your Enthusiasm"-Held ist oft sichtlich eifrig, will aber den Dreh für die Rolle nie vollends rauskriegen. Wo das Spiel eines Woody Allen in seinen eigenen Werken oft locker aus der Hüfte kommt, wirkt David stets zu bemüht. Und bemühte Lockerheit wiederum wirkt meist verkrampft. Möglich, daß sich Allen in seinem Alter die Hauptrollen nicht mehr zutraut, doch hier wäre seine Rückkehr in den Mittelpunkt des Geschehens wohl für alle Beteiligten das Beste gewesen.

 

Ein weiterer Makel, der den Film begleitet, ist das vermehrte Durchbrechen der vierten Wand. Zum einen hat David generell ein Problem mit diesem Aspekt; zum anderen will das direkte Sprechen in die Kamera hier weitaus weniger gut funktionieren als einst in John Hughes´ Klassiker "Ferris macht blau". Würde sich Allen auf den Akt als solchen beschränken, wäre der Sache schon gedient gewesen, aber stattdessen schlachtet er die Durchbrechung geradezu aus, wenn er zu Beginn einen minutenlangen Monolog ins Publikum schleudert. Auch sonst weist Allens Drehbuch im Vergleich zu anderen (Meister-)Werken seiner Filmographie wenig Dialogstärke auf.

Letztlich lebt "Whatever Works" vom starken Spiel Evan Rachel Woods. Die in den vergangenen Jahren eher wegen ihrer Liaison mit Skandal-Rocker Marilyn Manson in den Schlagzeilen vertretene Schauspielerin konnte zu Beginn des Jahres bereits in "The Wrestler" überzeugen. Hier widmet Allen ihr weitaus mehr Aufmerksamkeit, womit die junge Schauspielerin nicht nur gekonnt, sondern sogar exzellent umgeht. Wo Davids Spiel verkrampft und gezwungen wirkt, setzt ihm Wood einfach nur erstklassige Schauspielkunst entgegen. Insofern setzt Allen dann auch in seinem neuen Streifen die Tradition einer starken Hauptdarstellerin fort. Doch auch wenn sich vereinzelt klassische Elemente seiner Filme wiederfinden, zählt "Whatever Works" eher zu den schwächeren Beiträgen der jüngeren Vergangenheit. Nicht jede Ehe läßt sich neu entflammen - vielleicht ist es daher zu begrüßen, daß Allen seinen nächsten Film wieder in London gedreht hat.

 

 

Florian Lieb

Whatever Works

ØØØ

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USA 2009

92 Min.

Regie: Woody Allen

Darsteller: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson u. a.

 

(Kinostart am 4. 12.)

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