Kino_Machtlos

Ausgeliefert

Aus guten Absichten müssen noch lange keine guten Filme entstehen - eine These, die dieses "Message-Movie" des Südafrikaners Gavin Hood leider nur allzu deutlich unterstreicht.    20.11.2007

Amerika befindet sich im Krieg. Gegen den Terror. Was sich hinter dieser offiziellen Losung verbirgt und welche Konsequenzen hieraus für den enzelnen erwachsen, das versucht "Machtlos" in Form einer verschachtelten, kulturenübergreifenden Mixtur aus Politdrama und Familientragödie aufzuzeigen. Die erste Hollywood-Arbeit des südafrikanischen Regisseurs Gavin Hood ("Tsotsi") gehört zur Kategorie der message movies. Als solchem kommt es "Machtlos" vor allem darauf an, die eigenen Ansichten in alle Welt hinausschreien zu können.

Dabei ist die simple Schwarzweißzeichnung von Charakteren und Meinungen noch nicht einmal das einzige, wofür man den Film am liebsten abwatschen würde. Abgesehen davon, daß Hood und sein Drehbuchautor Kelley Sane an ihrer Sicht der Dinge zu keiner Zeit auch nur die geringsten Zweifel aufkommen lassen - "Machtlos" ist durch und durch ein typischer Vertreter des linksliberalen Hollywood -, bedienen sich die Macher viel zu offensichtlich bei thematisch verwandten Produktionen wie "Syriana" und "Babel".

Aber der Reihe nach: Die Geschichte nimmt ihren Anfang, als ein ägyptischer Ingenieur, der jedoch seit seiner Kindheit in den USA lebt, in die Fänge der CIA gerät. Eigentlich wollte Anwar El-Ibrahimi (Omar Metwally) nach einer Geschäftsreise in Südafrika in wenigen Stunden wieder bei seiner hochschwangeren Frau Isabella (Reese Witherspoon) sein. Doch dazu kommt es nicht. Nach der Landung wird er am Flughafen in Washington von Polizeibeamten abgeführt und von Agenten des amerikanischen Geheimdiensts an einen unbekannten Ort verschleppt. Ganz legal. Ein als extraordinary rendition bezeichnetes Verfahren, das bereits von der Clinton-Regierung verabschiedet wurde, macht das möglich. Demnach ist es den Sicherheitsorganen erlaubt, Nicht-Amerikaner, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft werden, salopp formuliert, aus dem Verkehr zu ziehen.

Es ist müßig, zu erwähnen, daß ein solches Vorgehen jedem rechtsstaatlichen Prinzip widerspricht. Selbiges gilt für die Folter, die in einer zivilisierten Gesellschaft selbst als Ultima ratio keine Legitimität besitzen darf. Doch im Kampf gegen Terror scheint alles erlaubt. Diese schmerzliche Erfahrung muß auch der zum Staatsfeind auserkorene El-Ibrahimi machen, als er von Mitgliedern der Geheimpolizei eines nicht näher genannten nordafrikanischen Staates gefoltert wird. Beaufsichtigt werden diese Aktionen vom CIA-Analytiker Douglas Freeman (Jake Gyllenhaal). Der junge Geheimdienstler bekommt allerdings zunehmend Zweifel an der Richtigkeit der Methoden, was seine Vorgesetzte (Meryl Streep), die Leiterin der CIA-Anti-Terror-Einheit, jedoch nicht weiter interessiert. Sie verlangt von ihm, daß er sich gegenüber El-Ibrahimi hart und unnachgiebig verhält.

Die Rollenverteilung scheint von Beginn an wie einzementiert. Während Gyllenhaals idealistischer CIA-Agent das personifizierte Gewissen und die Identifikationsfigur für den Zuschauer mimt, muß Meryl Streep den Part der eiskalten Terrorjägerin übernehmen. Deren Argumente spart der Film zwar nicht gänzlich aus - in einem verbalen Schlagabtausch mit dem von Peter Sarsgaard gespielten Assistenten eines einflußreichen US-Senators (Alan Arkin) wird erkennbar, daß sie von der Legitimität ihres Handelns wirklich überzeugt ist -, doch ein ehrlicher Diskurs über das Pro und Kontra der von den USA ausgehenden, immer restriktiveren Anti-Terror-Politik ist das deshalb noch lange nicht. Das liegt schon einmal daran, daß die Sympathien zu klar verteilt sind und Hood die melodramatische Karte in den Szenen mit El-Ibrahimis Frau zu offensichtlich spielt.

