Games_Guitar Hero II

Sex, Drugs & Schweinegitarre

Wer dieses Spiel in die Konsole einlegt und dazu die Plastikklampfe schwingt, wandelt auf den Spuren von Legenden wie Jimi Hendrix oder Jimmy Page.    22.12.2006

Was haben Mötley Crüe, Van Halen, Nirvana, Danzig, Police und ein Mensch, der einen Gitarrenhals nicht von einem Flaschenhals unterscheiden kann, gemein? Abgesehen von der Tatsache, daß die einen was von Musik verstehen und der andere schon Probleme bei der Bedienung eines CD-Players hat - eigentlich gar nichts.

Wer sich dieser Meinung voreilig anschließt, hat wohl noch nichts vom neuen Game "Guitar Hero II" gehört. Das innovativste Musikspiel seit Erfindung der Knochenrassel erlaubt es endlich auch dem musikalisch untalentierten Menschen, zu einem wahren Rockstar aufzusteigen und sich mit Größen wie Eddie van Halen oder Slash (der von Guns N´Roses" - für die jüngeren unter uns) zu messen.

Doch welchen Sinn hat es, die höchsten Punktzahlen zu erzielen, wenn man niemanden hat, dem man das auch unter die Nase reiben kann? Das denkt sich wenigstens der Autor dieser Zeilen, als endlich das langerwartete Paket eintrudelt. Beim Auspacken (oder eigentlich Aufreißen) der Verpackung und dem beinahe andächtigen Herausnehmen des Controllers, der übrigens in Form eines Miniaturnachbaus der Gibson SG daherkommt, faßt er also einen wahrhaft perfiden Plan. Sein Schwager, der schon seit etwa 15 Jahren Gitarre spielt, wird wohl oder übel die soeben erwachten Rockstar-Ambitionen mit voller Wucht zu spüren bekommen.

Doch bevor man den Mann in Grund und Boden spielt, stehen erst einige Übungsstunden ins Haus.

"Wie schwierig kann das schon sein?" prahlt der Verfasser, schmeißt seine geliebte Luftgitarre achtlos in die Ecke und widmet sich dem Anschließen des neuesten Lieblingsspielzeugs.

 

Ziemlich schwierig!

So muß die Antwort auf die eher rhetorisch gemeinte Frage lauten. Schon das Anbringen des Gitarrengurts nimmt rund zehn Minuten in Anspruch, was jedoch nicht am Gerät selbst liegt, sondern am umfassenden Unverständnis des Rezensenten für moderne Technik aller Art. Wäre nicht seine geliebte Frau (übrigens haupt- und nebenberuflich Kindergärtnerin), so würde er wahrscheinlich immer noch sinnlos herumsitzen und sich fragen, wofür denn dieser komische Hebel, der da aus der Gitarre herausragt, wohl gut ist.

Heute ist man klüger. Es handelt sich natürlich um einen Tremolohebel, der dazu dient, Töne "vibrieren" zu lassen - einfach cool. So weit, so gut. Nach den ernüchternden ersten Minuten und einer Beruhigungszigarette beschließt man frohen Mutes, endlich die Spielescheibe einzulegen und loszurocken. Bevor die Musik ertönt, muß man sich jedoch erst einmal eines von insgesamt zehn Alter egos aussuchen und der zukünftigen besten Band der Welt einen Namen geben. Zwei Minuten später ist auch das erledigt, und die ersten vier der insgesamt vierzig Tracks stehen zur Auswahl. Die Entscheidung fällt auf das relativ unbekannte Lied "Woman" von Wolfmother. Mittlerer Schwierigkeitsgrad, behauptet "Guitar Hero II".

 

Das Intro beginnt, der virtuelle Rocker kommt auf die Bühne, die Fans kreischen, der Sänger packt das Mikro - und schon ist der Einsatz des Gitarristen gefragt. Pling, pling, pling und noch einmal pling - mehr ist da leider nicht zu hören. Der Nachwuchsmusiker hat jeden einzelnen der eingeblendeten Töne total verpaßt oder sich schlicht und einfach vergriffen. Wer ahnt denn, daß zum Gitarrespielen vier von fünf Fingern der linken Hand benötigt werden - und man auch noch mit der rechten Hand den Rhythmus halten muß? Der folgende Wutausbruch würde einem jungen Sean Penn zur Ehre gereichen.

Eine Zigarettenlänge später geht es weiter. Schweren Herzens beschließt der schreibende Mensch, seinen Ehrgeiz im Zaum zu halten und sich für den Anfang dem Trainingsmodus zu widmen, klarerweise auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad. Noch so eine Schmach vor den Augen der geschätzten Gattin wäre ja schier unerträglich ...

Und siehe da, auf einmal läuft´s viel besser! Jetzt sind nur noch drei Finger vonnöten, um den Song auch spielen zu können. 20 Minuten und einen Fingerkrampf später ist es dann soweit: Der mutige EVOLVER-Tester bittet seine Frau ins Spielzimmer und bringt ihr ein Ständchen, das eines Jimi Hendrix würdig wäre, mit allem Drum und Dran: Hüftenkreisen, Luftsprünge, exzellent ausgeführte Tremolos und gelegentlich die heldenhaft hochgerissene Gitarre - schließlich soll auch das geschätzte Publikum in den Genuß der Starpower kommen. Und tatsächlich, die Zuseherin ist so begeistert, daß sie kurz darauf zu einer privaten Aftershow-Party einlädt. Ist auch gesünder und hygienischer, als irgendwelche wildfremden Groupies von der Straße einzuladen ...

Einige Tage und viele Übungsstunden später kommt dann auch der Schwager zu Besuch. Sofort schnallt der mittlerweile geübte EVOLVER-Chefmusiker die Gitarre um und legt den besten Highscore aller Zeiten vor. Danach übergibt er ihm die Plastik-Gibson und sagt: "Beat this or beat it!"

Bis die sich anschließende Demütigung überwunden sein wird, muß wohl noch viel Wasser den Mississippi hinunterfließen. In der Zwischenzeit kann man ja weiterhin mit dem exzellenten "Guitar Hero II" lernen, wie sich (beinahe) echte "Starpower" anfühlt.

Dragan Andjelkovic

Guitar Hero II

ØØØØØ


(Red Octane/Activision)

erhältlich für: PS2

 

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