Into The Wild
ØØØ 1/2
USA 2007
148 Min.
Regie: Sean Penn
Darsteller: Emile Hirsch, Marcia Gay Harden, William Hurt u. a.
Fernab der Zivilisation sucht ein junger Mann Antworten auf die großen Fragen des Lebens. In der Verfilmung des Tatsachenromans von Jon Krakauer erzählt Oscar-Preisträger Sean Penn die Chronik einer radikalen Rebellion. 30.01.2008
Der Ruf der Wildnis, das wußte nicht nur Jack London, ist eine Kraft, der man sich nur schwer entziehen kann. Gerade als junger Mensch, der nach Antworten sucht, weil er sich mit dem von den Eltern vorgelebten Leben nicht identifizieren kann, fühlt man sich mitunter von abenteuerlichen Ideen geleitet. Der Traum vom Aussteigen, von einer Existenz in absoluter Freiheit abseits der Zivilisation, vom letzten Abenteuer in einer an Abenteuern immer ärmeren Welt - das war es, was auch den jungen Christopher McCandless bei seiner Entdeckungsreise quer durch Amerika antrieb.
Seine Suche nach innerer Ausgeglichenheit und ungefilterten Wahrheiten sollte für den 24jährigen College-Absolventen ein tragisches Ende bereithalten. Inmitten der rauhen und menschenleeren Wildnis Alaskas fand der Mann, der sich während seiner Reise das Pseudonym Alexander Supertramp zulegte, den Tod. Im August 1992 entdeckten Elchjäger Christophers Leiche in der Nähe des Teklanika River im Denali National Park. Fast zwei Jahre zuvor war er - ohne seine Familie davon zu unterrichten - zu einem mehr als außergewöhnlichen Abenteuer aufgebrochen. Der Bestseller-Autor Jon Krakauer war von dieser Geschichte fasziniert. Für seinen Roman "In die Wildnis" rekonstruierte er Christophers Aussteiger-Trip, der ihn und den Leser von der kargen Wüste Arizonas über die Getreidefelder South Dakotas und die Hippie-Kommune Slab City bis in die unberührte Natur Alaskas führt.
Auch Sean Penn verschlang Krakauers Erzählung, wobei ihm schnell klar wurde, daß der Stoff förmlich nach einer Verfilmung (und zwar einer in epischen Bildern) schrie. Nachdem McCandless´ Familie in das Vorhaben eingewilligt hatte, konnten die Dreharbeiten beginnen. In der Rolle des jungen Abenteurers ist Emile Hirsch ("Alpha Dog") zu sehen. Penn entschied sich für Hirsch wegen dessen äußerlicher Ähnlichkeit zu Christopher - und weil der Nachwuchsschauspieler nicht davor zurückschreckte, für die Rolle körperlich an seine Grenzen zu gehen. Gerade die Aufnahmen in Alaska brachten einige Strapazen mit sich; daß der Hauptdarsteller sich einer radikalen Diät unterwerfen mußte, gehörte da noch zu den angenehmeren.
Der Film schildert zunächst Christophers gespanntes Verhältnis zu seinen Eltern (Marcia Gay Harden, William Hurt). Obwohl er insgeheim andere Pläne hegt, spielt er ihnen vor, sich um einen Studienplatz an der Elite-Universität Harvard bewerben zu wollen. So strebsam und karrierebewußt wünschen sich wohl die meisten Eltern ihren Nachwuchs. Doch bereits kurz darauf entpuppt sich die Heile-Welt-Phantasie als bloße Schimäre. Statt nach Harvard zu gehen, überweist er seine gesamten Ersparnisse an eine Hilfsorganisation, zerschneidet Kreditkarten und Ausweise, um dann in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang aufzubrechen.
Auf seiner Wanderschaft macht Christopher eine Reihe ganz unterschiedlicher Bekanntschaften. Manche wie die mit einem jungen dänischen Paar (Thure Lindhardt, Signe Egholm Olsen) am Ufer des Colorado River sind eher flüchtiger Natur, andere wiederum prägen auch ihn und seine Persönlichkeit. Besonders zu dem Hippie-Pärchen Rainey (Brian Dierker) und Jan (Catherine Keener), das ihn in seinem bunt bemalten Bus mitnimmt, baut sich eine Freundschaft auf. Er spürt, daß sie derselbe Traum, dasselbe Ideal verbindet. Trotzdem entscheidet er sich dazu, die beiden zu verlassen, um Alaska und damit dem Ziel seiner vor allem spirituellen Reise ein Stück näher zu kommen. Sogar als er in der Aussteiger-Kommune Slab City ein hübsches Mädchen (Kristen Stewart) kennenlernt, das sich in ihn verliebt und zu dem er sich ebenfalls hingezogen fühlt, ändert das nichts an Christophers Vorsätzen.
Mit "Into The Wild" verknüpft Oscar-Preisträger Sean Penn die innere Reise eines jungen Mannes mit den Zutaten eines klassischen Road-Movies und Abenteuerfilms. Grandiose Naturaufnahmen von Kameramann Eric Gautier und die erdigen, zutiefst melancholischen Songs von Pearl-Jam-Sänger Eddie Vedder bilden dabei den äußeren Rahmen für Christophers kompromißlose Rebellion, die mehr als nur ein Hauch von Jack London und Henry David Thoreau umweht. Die unberührte Landschaft wird praktisch zu einem zweiten Hauptdarsteller, letztlich sogar zum Antagonisten des zuweilen störrischen Rebellen, den Penn angenehmerweise nie zum Helden hochstilisiert. Christophers Egoismus - das zeigen vielmehr die kurzen Einschübe bei seiner Familie - verursacht Leid und Apathie bei den Menschen, von denen er sich eigentlich geliebt fühlen sollte.
Wenn Christopher am Ende die Einsamkeit Alaskas in sich aufzusaugen versucht, in der Hoffnung, eine seelische Reinigung von den verhaßten Geißeln der Zivilisation zu erfahren, von Karrieredenken und Materialismus, dann steuert die kontemplative Geschichte auf ihren schmerzhaften, weil unausweichlichen letzten Akt zu. Bis dahin gilt es sich jedoch zuweilen in Geduld zu üben. Zwar ist Penn nicht Terrence Malick und "Into The Wild" kein zweites "The New World", doch hätte seinem Film eine Straffung gut zu Gesicht gestanden. Abstecher wie der nach Mexiko erscheinen für das Verständnis und den Fortgang der Wanderschaft mehr als entbehrlich.
Andererseits gelingen dem Regisseur auch immer wieder kraftvolle Momente voller Wahrhaftigkeit. Christophers Begegnung mit dem vom Leben gezeichneten Witwer Ron Franz (Hal Halbrook) beschreibt ohne Sentimentalität die zaghafte Annäherung zweier Eigenbrötler, die sich und ihre Ansichten zu respektieren lernen. Dann treten die Weite der Landschaft und die Schönheit der Natur plötzlich in den Hintergrund. Gebannt hören wir zu, was sich diese Menschen zu erzählen haben - und uns wird bewußt, wie einfach manchmal gutes Kino sein kann.
Into The Wild
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