Video_Company Men
My life ended and nobody noticed
Mit einem All-Star-Lineup im Rücken betrachtet Autor und Regisseur John Wells in seinem eleganten Krisendrama die allgegenwärtigen ökonomischen Verwerfungen aus einem unerwarteten Blickwinkel.
10.12.2011
Bobby Walker (Ben Affleck), erfolgreicher Verkäufer bei dem Bostoner Großkonzern GTX, darf rundum zufrieden sein mit seiner beruflichen und privaten Situation. Dank eines sechsstelligen Jahresgehalts ist sein Portemonnaie prall gefüllt und sein Haus hübsch dekoriert, mit einem deutschen Sportwagen in der Einfahrt und einer freundlichen Ehefrau (Rosemarie DeWitt) hinter dem Herd.
Bobbys Lebensrealitäten werden jäh zurechtgerückt, als die weltweiten wirtschaftlichen Turbulenzen auch GTX erfassen und CEO James Salinger (Craig T. Nelson) den Rotstift an seine attraktive Personalchefin Sally Wilcox (Maria Bello) reicht. Im Pool der wegrationalisierten Betroffenen findet sich auch ein im Schockzustand erstarrter Bobby Walker wieder, dem bald bewußt wird, daß die Finanzierung des nächsten Familienurlaubs noch seine geringste Sorge sein wird, müssen doch auch Ratenzahlungen für das Haus und den Porsche bedient werden. Orientierungslos taumelt er aus dem Sonnenschein einer bisher als selbstverständlich wahrgenommenen strahlenden Gegenwart in die unkalkulierbare graue Realität einer ungewissen Zukunft.
Die Auseinandersetzung mit der Krise innerhalb der krawattentragenden Gesellschaft des mittleren Managements stattfinden zu lassen, erscheint zunächst fragwürdig, wenn nicht gar provokant. Doch dem Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzenten John Wells gelingt es nichtsdestotrotz, seinem arroganten Sonnyboy Bobby Walker Sympathien zu sichern.
Sich zunächst noch gegen das Unvermeidliche stemmend, muß dieser den Verlust der erworbenen materiellen Annehmlichkeiten ohnmächtig akzeptieren: Urlaube, Restaurantbesuche und die prestigeträchtige Mitgliedschaft im Golfclub fallen flach; schließlich sind selbst das schicke Anwesen und der geliebte Wagen in Gefahr.
Solidaritätsgefühle sind bei einem Mann am Boden - selbst einem solch verwöhnten Schnösel wie Bobby - leicht zu entfachen. John Wells tut eben dies und erweitert den Kreis der Geschaßten gleichermaßen auf langgediente GTX-Mitarbeiter der ersten Stunde, die nicht mehr in der Lage sind, sich auf ein Leben fernab der gewohnten Luxuriösität einzustellen. Somit sind es tatsächlich vor allem die in Glaspalästen Geld scheffelnden "Company Men", die von Wells als Krisenverlierer in den Mittelpunkt gerückt werden.
Selbst Gene McClary (Tommy Lee Jones), die millionenschwere Rechte Hand Salingers, wird zum Sympathieträger stilisiert. Doch Wells kommt auch damit davon; und zwar Dank Tommy Lee Jones, der McClarys Redlichkeit und Loyalität glaubhaft transportieren kann: Der Jugendfreund Salingers war einst Gründungsmitglied jenes Schiffbauers, aus dem später GTX hervorgehen sollte.
Nostalgische Anhänglichkeiten werden letzten Endes brutal hinweggefegt, als sich die Führung des Multimilliardendollarkonzerns dem entfesselten Börsenmarkt beugt. Obwohl mit Reichtum gesegnet, verleiht McClary als idealistischer Dinosaurier des alten, ehrlichen Schlags dem untergegangenen hemdsärmeligen Unternehmertum von anno dazumal ein menschliches Antlitz. Eben dieses verlorengegangene "anständige" Handwerk repräsentiert Kevin Costner in einer sehr zurückhaltend angelegten Nebenrolle: Jack Dolan, moralisch lupenreiner Chef eines Kleinstbetriebs, wirkt als Stellvertreterfigur des hart arbeitenden Jedermanns wie ein Relikt aus einer anderen Epoche.
Die Geschichte dieser "Company Men", die aus der Bahn geworfen, desorientiert und quasi entmannt zurückbleiben, wird ohne Ecken und Kanten, stilistisch hübsch, aber eben auch arg wattiert erzählt; ein solide inszeniertes und gut gespieltes Werk.
Ein schaler Nachgeschmack bleibt daher zurück - angesichts der Tagesaktualität.
Dietmar Wohlfart
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