Kino_John Carter

Mars pro toto

Beinahe 80 Jahre lang zog sich die Verfilmung von Edgar Rice Burroughs' "A Princess of Mars" hin, jetzt bringt das Disney-Studio zum 100jährigen Publikationsjubiläum eine epische Adaption in die Kinos. Für die digitallastige Umsetzung war Pixar-Regisseur Andrew Stanton (WALL•E) zuständig - und reüssierte eindrucksvoll.    07.03.2012

Als Edgar Rice Burroughs 1912 sein erstes literarisches Erzeugnis "Under the Moons of Mars" verkaufte, ging es ihm nur darum, seine Familie zu ernähren. Vermutlich hätte er sich nie träumen lassen, daß ein Jahrhundert später ebenjene Geschichte für das Bruttosozialprodukt eines Kolonialstaates als Film umgesetzt - oder daß sie überhaupt verfilmt werden würde.

Erste Planungen hatte es dabei schon zu Lebzeiten von Burroughs, dem Schöpfer von "Tarzan", gegeben. In den 1930er Jahren sollte "A Princess of Mars", wie seine erste Geschichte seit 1917 hieß, als Zeichentrickfilm adaptiert werden. Hätte dies geklappt, wäre der Film noch vor "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1937) als erster Animationsfilm in die Geschichte eingegangen.

 

Wie es der Zufall so will, bringt nun ausgerechnet Disney die Verfilmung von "A Princess of Mars" zu dessen 100jährigem Publikationsjubiläum in die Kinos. Darin wird John Carter (Taylor Kitsch), ein Veteran des US-Sezessionskriegs, auf den Mars transportiert. Hier landet er gleich im nächsten Bürgerkrieg, in dem sich die zivilisatorischen Städte Helium und Zodanga bekämpfen.

Durch die geringere Schwerkraft des Mars besitzt Carter übernatürliche Fähigkeiten, die ihn zwischen die Fronten der Marsianer bringen. Sowohl Dejah Thoris (Lynn Collins), die Prinzessin von Helium, als auch der vierarmige grüne Marsianer Tars Tarkas (gesprochen von Willem Dafoe) hätten Carter gerne an ihrer Seite. Doch der ist des Kämpfens müde.

 

Obschon die Geschichte von Burroughs gut acht Jahrzehnte lang nicht verfilmt wurde, ist man ihr im Laufe der Zeit zumindest in Ansätzen mehr als einmal begegnet. So wirft die übernatürliche Kraft des "Alien" Carter ihre Schatten auf "Superman" voraus, wie auch "Flash Gordon" und "Star Wars" von Burroughs' Abenteuern um John Carter inspiriert wurden. Und nicht zuletzt läßt sich dies auch über Avatar sagen: In James Camerons Pixel-Spektakel kämpft ein US-Soldat für das Überleben eines indigenen Volks und verliebt sich dabei in dessen Prinzessin. Im Grunde verhält es sich in "John Carter" genauso. Aber nicht wirklich. Denn abgesehen von einigen Ähnlichkeiten erinnert das Fantasy-Epos eher an "He-Man" und "Conan der Barbar" denn an "Avatar".

 

Dabei gelang Burroughs ein interessantes Amalgam aus futuristischen und antiken Vorstellungen. Leicht bekleidete Marsianer kämpfen mit Schwertern auf fliegenden Luftschiffen, Dejah Thoris ist einerseits ganz klassische Prinzessin, andererseits kundig in den Wissenschaften, insbesondere der Astronomie. Wie das alles genau funktioniert, versucht "John Carter" erst gar nicht zu beantworten.

Und das kann er vermutlich auch gar nicht, erscheint die hier erschaffene Welt doch viel zu groß und komplex für einen zweistündigen Film. So gehen bisweilen einige Handlungselemente etwas unter, zum Beispiel die Nachricht, Barsoom (so heißt der Mars im Film) liege im Sterben. Dies scheint eher ein roter Faden für eine sicherlich geplante Fortsetzung zu sein, sollte "John Carter" Erfolg haben. 

 

Allzu störend wirkt das jedoch nicht, da Stanton gekonnt die Welt von Burroughs auf die Leinwand transferiert. Das ist nicht nur den überzeugenden Digitaleffekten zu verdanken, die für die glaubwürdige Kreation der grünen Marsianer, der Mars-Umgebung und der restlichen Kreaturen zuständig sind. Auch sonst wirkt die Welt von "John Carter" lebendig, obschon stets zu erkennen ist, was aus dem Rechner stammt und was nicht.

Wer sich also auf den Fantasy-Aspekt der Geschichte einläßt, dürfte kaum enttäuscht werden. Ähnlich wie sein Pixar-Kollege Brad Bird (Mission: Impossible - Phantom Protokoll) reüssiert auch Andrew Stanton mit seinem Live-Action-Filmdebüt. Dabei hat "John Carter" keine großartige Moral oder Botschaft, außer, daß es wert sein kann, Kriege zu führen, solange es etwas gibt, das es zu bewahren gilt. 

 

Erwähnenswert ist dabei die Rolle von Lynn Collins’ Mars-Prinzessin, die zwar auch das love interest für unseren Helden darstellt, zusätzlich jedoch nicht nur viel weiß, sondern auch über ansprechende Schwertkünste verfügt. Genauso sind die übrigen zentralen Figuren mehr als nur Abziehbilder des Blockbuster-Panini-Hefts.

Somit ist "John Carter" in seiner Summe ein imposantes und vergnügliches Fantasy-Epos, dem man allenfalls vorwerfen kann, mehr erzählen zu wollen, als ihm vielleicht gut tut. An der gelungenen Adaption ändert dies wenig, da sie neben einer spannenden neuen Welt sympathische Figuren und überzeugende Digitaleffekte bietet. Die Wartezeit von fast 80 Jahren hat sich also durchaus gelohnt.

 

 

         

Florian Lieb

John Carter

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2012

132 Min.

 

Regie: Andrew Stanton

Darsteller: Taylor Kitsch, Lynn Collins, Dominic West, Mark Strong u. a.

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