Video_Kommissarin Lund - Das Verbrechen II
Alles für die Demokratie!
TV-Krimis aus dem hohen Norden garantieren seit Jahren Spannung auf hohem Niveau - zum Beispiel "Kommissarin Lund". Die kühle Dänin klärt nun zum zweiten Mal "Das Verbrechen" auf.
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17.12.2010
Im ersten Einsatz vor drei Jahren mußte Kommissarin Lund über zehn Episoden à 110 Minuten den Mord an der jungen Nanna Birk Larsen aufklären. Diesmal stehen der eigenwilligen Ermittlerin mit den entsetzlich häßlichen Strickpullis (erneut wunderbar spröde und tragisch verzweifelt von der mehrfach ausgezeichneten, dänischen Film- und Theaterakteurin Sofie Gråbøl dargestellt) - nur fünf Folgen zur Verfügung.
Aber die Kürze hat durchaus ihr Gutes: Denn gab es bei "Das Verbrechen I" noch die eine oder andere Wendung, die unnötig Längen provozierte, kommt Staffel 2 rundum griffiger und somit noch spannender daher. Damals wie heute geht es auch um die hohe Politik. Obschon zu Anfang nichts darauf hindeutet.
Vielmehr scheint klar, daß die Rechtsanwältin Anne Dragsholm von ihrem wütenden Ehemann umgebracht worden ist, von dem sie sich hatte trennen wollen. Die Indizien zumindest sind eindeutig, es fehlt nur noch das Geständnis des Mannes. Kommissarin Lund, nach ihrem letzten Fall an die dänische Grenze strafversetzt, wird zurück nach Kopenhagen beordert; ihr einstiger Chef Lennart Brix braucht ihren analytischen Sachverstand bei der Aufklärung.
Widerwillig kehrt Lund in die Hauptstadt zurück - und ist dennoch froh, der öden Provinz endlich entronnen zu sein. Doch kaum daß sie sich in dem Fall eingearbeitet hat, legt der Ex-Mann von Anne Dragsholm ein Geständnis ab. Der Fall ist erledigt.
Nicht für Lund, die davon überzeugt ist, daß etwas anderes hinter dem brutalen Mord an der Rechtsanwältin steckt. Tatsächlich zeigt sich bald, warum auch die Stockholmer Sondereinheit in dem eigentlich so simplen Mordfall mitmischte: Ein Video taucht auf, in dem Anna Dragsholm kurz vor ihrem Tod eine Botschaft an das dänische Volk verliest, in der Rache an getöteten Muslimen in Afghanistan, Palästina und dem Irak geschworen wird.
Das Video wurde an den neu ernannten Justizminister Thomas Bruch geschickt, dem dieser terroristische Akt gerade recht kommt, soll er doch im Auftrag des Ministerpräsidenten eine breite Parlamentsbasis für das neue dänische Antiterrorgesetz schmieden.
Doch jetzt, kurz nach dem Auftauchen des Videos, landen auch die Unterlagen seines Vorgängers auf seinem Schreibtisch - darunter interessanterweise auch Informationen zum Mord an Anna Dragsholm, die der alte Justizminister offenbar sehr gut gekannt zu haben schien.
Da wundert es Thomas Bruch kaum, daß sein Vorgänger gar keinen Herzinfarkt erlitten, sondern einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Wovor hatte er Angst? Was versuchte er zu verbergen? Und warum gelangen trotzdem ständig geheime Informationen der Justizbehörde an die Öffentlichkeit? Wer spielt falsch?
Eine Frage, die sich auch Jens-Peter Raben stellen muß. Der Ex-Soldat sitzt seit zwei Jahren - seit seinem Aufenthalt in Afghanistan, von wo er mit einem postraumatischen Stresssyndrom zurückkehrte - in einer psychiatrischen Anstalt. Jetzt endlich steht er vor der Entlassung, endlich darf er seine Frau und seinen Sohn wiedersehen. Doch überraschend wird seine Bewährung abgelehnt. Warum?
Einen ersten Hinweis erhält er, als Kommissarin Lund ihn in seiner Zelle zu einem aktuellen Mordfall befragt: Warum hat die Rechtsanwältin Anne Dragsholm wenige Tage vor ihrer Ermordung ausgerechnet zu ihm Kontakt gesucht?
Raben ahnt die Antwort, doch er darf nicht darüber reden, will er nicht das Leben seiner Familie riskieren. Stattdessen gelingt ihm die Flucht aus der Anstalt; sein Weg führt ihn geradewegs in die Kaserne, in der sein Schwiegervater das neue Regiment auf einen Afghanistaneinsatz vorbereitet ...
Es geht also, wie gesagt, um die hohe Politik. Zu Recht, findet Drehbuchautor Søren Sveistrup, denn: "Politiker sind mächtige Repräsentanten in einer Demokratie. Sie haben eine klare Verantwortung in Bezug auf ihr Land und in Bezug auf die Wähler. Manchmal korrumpiert die Macht aber auch und steht im Gegensatz zur Demokratie."
Man erlebt, wie einem jungen, aufstrebenden Politiker - dem neuen Justizminister Thomas Bruch - von der alteingessenen Parlamentsriege der letzte Rest Idealismus ausgetrieben wird; und noch viel mehr - im Angesicht einer neuen Gefahr, nämlich dem Terrorismus, dem man nur auf eine Weise begegnen kann: "Wir müssen unsere Demokratie mißbrauchen", wird Bruch vom dänischen Ministerpräsident zurechtgewiesen, "um unsere Demokratie zu schützen".
Oha, bei solch harschen Worten fühlt man sich sofort an die hitzigen Debatten in Europa erinnert, wo der Kampf gegen den Terror immer wildere, absurdere Blüten treibt.
"Kommissarin Lund - Das Verbrechen II" spielt also auch vor einem höchst aktuellen Hintergrund.
Doch keine Sorge, die Serie ist beileibe kein politisches Drama. "Krieg, Terrorismus und die Angst vor Terrorismus sind unglaublich wichtige Themen unserer Zeit", erklärt Autor Søren Sveistrup; "Eine Kriminalgeschichte sollte immer die Realität erforschen - wenn sie dies nicht tut, ist sie nicht relevant."
Kurzum: "Kommissarin Lund - Das Verbrechen II" ist abermals ein genialer Krimi-Coup, der ob seiner Länge von fast neun Stunden zwar eine gewisse Geduld von den Zuschauern verlangt. Aber wer sich darauf einläßt, vergißt bald die Zeit: Dank einer spannenden Erzählweise, die ständig zwischen den Perspektiven der verschiedenen Protagonisten wechselt, dank raffinierter Cliffhanger und nicht zuletzt dank eines enervierenden Scores.
Einziges kleines Manko der Edition: Bis auf ein paar Darsteller-Interviews, die bloß der PR dienen, und ein mageres Booklet enthält die DVD-Box keinerlei Bonus (nicht einmal Originalton und Untertitel). Schade, denn gerade diesmal, bei einem solch brisanten Thema, hätte man sich ein bißchen mehr Information zur Entstehungsgeschichte der Serie und zum Thema überhaupt gewünscht.
Marcel Feige
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