Sideways
ØØØØ 1/2
USA 2004
124 Min.
dt. Fassung und OF
Regie: Alexander Payne
Darsteller: Paul Giamatti, Thomas Haden Church, Virginia Madsen u. a.
Erschreckend normal: Alexander Payne spürt auch in seinem vierten Film Figuren am Rande des Nervenzusammenbruchs nach. Mit viel Humor und noch mehr Wahrheit. 04.02.2005
Sieger sehen anders aus: Miles (Paul Giamatti) ist Aushilfsenglischlehrer, verhinderter Schriftsteller und über die Scheidung von seiner Frau von vor zwei Jahren noch immer nicht hinweg. Seine Neurosen überspielt er mit Zynismus und aufgesetztem Weinkennergehabe. College-Freund Jack (Thomas Haden Church) scheint es da auf den ersten Blick etwas besser erwischt zu haben: Nach außen hin erweckt der einst populäre Fernsehserienheld und Sunnyboy zumindest den Eindruck, als ob ihm nichts im Leben etwas anhaben könnte. Noch dazu, wo er doch in einer Woche in eine äußerst betuchte Familie einheiraten wird. Seine letzten Stunden als Junggeselle will der Parade-Stenz aber noch damit verbringen, möglichst viele voreheliche Bettabenteuer zu erleben. Deshalb nimmt er Miles' Angebot eines Ausflugs, der die beiden in Kaliforniens Weinbaugebiete führen soll, dankend an. Sympathen sehen sicher anders aus.
In gediegenem Ambiente Wein verkostet und Golf gespielt soll dort werden, wenn es nach Miles geht; doch Jack hat wie erwähnt bereits anderes vor und ist vom ersten Tag an nur auf Frauenbekanntschaften aus. Das zwangsläufige Kollidieren der Idealvorstellungen und das Scheitern an der jeweiligen eigenen kulminieren daraufhin in einigen der wunderbarsten und komischsten Szenen, die man dieses Jahr im Kino zu Gesicht bekommen wird.
Regisseur Alexander Payne spürt wie schon in seinen bisherigen Filmen ("About Schmidt", "Election") Menschen nach, die irgendwo auf halber Strecke des American Way of Life zum Erliegen gekommen sind und denen im gegenwärtigen Hollywood-Kino üblicherweise wenig Platz eingeräumt wird. Menschen, die es sich zum Ausgleich ihrer kleinen und großen Niederlagen in Selbstgefälligkeit oder -mitleid, in ihren ganz privaten kleinen Ablenkungsstrategien gemütlich eingerichtet haben, um sich ihr Scheitern und Stehenbleiben nicht eingestehen zu müssen. Zum ersten Mal jedoch liefert Payne in "Sideways" seine frustrierten Antihelden nicht Bloßstellung und Hohn aus, wenn sie sich denn ihrer Lebenslügen gewahr werden. Wertung und Moralisieren werden zurückgenommen zugunsten einer sehr menschlichen Annäherung, die den Figuren auch Raum und Möglichkeit zu Reflexion und Neuanfang bietet.
Paynes Inszenierung beschränkt sich deshalb aufs notwendigste, läßt der ausnahmslos und bis in die Nebenrollen (Virginia Madsen!) hinein exzellenten Darstellerriege Platz, aus zweidimensionalen Ungustln Schritt für Schritt dreidimensionale Charaktere zu entwickeln. Im Gegensatz zu Thomas Haden Church wurde Paul Giamatti allerdings für seine, die wohl beste männliche Darstellerleistung des Kinojahrganges 2004 noch nicht einmal für einen Oscar nominiert (wogegen man sich Schlaftablette DiCaprio gut und gern sparen hätte können). Wie schon in ähnlicher Weise in "American Splendor" verkörpert er geradezu idealtypisch die Figur des melancholischen Zweiflers - für die sich im übrigen auch George Clooney angestellt hat - mit einer beneidenswerten Subtilität, entblößt sie Schicht um Schicht, um ihr schließlich doch noch Selbstfindung und wiederentdeckte Würde zuteil werden zu lassen. Und krönt damit einen scheinbar leisen Film, der auch dann noch lange nachhallen dürfte, wenn ein Gros all der seriell gefertigten Heldenverehrungen schon längst vergessen sein wird.
Sideways
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USA 2004
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