Video_Verdict Revised / Staffel 1
Am Rande der Legalität
Trotz guter Ideen ist die schwedische TV-Serie leider kein verwickeltes Justiz-Drama, sondern eine Krimi-Soap mit weichgespülter Gerichtsbarkeit.
30.10.2011
Anwalt Markus Haglund (Mikael Persbrandt) praktiziert nicht mehr, er säuft lieber. Warum er das tut, wird im Verlauf der zwölf Episoden dieser Serie nicht erklärt, man erfährt es nur aus dem Klappentext der DVD-Box: Er hat vor zehn Jahren den Freispruch eines mutmaßlichen Mörders erwirkt, der kurz darauf eine junge Mutter und deren Tochter mißbrauchte und ermordete. Zugegeben, das erklärt, warum er seither seiner Auffassungsgabe weniger traut als dem Alkohol.
Es erklärt allerdings nicht, weshalb er jetzt ausgerechnet jenes Jobangebot annimmt, bei dem er vier Jurastudenten betreut, die die Löcher der schwedischen Rechtssprechung stopfen wollen.
Diese Gruppe, die sich "Verdict Revised" nennt und politisch korrekt mit zwei Frauen (eine brünett, eine blond) sowie taktisch klug mit zwei Männern (einer dunkelhäutig, einer Polizist) besetzt ist, verhilft verurteilten Schwerverbrechern, die ihre Unschuld beteuern, zurück in die Freiheit. Wer jetzt allerdings spannende, verwickelte, juristische Scharmützel erwartet, sieht sich enttäuscht.
Einmal ganz abgesehen davon, daß die Fälle einander gleichen - immer hat die Polizei schlampig ermittelt, haben Staatsanwaltschaft oder Geschworene eigene Interessen verfolgt (was übrigens ein ziemlich schlechtes Licht auf das schwedische Rechtssystem wirft) -, richtet sich der Fokus der TV-Serie zunehmend auf die privaten Probleme ihrer Protagonisten.
Da gibt es komplizierte Affären unter den vier Studenten, Fremdgänger, folgerichtig Eifersüchteleien, einen verdrängten Mißbrauch in der Kindheit, eine saufende Mutter, einen Vater, der seit Jahren inhaftiert ist. Ach so, und außerdem natürlich Markus Haglund, der selbst fortwährend zwischen seiner Ex-Frau, einer reschen Staatsanwältin, und einem blonden Heimchen mit Kind taumelt.
Als Mentor seiner Studenten tritt er eher selten in Erscheinung, und eigentlich nur dann, wenn sie bei ihren Ermittlungen auf der Stelle treten. Überhaupt scheiden sich die Geister an dem Anwalt. Mit einem gelegentlichen Drink in der Hand und seiner Alt-68er-Attitüde wirkt er derart lässig, daß man ihm den versoffenen Jammerlappen, den er eigentlich darstellen soll, eher ungern abnimmt.
Überhaupt hätte das Alkoholproblem gar nicht sein müssen: Denn gerade der Kraftprotz Mikael Persbrandt (bekannt als rüpelhafter Macho-Kommissar Gunvald Larsson aus der TV-Serie "Kommissar Beck" oder als Entwicklungshelfer aus dem zurecht Oscar-prämierten Kinostreifen "In einer besseren Welt") hätte viel eher das Zeug zu einem wütenden, verbissenen Anwalt gehabt, der für seine Mandanten sich selbst und die gegnerische Seite zerfleischt.
Stattdessen aber bleibt es seinen Studenten überlassen, ein ums andere Mal und mit wachsendem Action-Gehalt als Privatdetektive der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Haarig wird's, wenn sie sich dabei an den Rand der Legalität wagen, nur um die Unschuld eines Mandanten zu beweisen. Als würde das Gute automatisch das Schlechte rechtfertigen. Dies zu thematisieren, hätte den Studenten und auch der Serie durchaus mehr Gewicht verliehen: Wieviel Schuld darf man auf sich nehmen, um Unschuld zu beweisen?
Das alles soll freilich nicht heißen, daß die 1. Staffel von "Verdict Revised" schlecht wäre. Nur sollte man als Zuschauer wissen, was einen erwartet. Eben kein ambitioniertes Justiz-Drama, sondern - dank kurzer, 45minütiger Episoden - eine durchaus kurzweilige Krimi-Soap.
Zum Schluß noch ein Wort zu den Extras dieser DVD-Box: Es gibt keine.
Marcel Feige
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