In Graz entsteht zur Zeit der Pilotfilm zu einer Mystery-Serie der anderen Art. In einem phantastischen Serien/Multimedia-Projekt, initiiert von Jörg Vogeltanz, wird die steirische Landeshauptstadt von Wesen aus anderen Dimensionen heimgesucht.
03.02.2011
Wir schreiben das Jahr 1943. Im Hafen von Philadelphia laufen gerade ein paar Dinge unglaublich schief. Während eines Tests, der später als "Philadelphia Experiment" in die Geschichte eingehen wird, verschwindet die USS Eldridge plötzlich von allen Radarschirmen - und offenbar auch aus unserer Realität. Zur gleichen Zeit taucht ein Besatzungsmitglied des Schiffs in Graz auf und läßt einen mysteriösen Radioempfänger zurück. Durch Veränderung der Empfangseinstellungen erzeugt das "Reality Radio" Dimensionsverschiebungen, die den Transfer in parallele Wirklichkeiten ermöglichen (so ähnlich, wie es bereits in der US-Serie "Sliders" zu bestaunen war). Realität ist ab sofort Verhandlungssache.
Das ist auch das zentrale Motiv der Mystery-Serie "Pantherion", die zur Zeit in Graz entsteht. "Der Pilot ist bereits abgedreht und muß nur noch geschnitten werden", sagt Jörg Vogeltanz, Betreiber der Comic-Edition prequel und Mitinitiator des Projekts. Annähernd 70 Personen waren am Pilot des geplanten Serials beteiligt, das in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich ist.
Im Mittelpunkt stehen eine Geheimorganisation unter dem Grazer Schloßberg, Monster, futuristische Waffen und Besucher aus anderen Realitäten. Ihnen begegnet eine wie aus dem Comic-Heft gerissene Eingreiftruppe der besonderen Art: "Wir sind zwar eine Geheimorganisation, aber eine ohne Geld und endlose Mittel, wie man das aus anderen Serien kennt", erklärt Vogeltanz (Bild). "Bei uns kann es schon einmal vorkommen, daß wir mit dem Fahrrad unterwegs sind. Wie im wirklichen Leben eben."
Zur Arbeitserleichterung gibt es im Domizil unter dem Schloßberg aber noch ein Portal, das die Pantherion-Agenten dorthin teleportiert, wo sie gerade gebraucht werden. Das zentrale Thema der ersten Staffel will Jörg Vogeltanz noch nicht verraten - vom Ideenreichtum her kann das "Pantherion"-Team allerdings mit TV-Serien wie "Fringe" (in der Paralleluniversen ebenfalls eine große Rolle spielen) oder "Warehouse 13" durchaus mithalten. Der Fantasy-Mix erhält aber auch noch eine regionale Komponente: "Wie sich im Lauf der Handlung zeigen wird, ist Graz offenbar ein besonderer Ort, eine Art Schnittpunkt, an dem immer mehr Wesen aus anderen Realitäten in unsere Welt kommen." Dementsprechend präsentieren sich die ersten Szenen aus dem Pilot als düster-trashiges Fantasy-Spektakel, das Anleihen quer durch die Popkultur nimmt und daraus eine eigene Ästhetik entwickeln will.
Der Name "Pantherion" bezieht sich auf den "Steirischen Panther", der im Landeswappen abgebildet ist. "Allerdings ist nicht das Tier gemeint", sagt Vogeltanz. Bei Recherchen im Umfeld des Dokumentarfilms "Auf den Spuren des steirischen Panthers" (2009) fand Regisseur Roland Berger heraus, daß "der Name eigentlich aus dem Griechischen kommt, und zwar aus dem Buch 'Physiologus' ", sagt Vogeltanz, der für den Film Animationen erstellt hat.
