Kino_Spritztour

Let´s get nasty!

Witze über verpickelte Teenager, White-Trash-Feeling und reichlich nackte Tatsachen: Ein pubertärer Road-Movie-Trip arbeitet intensiv an der Absenkung des allgemeinen Kulturniveaus - und das mit großem Erfolg.    26.02.2009

"Braucht die Welt wirklich eine weitere 'American Pie'-Kopie?"

Es sind Gedanken wie dieser, die einem während der ersten Minuten von "Spritztour" unweigerlich durch den Kopf schießen. Bereits die Einleitung - in der ein Teenager in einer für ihn äußerst mißlichen Lage von diversen Familienangehörigen überrascht wird - könnte eins zu eins der Reihe um den wohl berühmtesten Apfelkuchen der Kinogeschichte entliehen sein. Wie Jason Biggs´ Jim erscheint auch Ian (Josh Zuckerman) zunächst wie der Prototyp des bemitleidenswerten Losers. Immerhin haben sich seine Erfolge beim anderen Geschlecht während der ersten 18 Jahre seines Lebens in mehr als überschaubaren Grenzen gehalten. Ian ist noch Jungfrau, wie auch sein Kumpel Lance (Clark Duke) nicht müde wird zu betonen. Mit Ausnahme von Felicia (Amanda Crew), einer alten Sandkastenfreundin, waren Mädchen für ihn bislang so unerreichbar wie der heilige Gral.

Nur im Internet läßt Ian den großen Macker raushängen. Dabei hat das Bild des durchtrainierten, harten Football-Spielers mit der Wirklichkeit nicht unbedingt viel gemein. Doch der Zweck, so denkt sich Ian, heiligt die Mittel. Schließlich macht ihm einer seiner Internet-Flirts, die bildhübsche Miss Tasty (Katrina Bowden), ein Angebot, das er unmöglich ausschlagen kann. Wenn er sie tatsächlich am nächsten Tag in Kentucky besucht, dann will sie ihrem Verehrer jeden Wunsch erfüllen. Man benötigt keine allzu große Phantasie, um zu ahnen, was damit wohl gemeint sein könnte. Hastig werden im Supermarkt noch Kondome erstanden (Motto: Safety first) - und schon kann der Trip, der das Ende von Ians Jungfräulichkeit besiegeln soll, beginnen.

Weil so eine Reise ohne Begleitung schnell langweilig wäre, leisten Lance und Felicia ihrem Freund kurzerhand Gesellschaft. Spätestens ab hier wird aus der "American Pie"-Kopie ein waschechter "Road Trip"-Klon. Auf der Fahrt von Chicago ins beschauliche Kentucky kommt das Trio nicht nur an "Oasen" des White Trash vorbei; Ian und seine Freunde verirren sich auch auf eine Veranstaltung religiöser Abstinenzler und lernen überdies einige ausgesprochen Party-erprobte Amish kennen. Die einzelnen Episoden mögen dabei mal mehr (Trailerpark), mal weniger (Amish) anzüglich sein - geschmacklos sind sie alle. Genau das kann man aber von einer über weite Strecken fast schon pathologisch sexfixierten Teenager-Komödie auch erwarten. Alles andere wäre Etikettenschwindel und würde die männliche Zielgruppe nur enttäuschen.

 

Zu deren Freude werden die Vorzüge des weiblichen Körpers bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit feucht-klebrigem Blick in Szene gesetzt. Der offene Umgang mit nackten Tatsachen bricht trotz aller misogynen Untertöne auf durchaus charmante Art mit der bigotten Keuschheit vieler amerikanischer Teenie-Produktionen. Doch erst die schiere Fülle an unmißverständlichen Phallussymbolen setzt den pubertären Phantasien des Drehbuchs die Krone auf. Von echter Gleichberechtigung scheinen Sean Anders und sein Koautor John Morris allerdings nicht viel zu halten. Wenn Männer in diesem Film einmal die Hosen herunterlassen - was öfter vorkommt, als man denkt -, dann ist der Anblick weit weniger erbaulich als bei den Damen. Selbst ein Frauenschwarm wie James Marsden verströmt als Ians homophober Proll-Bruder nicht den geringsten Hauch von Sex-Appeal.

Statt Ästhetik schleudert uns "Spritztour" lieber eine geballte Ladung Körperflüssigkeiten entgegen. Dazu passend gibt es Gags über angeklebte Riesen-Dildos, vollgewichste Unterhosen und fettleibige Prekariat-Zombies. Guter Geschmack ist hier so rar wie Wasser in der Wüste. Und obgleich die meisten Pointen reichlich vulgär daherkommen, ist manches dennoch (oder vielleicht deswegen?) richtig komisch: die kurzen Einspielungen über die Voyeur-Mentalität des World Wide Web zum Beispiel oder auch die bizarren Auftritte zweier pubertierender Möchtegern-Playboys.

Mit der Zeit tritt zudem der sexuelle Notstand des Helden immer mehr in den Hintergrund. Je näher Ian seiner scheinbar so anbetungswürdigen Internet-Bekanntschaft kommt, desto weniger interessiert er sich für sie. Längst hat Felicia sein Herz erobert - und er ihres. Als sich dann auch noch Miss Tasty als hinterhältige Schlampe entpuppt, kommt endlich zusammen, was unzweifelhaft zusammengehört. Eine Frau, das lehrt uns dieses angenehm sinnfreie Road-Movie, erwartet Beharrlichkeit, Ausdauer und im richtigen Moment ein Paar neue Flip-Flops.

Marcus Wessel

Spritztour

ØØØ

(Sex Drive)

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USA 2008

104 Min.

Regie: Sean Anders
Darsteller: Josh Zuckerman, Amanda Crew, Clark Duke u. a.

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