 

Wer Hoods Oscar-Sieger "Tsotsi" über einen Waisenjungen in den Townships von Johannesburg gesehen hat, weiß ohnehin schon, daß er auf das ganz große Gefühl schielt. "Machtlos" bildet da keine Ausnahme. Arabisch anmutende Ethno-Klänge kleistern fast jeden im Ansatz dramatischen Moment mit einem auf die Dauer nur noch enervierenden Sound-Brei zu, und auch die dazugehörigen Bilder reproduzieren ausschließlich die Sicht des Westens auf eine ihm fremde Kultur. Ein Problem ist, daß man bei den Folterszenen eher an "Hostel" denn an Abu Ghraib denken muß - was beweist, daß Hoods Hollywood-Debüt über keine eigene Handschrift, keinen eigenen Stil verfügt. Hinzu kommt, wie verkürzt viele Sachverhalte dargestellt werden. Die Haßpredigt in der Moschee, die ein junger Moslem besucht, reduziert den wachsenden Fanatismus in Teilen der islamischen Welt auf eine banale Form der Gehirnwäsche. Dabei gehen die geistigen Brandstifter - auf beiden Seiten - in Wahrheit viel subtiler vor.

Daß sich Hollywood wieder für politische Stoffe interessiert, ist keine Neuigkeit und nur ein Spiegelbild unserer Zeit. So zeichnete "Syriana" ein hochkomplexes Bild geostrategischer Machtspiele, bei dem Haß und Extremismus gewissermaßen als Kollateralschäden anfielen. Das Drei-Kontinente-Drama "Babel" beschäftigte sich wiederum mit der Unzulänglichkeit menschlicher Kommunikation in einem kulturenübergreifenden Kontext. Beiden Filmen gelang es, dem abstrakten Prozeß der Globalisierung mehrere konkrete Einzelschicksale gegenüberzustellen und diese so miteinander zu verknüpfen, daß die Konstruktion nicht den Inhalt dominierte. "Machtlos" - und das ist sein größtes Manko - scheitert an dieser Aufgabe. Die Charaktere bleiben einfach immer Figuren in einer leicht zu durchschauenden Schachpartie. Selbst ein Drehbucheinfall, der die Chronologie der Ereignisse zum Ende hin teilweise auf den Kopf stellt, kann daran nichts ändern.

Wollte man gutes Gewissen in Szene setzen, so käme dabei vermutlich ein Film wie "Machtlos" heraus: ehrenwert in seinen Absichten - eine Politik wie die der extraordinary rendition ist einfach menschenunwürdig -, aber zugleich auch ungemein öde und uninteressant.

Marcus Wessel

Machtlos

ØØ

(Rendition)

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2007

120 Min.

Regie: Gavin Hood

Darsteller: Jake Gyllenhaal, Reese Witherspoon, Meryl Streep u. a.

Links:

Kommentare_

Kino
Maria, ihm schmeckt´s nicht!

Italienische Verhältnisse

In der süditalienischen Provinz begegnet Christian Ulmens verweichlichter Bräutigam mediterraner Gastfreundschaft und einer Familie im permanenten Ausnahmezustand. Die Verfilmung von Jan Weilers Bestseller ist leichtes Sommerkino und Culture-Clash-Komödie zugleich.  

Kino
Hangover

Kater-Bestimmung

Wer zuletzt die öde Beziehungskomödie "Love Vegas" durchlitten hat, mag kaum glauben, daß ein Filmriß in der Glücksspielmetropole auch eine ungemein unterhaltsame Sache ergeben kann. Hier werden selbst hartgesottene Skeptiker eines Besseren belehrt.  

Kino
Filmvorschau Juli

Hot time, summer in the city

Obwohl das derzeitige Wetter eher zu "Singin´ in the Rain" animiert, steht der Hochsommer vor der Terrassentür. Marcus Wessel verrät, ob es im kommenden Monat eine sinnvolle Alternative zum Strandbesuch gibt. Eines vorab: Der Zauberlehrling ist´s bestimmt nicht.  

Kino
The Limits Of Control

Kontrollverlust

Jim Jarmusch gilt als einer der letzten großen Independent-Filmer des amerikanischen Kinos. Doch dieser Status ist jetzt in Gefahr. Mit seinem neuen, kryptischen Road-Movie-Thriller liefert der Wahl-New-Yorker enttäuschendes Kunstkino zum Abgewöhnen.  

Kino
Illuminati

Langdon, übernehmen Sie!

Nach seinem zumindest kommerziell überaus erfolgreichen ersten Kinoausflug in "Der Da Vinci Code" darf der von Tom Hanks verkörperte Experte für religiöse Symbolik erneut einen sakralen Hindernis-Parcours bewältigen. Ron Howards Film liefert mit maximalem Aufwand minimale Unterhaltung.  

Kino
X-Men Origins: Wolverine

Backenbart im Setzkastenkino

Hugh Jackman schlüpft ein viertes Mal in die Rolle, die ihm seinerzeit den internationalen Durchbruch einbrachte. Das vom Südafrikaner Gavin Hood ("Tsotsi") inszenierte Mutanten-Spektakel erkundet den Ursprung des Wolverine-Mythos. Doch nach einem forschen Auftakt wird´s leider bald zu einer zähen Geisterfahrt.