Kino_Der Ja-Sager

Sag niemals nein

Was zunächst nach einer unautorisierten Verfilmung von Obamas Wahlkampf-Slogan klingt, schenkt Jim Carrey das langersehnte Comeback - und uns Zusehern eine sympathische Liebeskomödie, die ohne peinliche Fehltritte auskommt.    06.02.2009

Um Jim Carrey ist es in letzter Zeit ruhig geworden. Der Comedy-Überflieger der Neunziger, der mit Grimassenklamauk wie "Ace Ventura" und "Die Maske" einen Blockbuster nach dem anderen ablieferte, versuchte sich zuletzt immer öfter im ernsten Fach - mit eher mäßigem Erfolg. Zwar wurde er für seine Rolle in "Vergiss mein nicht!" mit Kritikerlob überschüttet, die Zuschauer blieben der sperrigen Charlie-Kaufman-Phantasie aber ebenso fern wie dem halbgaren Verschwörungs-Thriller "23". Gerade als manch einer Carrey schon aufs berufliche Abstellgleis einbiegen sah, gelingt ihm nun mit "Der Ja-Sager" ein fulminantes Comeback. In den USA hat die Komödie bereits annähernd 100 Millionen Dollar eingespielt.

Daß sich die Story bequem in einem Satz zusammenfassen läßt, ist für einen Jim-Carrey-Film eher ein gutes Zeichen. Immerhin zählten Geschichten mit simplen Prämissen seit jeher zu den sichersten Pointenlieferanten des Schauspielers - man denke nur an "Der Dummschwätzer". Dieses Mal muß sich Carrey nicht mit einem Wahrheitsgelübde, sondern mit dem unscheinbaren Wörtchen "Ja!" herumschlagen. Carrey ist Carl Allen, ein vom Leben enttäuschter und frustrierter Bankangestellter, der von einem seiner wenigen Freunde zum Besuch einer Veranstaltung des Motivations-Gurus Terrence Bundley (Terence Stamp) überredet wird. Dessen Botschaft an die Teilnehmer des Seminars leuchtet sogar Carreys Misanthropen ein. Zu einem erfüllten Leben gehöre es, nicht länger alles abzulehnen, sondern vielmehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit "Ja!" zu sagen. Denn, so lernt Carl, "Ja!" ist das neue "Nein" ...

Beflügelt von einer gehörigen Portion "Yes, I can!"-Feeling startet Carl in sein neues Leben. Plötzlich bieten sich ihm im Job ungeahnte Aufstiegsmöglichkeiten, was selbst seinem Vorgesetzten Norman (Rhys Darby) die Sprache verschlägt. Auch seine Kumpels erkennen den neuen Carl kaum wieder. Suchte er früher nach Ausreden, warum er eine Verabredung absagen mußte, ist fortan eine Sauftour ohne ihn kaum mehr vorstellbar. Auch wenn es nicht immer angenehm ist, Carl steht zu seinem "Ja". Da kann es dann schon einmal vorkommen, daß er einen Obdachlosen chauffiert oder sich selbstlos der Libido seiner rüstigen Nachbarin ausliefert. Aus Carls Sicht überwiegen jedoch klar die Vorteile. Sein altes Ich hätte wohl kaum in derart kurzer Zeit so viele Leute kennengelernt. Eine dieser neuen Bekanntschaften ist Allison (Zooey Deschanel). Die aufgedrehte Sängerin einer Indie-Popband erobert Carls Herz mit ihrer charmanten, leicht durchgeknallten Art. Die Zuneigung beruht glücklicherweise auf Gegenseitigkeit - und so kommt zusammen, was ohne ein beherztes "Ja" wohl nie zusammengekommen wäre.

 

Eigentlich - und das mag nach dem eher auf typische Carrey-Gags ausgelegten Trailer überraschen - ist "Der Ja-Sager" eine waschechte romantische Komödie. Der Unterschied liegt nur darin, daß Regisseur Peyton Reed die Konventionen des Genres nicht wie ein unumstößliches Gesetz behandelt. Das Drehbuch von Nicholas Stoller, Jarrad Paul und Andrew Mogel ertränkt die Handlung weder in dümmlichen Kalauern noch in süßlichem Kitsch. Sogar notorische RomCom-Muffel - also ein Großteil von uns Männern - dürften Gefallen an diesem augenzwinkernden Spaß finden, bei dem man erst hinterher merkt, daß er auch wunderbar als Date-Movie funktioniert.

Eine Rückkehr zu Carreys typischer, von nicht wenigen verhaßter Gesichtsakrobatik erlaubt sich der Film nur ein einziges Mal. Bezeichnenderweise hat Carl da gerade eine durchzechte Nacht hinter sich und unzählige Energydrinks intus, was seinen mimischen Ausfall entschuldigt. Ansonsten setzen Reed und seine Autoren eher auf Ironie und satirische Untertöne. So verschlägt es Carl und Allison bei einem ihrer spontanen Wochenend-Trips in die Einöde von Nebraska, wo bereits ein Telefonmuseum als touristische Attraktion angepriesen wird und Obamas "Yes, we can!" bei den Menschen bestenfalls ein gleichgültiges Achselzucken hervorruft. Daß Carl später unter Terrorverdacht gerät, nur weil er Koreanisch lernt und im Internet über die Website Persianwifefinder.com Kontakte zu Amerikas Erzfeind unterhält, mag man als subversive Spitze gegen die pathologische Terrorparanoia der Bush-Regierung interpretieren.

Und was wäre eine Romantic Comedy ohne ihren schrägen Sidekick? Diese Aufgabe fällt in "Der Ja-Sager" Carls Chef Norman zu, der regelmäßig Videoabende zu einem bestimmten Thema ("Harry Potter", "300") organisiert und auch sonst alle Kriterien eines sympathischen Nerds erfüllt. Selbstverständlich ist Reed damit weit davon entfernt, das Genre neu zu erfinden, aber das ist auch überhaupt nicht nötig. Schließlich zeigt sein Film, daß es durchaus möglich ist, leichte Unterhaltung abzuliefern, ohne daß man sich als Zuschauer automatisch für den Regisseur genieren muß. Carl und Allison geben überdies ein bezauberndes Paar ab. Da kann ein ganz bestimmtes "Ja" eigentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Marcus Wessel

Der Ja-Sager

ØØØ 1/2

(Yes Man)

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USA 2008

103 Min.

Regie: Peyton Reed

Darsteller: Jim Carrey, Zooey Deschanel, Rhys Darby u. a.

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