Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel
ØØØØ 1/2
(Gone Baby Gone)
USA 2007
110 Min.
Regie: Ben Affleck
Darsteller: Casey Affleck, Ed Harris, Morgan Freeman u. a.
Kinostart: 29. November 2007
Überraschungen, auch einige sehr unbequeme, liefert Ben Afflecks Regiedebüt. Der als Schauspieler zuletzt verspottete Hollywood-Star wandelt auf Eastwoods Spuren, wenn er die dunkle Poesie von Krimiautor Dennis Lehane auf der Leinwand zum Leben erweckt. 08.11.2007
Da hat sich Hollywood-Star Ben Affleck für sein Regiedebüt ganz schön harten Tobak ausgesucht. Die Geschichte vom entführten Mädchen, das zum Spielball unterschiedlicher Interessen wird, ähnelt stark Clint Eastwoods Schuld-und-Sühne-Meditation "Mystic River". Mit diesem und Scorseses Crime-Drama "Departed – Unter Feinden" hat "Gone Baby Gone" zudem den Schauplatz Boston gemein. Alle drei Filme erzählen von bitteren Wahrheiten und stellen ihre Protagonisten vor schwierige, irreversible Entscheidungen.
Es ist ein Fall, den die privaten Ermittler Patrick Kenzie (Casey Affleck) und Angela Gennaro (Michelle Monaghan) zunächst nicht übernehmen wollen: Sie sollen Amanda, ein vierjähriges Mädchen, ausfindig machen, das schon seit Tagen vermißt wird. Ihre Mutter (Amy Ryan) ist für die Polizei keine Unbekannte, gilt sie doch als schwer drogenabhängig, wodurch sie immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät. Für Patrick weisen die Spuren in Richtung eines einschlägig Vorbestraften (Edi Gathegi). Aber so einfach, wie es anfangs den Anschein hat, ist der Fall keineswegs. Vielmehr deutet einiges darauf hin, daß der mit den offiziellen Ermittlungen beauftragte Detective (Ed Harris) und dessen Vorgesetzter (Morgan Freeman) mehr wissen, als sie gegenüber Patrick im ersten Moment zugeben.
Die Parallelen zu Eastwoods Meisterwerk erklären sich auch mit einem Blick auf den Ursprung der jeweiligen Geschichten. Für beide Filme lieferte der aus Boston stammende Krimiautor Dennis Lehane die Vorlage. Und wer nun glaubt, Regiedebütant Affleck müsse sich vor Kritikerliebling Eastwood verstecken, der irrt gewaltig. "Gone Baby Gone" wirkt wie das Werk eines gereiften, stilistisch wie dramaturgisch versierten Filmemachers. Fast möchte man sich nach Ansicht des Affleck-Erstlings für all die Häme entschuldigen, die man über die letzten Jahre für den Ex von Jennifer Lopez übrig hatte.
Lehane und Affleck spüren in den Arbeitervierteln der Millionenmetropole an der Massachusetts Bay eine ganz eigentümliche Stimmung auf, bei der eine schwere Melancholie wie Blei über den Seelen der Menschen zu liegen scheint. Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit ergeben auch in Süd-Boston ein explosives Gemisch. Einige, wie die Mutter der kleinen Amanda, landen in der Abhängigkeit, andere flüchten sich in die Kriminalität. Inmitten dieser proletarischen Tristesse versuchen ein paar Menschen etwas zu ändern – mit allen Mitteln, wie sich später herausstellt. Die Erkenntnis, daß etwas gut Gemeintes tatsächlich nicht unbedingt Gutes hervorbringen muß, liefert "Gone Baby Gone" mit einer beeindruckenden Konsequenz und Schärfe. Der finale Dialog zwischen Casey Afflecks desillusioniertem Ermittler und Morgan Freemans Charakter gehört zum Besten, was in diesem Jahr im Kino zu hören war. Schnörkellos seziert er die moralische Zwickmühle, in der sich Patrick wiederfindet. Hier gibt es kein Richtig und kein Falsch. Jede Entscheidung schmerzt. Und niemand kann seine Hände in Unschuld waschen.
Für einen stark charakterorientierten Film wie "Gone Baby Gone", bei dem es in der Darstellung auf Nuancen, kleine Gesten und jeden Ausdruck ankommt, erweist sich der Cast oftmals als die entscheidende Achillesferse. Wenngleich die Besetzung des introvertierten Patrick mit Ben Afflecks Bruder Casey stark nach Familienbande anmutet, möchte man sich im Nachhinein keinen anderen Schauspieler in dieser Rolle vorstellen. Casey, der Jüngere der beiden Afflecks, stand in der Vergangenheit zumeist im Schatten seines Bruders. Doch damit dürfte spätestens mit diesem Film Schluß sein. Nicht nur, daß er derzeit im Western "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" selbst einen Star wie Brad Pitt an die Wand spielt - seine Vorstellung in "Gone Baby Gone" ist nahe an der Perfektion. Ohne in schauspielerische Kraftmeierei zu verfallen, eher bedacht und nur von zeitweiliger Impulsivität nähert er sich seiner schwierigen Rolle, von der es letztlich abhängt, ob man sich als Zuschauer mitgenommen fühlt oder nicht.
Auch die anderen Darsteller überzeugen. Ed Harris könnte sich demnächst über eine weitere Oscar-Nominierung freuen. Als Detective Remy Broussard, dem eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Falls zukommt, brennt er sich tief in die zu gleichen Teilen dunkle wie humanistische Seele von Afflecks Noir-Drama ein. Der bislang vor allem im Theater erfolgreichen Amy Ryan fällt die schwierige Aufgabe zu, einer gemeinhin als "Rabenmutter" diskreditierten Frau einen Rest Würde zu lassen, während Oscar-Preisträger Morgan Freeman einmal mehr die graue Eminenz gibt, die im Hintergrund die Fäden zieht.
"Gone Baby Gone" ist kein einfacher Film und sicherlich nichts, was sich mal eben zwischendurch konsumieren ließe. Dafür ist sein Sujet zu düster und seine Konklusion moralisch zu ambivalent. Da jedoch genau das die Essenz von Lehanes Roman beschreibt, scheint Affleck bei seinem Erstling so ziemlich alles richtig gemacht zu haben.
Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel
ØØØØ 1/2
(Gone Baby Gone)
USA 2007
110 Min.
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