Kino_Land Of The Dead

Fleisch für die Welt!

20 Jahre nach "Day of the Dead" will es George A. Romero noch einmal wissen und führt seine Untoten zum Marsch gegen die letzte Bastion der menschlichen Gesellschaft.    02.09.2005

Aus den erfolgreichen Zombiefilmen der letzten Jahre wissen wir: Die Untoten sind seelenlos und immer hungrig, manchmal können sie sogar rennen – aber auf jeden Fall haben sie keine Existenzberechtigung und müssen umgehend durch einen Kopfschuß erledigt werden. Dies führte zu amüsanten Episoden wie der Sniper-Szene in Zack Snyders Remake von "Dawn of the Dead" ("Erschieß’ jetzt mal Burt Reynolds!") oder dem Frisbee-Einsatz von Schallplatten in "Shaun of the Dead". Also: Zombies abknallen ist lustig und vor allem auch moralisch unbedenklich.

Dieser Einstellung schiebt der Altmeister des Genres, George A. Romero ("Night of the Living Dead", "Dawn of the Dead", "Day of the Dead") nun einen Riegel vor. Hatte er bereits im Laufe seiner legendären "Dead"-Trilogie immer mehr mit den Zombies sympathisiert, nehmen diese in seinem neuen Werk nun direkt rührende Züge an. Bereits am Anfang sind Szenen von Untoten zu sehen, die offensichtlich ein rudimentäres Bewußtsein entwickelt haben und versuchen, sich ihrem früheren Leben gemäß zu verhalten. Eine Gruppe von ihnen musiziert (mehr schlecht als recht), ein anderer hantiert mit einem Zapfhahn an der Tankstelle, zwei Teenie-Zombies wanken händchenhaltend die Straße entlang. Als dann Söldner anrücken und eine Reihe dieser Kreaturen mit Maschinengewehrsalven niedermähen, ist dem Zuschauer wahrlich nicht mehr nach Lachen zumute. Zu sehr erinnert dies an Kriegsszenarien, in denen Zivilisten vom Militär abgemetzelt werden. Als der Panzerwagen schließlich wieder abrückt, starrt ihm der "Tankwart" (Eugene Clark) fassungslos hinterher – und beschließt den Aufstand. Mit Uruk-hai ähnlichem Gebrüll organisiert er seine Genossen, und gemeinsam marschieren sie los, Richtung Zivilisation, um Rache zu nehmen.

 

Diese "Zivilisation" besteht aus einer befestigten Stadt, in der klare Hierarchien herrschen. In dem Luxusbau Fiddler’s Green führt eine vermögende Oberschicht, angeführt vom skrupellosen Unternehmer Kaufman (Dennis Hopper), ein Leben in Saus und Braus. In den Baracken darum herum lebt ein mittel- und rechtloses Proletariat, das von Kaufman mit Brot und Spielen bei Laune gehalten wird. Wer nicht spurt, der wird den Zombies zum Fraß vorgeworfen. Vor so einem Schicksal kann der aufrechte Söldner Riley (Simon Baker) die Gelegenheitshure Slack (Asia Argento) gerade noch bewahren. Doch bald steckt er selbst bis zum Hals in Problemen. Nicht nur muß er die heranrückende Zombiearmee aufhalten, sondern auch noch seinen ehemaligen Mitstreiter Cholo (John Leguizamo). Denn dieser droht ebenfalls, die Stadt in Schutt und Asche zu legen.

Für Action ist also reichlich gesorgt, ebenso wie für ausgedehnte Splatterszenen mit zufrieden vor sich hinschmatzenden und -nagenden Zombies. Denen gönnt der Zuschauer das leckere Essen auch zunehmend, denn die Bösen, das sind hier eindeutig die Ausbeuter in Fiddler’s Green. Daß diese für Romero die heutige US-Regierung mit ihrer Ignoranz gegenüber jeglichen gesellschaftlichen Problemen symbolisieren, hat er bereits in mehreren Interviews betont – es wäre aber auch so nicht schwer zu erraten gewesen.

Gesellschaftskritik war für den Regisseurveteranen bereits in all seinen Zombiefilmen ein Anliegen. Daß er diese nun in einer zeitgemäßen Variante (Kaufman über Cholo: "Ich verhandle nicht mit Terroristen!") fortführt, ließe sich als abgegriffen bezeichnen – oder auch als angenehm konsequent. Selbiges gilt auch für die Gestaltung der Zombies: Die rasen nicht wie die geölten Blitze durch die Gegend, sondern schlurfen wie eh und je stur auf ihre Opfer zu. Dementsprechend lang sind auch die Kameraeinstellungen: Hier wird nicht versucht, durch extrem schnelle Schnitte inszenatorische Unzulänglichkeiten zu verbergen (wie zum Beispiel in "Resident Evil – Apocalypse"). Und statt steriler digitaler Effekte gibt es ein perfektes Make-up Marke Handarbeit. "Land of the Dead" ist definitiv ein altmodischer Film. Und kein sehr subtiler noch dazu. Aber dafür auch alles andere als blutleer.

Anne Herskind

Land Of The Dead

ØØØØ 1/2


USA/Kanada/F 2005

93 Min.

dt. und engl. OF

Regie: George A. Romero

Darsteller: Simon Baker, Asia Argento, Dennis Hopper, John Leguizamo u. a.

 

Links:

Kommentare_

Video
Lichter der Vorstadt

Vive la tristesse

Der Abschluß von Kaurismäkis "Trilogie der Verlierer" widmet sich auf konsequente Weise dem Thema Einsamkeit. Berühren kann der Film jedoch nicht.  

Kino
28 Weeks Later

Auf die Plätze, fertig, Rage!

In London wütet erneut die Apokalypse - und wie! Die Fortsetzung von Danny Boyles Endzeit-Thriller "28 Days Later" hat in Sachen Härte und Action deutlich zugelegt.  

Stories
Berlinale 2007/Journal III

Forum für Skurriles

Es gibt viele Strategien, sich sein individuelles Festival-Programm zusammenzustellen. Im Fall der Berlinale scheint zu gelten: Je weniger Filme des offiziellen Wettbewerbs man anschaut, desto größer sind die Chancen, eine ganze Reihe spannender Entdeckungen zu machen.  

Stories
Berlinale 2007/Journal II

Elefanten im Porzellanladen

Die Berlinale im Blutrausch: In Zack Snyders Comic-Verfilmung "300" türmen sich die Leichenberge, der Protagonist von Okamoto Kihachis "Sword of Doom" metzelt einem Besessenen gleich seine Gegner nieder, und in Mitchell Lichtensteins "Teeth" wütet eine bissige Vagina unter der männlichen Bevölkerung.  

Stories
Berlinale 2007/Journal I

Cyborgs und blinde Samurai

Anne Herskind besucht für den EVOLVER wieder das Berliner Filmfestival. Ihr erster Bericht: Filme aus Japan und Südkorea behandeln einfühlsam bis skurril die Themen Außenseitertum und Einsamkeit - aber auch die befreiende Wirkung der Liebe.  

Video
Factotum

Na dann Prost!

Matt Dillon als Alter ego von Charles Bukowski? Das klingt zwar etwas gewagt, funktioniert aber in diesem Trinkerfilm über weite Strecken erstaunlich gut.