Kino_Why Don´t You Play in Hell?

There Will Be Blood

Er gilt als Enfant terrible des (japanischen) Kinos – und das keineswegs von ungefähr. So schrill und schräg wie Sion Sono inszeniert kaum ein anderer Regisseur. Sein neuer Geniestreich ist ein (w)irrer Mix aus Yakuza-, Martial-arts- und Metafilm mit einem blutigen Finale, das es in sich hat. Das Ergebnis ist so abgefahren, das man es selbst gesehen haben muß.    28.11.2014

Quentin Tarantino nannte "Death Proof" seinen schlechtesten Film - und wenn dies das Schlechteste sei, was er je abgeliefert hätte, dann sei er als Regisseur ziemlich gut. Immerhin: ein Mann, der sein Œuvre in einen Kontext setzt. Das sind Probleme, die Hirata (Hiroki Hasegawa) in Sion Sonos "Why Don´t You Play in Hell?" gar nicht hat. Der aufstrebende Regisseur will nur einen einzigen Film drehen, solange der ein Meilenstein wird.

Gemeinsam mit drei Jugendfreunden bilden sie die "Fuck Bombers", haben es in den vergangenen zehn Jahren jedoch nicht geschafft, über einen Trailer für ihren historischen Martial-arts-Film hinauszukommen. Da trifft es sich ganz gut, daß plötzlich der schusselige Koji (Gen Hoshino) mit der Yakuza-Tochter Michiko (Fumi Nikaidô) auf der Matte steht, um einen Film zu drehen, der Koji das Leben retten soll.

 

Und das alles nur, weil er sich als Michikos Freund ausgegeben hat - nicht ahnend, daß die vor ihrem Vater, Yakuza-Boß Muto (Jun Kunimura), auf der Flucht ist. Der wiederum will Michiko einen eigenen Film schenken, um damit ihrer Mutter eine Freude zu machen. Die sitzt nämlich seit einem Jahrzehnt im Gefängnis, weil sie mit einem verfeindeten Clan aneinandergeriet. Und dessen Anführer Ikegami (Shin´ichi Tsutsumi) ist derweil in Michiko verknallt.

Was komplex und kompliziert klingt, ist in "Why Don´t You Play in Hell?" weitaus verständlicher. Und was in seiner Zusammenführung oft wie Zufall wirkt, ist vielmehr Schicksal. Zumindest würde es am Ende wohl zumindest Hirata so nennen. Im Kontext des Films handelt es sich eher um eine langatmige Exposition für ein verrücktes Finale, gegen das selbst ein Tarantino-Film zahm wirkt.

Bis er zum Schluß gelangt, muß sich der Zuschauer aber erstmal durch so manche mitunter zähe Szene kämpfen. Zwar bietet Sono in seinem jüngsten Werk immer wieder etwas humorvolle Auflockerung, dennoch fragt man sich gerade in den ersten 30 Minuten, was man da nun genau für einen Film sieht. Von der Klasse früherer Werke wie "Love Exposure" oder sogar "Guilty of Romance" wirkt das visuell wie narrativ etwas entfernt.

 

Im nachhinein zeigt sich jedoch, daß Sion Sono damit lediglich die Stimmung für den späteren Filmverlauf setzen will - eine absurde Tour de force, die mit dem zuvor Gezeigten Tabula rasa macht. Wenn für die Figuren in "Why Don´t You Play in Hell?" die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, während sie sich immer mehr in ihrem Film-im-Film verlieren, springt der Meta-Funke allmählich auf Sonos Publikum über.

Die Ironie des Finales ist derweil, daß alle Figuren letztlich das bekommen, was sie sich immer gewünscht haben: Michiko wird zum Star ihres eigenen Films, Koji derweil zu ihrem "Freund", und Ikegami darf weiter schmachten. Für Hirata und Konsorten erfüllt sich nicht minder ein Lebenstraum - und zugleich sind es die "Fuck Bombers", die dem finalen Filmverlauf eine ganz eigene und doch natürlich vorhersehbare Wendung verleihen.

An den Figuren des Films geht dies natürlich vorüber; sie haben sich bereits zu sehr dem von Sono erschaffenen Szenario ergeben. Da verzeiht man gern, daß sie alle lediglich eindimensionale Karikaturen sind, die als Mittel zum Zweck dienen, ohne daß man sie näher kennenlernt. Sie alle sind somit Komparsen in Sonos blutigem Genre-Mashup, das am ehesten noch Tarantino huldigt.

 

Und dennoch - wie könnte es anders sein - ist "Why Don´t You Play in Hell?" unverkennbar ein Sion-Sono-Film. Dafür sprechen nicht nur die Bildkomposition und der visuell-ästhetische Ton, sondern auch die Chuzpe, die der Japaner mitbringt. Am erstaunlichsten ist dabei sicherlich, daß das Ganze unterm Strich sogar funktioniert, was bei anderen Regisseuren wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre.

Jegliche Kritik an der langatmigen ersten Filmhälfte erscheint zum Schlußakt nichtig, wenn der Regisseur ein Feuerwerk abbrennt, als hätten wir Silvester. Das ist derart blutig, exzessiv und absurd, daß man es selbst erlebt haben muß. Hier toppt Sono beinahe mit unverschämter Leichtigkeit die Schlußkapitel seiner früheren Filme und macht seinem Ruf alle Ehre.

Jedermanns Sache ist das Ergebnis natürlich keineswegs und ein Meisterwerk in seiner Summe ebensowenig. Mit etwas strengerer Hand hätte "Why Don´t You Play in Hell?" womöglich noch stringenter und runder daherkommen können. Aber selbst wenn dies Sonos schlechtester Film wäre, wäre er immer noch ziemlich gut. Da würde vermutlich selbst Quentin Tarantino zustimmen. 

 

Florian Lieb

Why Don´t You Play in Hell?

ØØØ 1/2

(Jigoku de naze warui)

Leserbewertung: (bewerten)

Japan 2013

129 Min.

 

Regie: Sion Sono

Darsteller: Fumi Nikaidô, Gen Hoshino, Hiroki Hasegawa u. a.

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