Kino_Good Night, and Good Luck

Die lange Nacht der Ideologen

Ohne einen mutigen TV-Journalisten wäre Kommunistenjäger Joe McCarthy nicht gestürzt worden. George Clooney setzt dem Aufdecker ein beachtenswertes filmisches Denkmal.    20.02.2006

Ja, es gab ihn tatsächlich. Ja, manchmal gibt es ihn auch heute noch: Journalismus, der über das hinausgeht, -denkt und -formuliert, was von Anzeigenkunden, Lobbyisten und den am politischen Ruder sitzenden Wahrheitsverdrehern vorgegeben und eingefordert wird. Und der sich stattdessen auf das besinnt, was seine ureigenste Aufgabe ist: aufrütteln, hinterfragen, aufzeigen. Gerade und vor allem dann, wenn der Widerstand von allen möglichen Seiten schier unüberwindbar scheint.

"Good Night, and Good Luck" spürt einer Art Prototyp dieses couragierten Journalismus nach: dem Team von "See It Now", dem auf CBS ausgestrahlten ersten TV-Nachrichtenmagazin rund um Journalistenlegende Edward R. Murrow. Dieses schrieb Mitte der fünfziger Jahre nicht nur fernsehjournalistische, sondern auch realpolitische Geschichte. George Clooney rekonstruiert in seinem zweiten Film jene Geschehnisse, die schlußendlich zur Absetzung des als Kommunistenhetzers in die Annalen eingegangen Senators Joe McCarthy führten. McCarthy hatte sich in Berufung auf sogenannte Freiheitswerte in blindem demagogischen Furor auf alles gestürzt, das ihm auch nur nach Kommunist roch. Es folgten Denunziationsmethoden, die ihresgleichen suchten, und Verleumdungskampagnen schlimmsten Zuschnitts. Wer nicht mitmachte beim bösen Spiel, galt unversehens als mitverdächtig. Und der Medienapparat spielte im vorauseilenden Gehorsam ganz einfach und recht duckmäuserisch mit. Bis eines Abends Murrow (kongenial verkörpert von David Strathairn) in seiner Sendung mit einer harten, jedoch journalistisch fairen und fundierten Abrechnung mit der McCarthy-Politik den Stein ins Rollen brachte.

 

Nicht nur wegen seiner Schwarz/Weiß-Optik mag manchem Clooneys zweite Regiearbeit (nach dem vermurksten "Confessions Of A Dangerous Mind") als verfilmter Anachronismus erscheinen. Auch thematisch haben wir das doch alles längst hinter uns, nicht wahr? Aber wie sieht die Lage denn aus, wenn man "Kommunist" durch "Terrorist" ersetzt und die Paranoia etwas up to date bringt? Eben. "Good Night, And Good Luck" ist aber trotz seiner politischen Sprengkraft kein pathetisch-patriotisch aufgeblasenes Lehrstück (überlassen wir das Michael Moore), sondern eine nachgerade stille, ja, unspektakuläre Ode an einen Haufen unbeirrbarer Typen. Mit enormer beobachterischer Präzision zeichnet Clooney das Leben einer Nachrichtenredaktion auf Punkt und Komma nach - und darf sich dabei neben einem Script mit rasiermesserscharfen Dialogen und einer gediegen-stilsicheren Optik auf ein wirklich exzellentes Darstellerteam verlassen. Neben dem Oscar-reifen Strathairn und Clooney selbst glänzen auch noch Patricia Clarkson, Robert Downey Jr., Frank Langella und Ray Wise. Nur McCarthy konnte offensichtlich kein aktueller Akteur gerecht werden, weswegen man ihn mittels Archivaufnahmen selbst sprechen läßt; fürwahr ein groteskes Schauspiel.

"Good Night, and Good Luck" nimmt sich aber nicht wie eine längst abgestandene und redundant gewordene Exegese amerikanischer Innenpolitik aus, sondern ist vielmehr ein hochgradig faszinierendes Dokudrama, das brandaktueller gar nicht ausfallen hätte können. Denn Geschichte wiederholt sich ja bekanntermaßen. Und mit ihr kehrt auch der ganze unselige Rattenschwanz von mißbrauchter Macht, Paranoia und unterdrückter Meinungsfreiheit immer wieder zurück. Nur die Murrows wachsen oft nicht auf Bäumen.

Christoph Prenner

Good Night, and Good Luck

ØØØØ 1/2


USA 2005

93 Min.

Regie: George Clooney

Darsteller: David Strathairn, George Clooney, Patricia Clarkson, Robert Downey Jr. u. a.

 

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