"Physiologus" ist eine frühchristliche Naturlehre, in der Pflanzen, Steine und Tiere hinsichtlich ihrer heilerischen Kräfte gedeutet werden. An den darin beschriebenen Fabelwesen bedienten sich viele Märchen und Sagen - und auch Erzherzog Leopold II für das steirische Wappen (das in seiner ersten Version übrigens für einen mittelalterlichen Skandal sorgte, weil dem abgebildeten Wesen Feuer aus wirklich allen Körperöffnungen quillt).
"Graz hat in der Mythologie durchaus eine Bedeutung", sagt Vogeltanz. "Bram Stokers Roman 'Dracula' hätte um Haaresbreite in Graz gespielt. Stoker hat sich sehr für diesen Schauplatz interessiert, sich dann aber anders entschieden. Möglicherweise lag es an den Vampir-Erlässen von Maria Theresia." Weil damals eine allgemeine Angst herrschte, die Toten könnten sich nachts aus ihren Gräbern erheben und auf blutige Sauftour gehen, gab die österreichische Kaiserin einen Erlaß heraus, wie man mit Vampiren zu verfahren habe.
Inspiriert wurden der Grazer Schauspieler Bernhard Reicher, der mit Vogeltanz Ende 2009 die Idee zu "Pantherion" hatte, von Comics wie "The Invisibles" oder Fernsehserien wie dem britischen "Doctor Who" und "Torchwood", beides BBC-Produktionen. "Wenn die BBC in Cardiff mit vergleichsweise geringen Mitteln so etwas wie 'Doctor Who' und 'Torchwood' auf die Beine stellen kann, dann kriegen wir in Graz das auch hin", dachten sich Reicher und Vogeltanz.
Herausgekommen ist ein für Österreich ungewöhnliches Finanzierungsmodell. Die Produktionskosten sollen vorwiegend von privaten Sponsoren aufgebracht werden, die sich über eine Website (siehe Links) finanziell am Projekt beteiligen können - "Cloudfunding" heißt das auf Neudeutsch. Bereits ab einer Spende von einem Dollar ist man dabei und erhält einen Platz in den "Pantherion"-Credits. Dessen Größe ist von der Höhe der Spende abhängig, und nach oben hin ist theoretisch alles verhandelbar. Die Premiere des Pilots soll in einem steirischen Kino stattfinden, der weitere Vertrieb via Internet und DVD. Rund um "Pantherion" soll es weitere Produkte geben, wie beispielsweise ein Hörspiel von Dr. Nachtstrom, Comics, ein Rollenspiel und eventuell auch einen Band mit Rißzeichnungen der technischen Geräte.
Das Sponsoring-Modell basiert nicht zuletzt auf der Tatsache, daß es in Österreich fast unmöglich ist, Förderungen für ein derartiges Projekt zu bekommen. "Erstens haben alle Beteiligten keine umfangreiche Filmographie, und zweitens hat Österreich beim phantastischen Film auch keine Tradition", sagt Vogeltanz. Die Ausflüge des österreichischen Films in futuristische Gegenden beschränken sich vorwiegend auf "1. April 2000" mit Josef Meinrad und Unsäglichkeiten wie Peter Sämanns Abgesang "Morgengrauen".
Die Arbeitsweise des Teams ohne Film-Historie bezeichnet Vogeltanz als "professionellen Dilettantismus" - unter positiven Anführungszeichen. "Wir haben eine recht chaotische Arbeitsweise, aber sie hat an 50 Drehtagen ohne Reibereien funktioniert", sagt Vogeltanz. "Die Arbeit hat mir auch gezeigt, daß fast alles funktioniert, wenn man nur daran glaubt. Wir haben unheimlich viel Unterstützung bekommen und es hat bis auf ein paar Kleinigkeiten alles so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben."
"Reality#Check: Reportage über das Pantherion-Projekt" (12/2010):
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Links zum Grazer "Pantherion"-Projekt, das über die Cloudfunding-Webseite finanziell unterstützt werden kann (der Mindestbeitrag beträgt einen Dollar, je nach Höhe des Sponsoring-Beitrags fällt die Größe der Nennung in den Credits aus).
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