Video_World Trade Center
Nicht alles Gute kommt von oben
Oliver has left the building. Statt sein Publikum ordentlich durchzurütteln, setzt der "JFK"-Regissseur auf Patriotismus und Gottesfurcht. Das filmische Ergebnis läßt zu wünschen übrig.
02.03.2007
Es ist 3 Uhr 29, als Sergeant John McLoughlin (Nicolas Cage) erwacht, sich anzieht, nach seinen vier Kindern sieht und dann zur Arbeit fährt - am Morgen des 11. September 2001.
Im Polizeirevier des Busbahnhofs machen sich er und seine Kollegen bereit für einen weiteren unscheinbar wirkenden Tag in ihrem Revier. Erst als eine japanische Touristin nach dem Weg fragt, legt sich der schwarze Schatten eines Flugzeugs über die Stadt, und ein Knall erschüttert die Polizeizentrale. Kurz darauf betritt McLoughlin mit einer Handvoll Freiwilliger das World Trade Center, um es zu evakuieren. Zu diesem Zeitpunkt ist von einem Anschlag noch nicht die Rede. Auch vom zweiten Flugzeug weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Dann stürzt Turm Nummer eins ein. McLoughlin und Officer Willy Jimeno werden unter den Trümmern begraben - lebendig, aber eingeklemmt, und nicht imstande, sich zu befreien.
Der Rest des Films ist Warten: das Warten auf Rettung, das Warten der Familien und Freunde auf ein Lebenszeichen - und das Warten auf ein Wunder in Gestalt eines Marine-Offiziers, der die beiden Einsatzkräfte schließlich unter dem Schutt entdeckt. Jimeno und McLoughlin überleben den amerikanischen Alptraum - als Nummer 18 und 19 von 20 Geretteten.
Warum sich ausgerechnet der ansonsten kontroverse Filmemacher Oliver Stone zur Inszenierung von "World Trade Center" entschlossen hat, bleibt ein Rätsel. Hat ihm das Kriegsministerium wirklich soviel bezahlt, daß er das Angebot nicht ablehnen konnte? Anders wäre kaum erklärbar, warum uns ein Regisseur seines Kalibers diesen propagandistischen Müll auftischen sollte.
Angesichts der patriotismusverseuchten Produktionen, die Hollywood seit eh und je in Kino und TV auf die Menschheit losläßt, schien eine Steigerung eigentlich nicht mehr möglich. Aber dann: Bumm, zwei Flugzeuge rasen in ein Hochhaus, und schon hat man den besten Stoff für fahnenschwingende Linientreue, überchristlichen Konservativ-Schmus und eine ungeheure Bandbreite an moralstärkenden Kitschdialogen.
Was zum Teufel hat sich Drehbuchautorin Andrea Berloff etwa bei Aussagen wie "Gott hat mir die Gabe geschenkt, Menschen zu helfen und unser Land verteidigen zu können" gedacht? Man weiß nie genau, ob sich die Figur des Marine-Offiziers Dave Karnes selbst karikiert, oder ob dieser selbstherrliche Spruch tatsächlich ein Originalzitat ist. Der tapfere Ex-Marine suchte - auch im richtigen Leben - in der Staubhölle nach Überlebenden. Fast schade, daß er im Film wirklich fündig wird, denn diesem aalglatten Vollidioten gönnt man als Zuseher nicht einmal den Dreck unter den Fingernägeln.
Es gibt wohl keine Atheisten mehr im Schützengraben, aber: Weichzeichner-Jesus-Visionen und ewige Diskussionen darüber, wer wessen Frau vor dem vermeintlichen Abtreten die ewige Liebe gesteht, sind auf Dauer kaum zu ertragen. Der einzige Lichtblick in diesem Schutt ist - eindrucksvoll wie immer - Maggie Gyllenhaal als hysterische Ehefrau und Mutter.
Wenigstens versteckt sich Stones Film nicht, sondern zeigt uns frank und frei, wie das Leben zu sein hat. Trotzdem: Weinende Frauen, verstörte Kinder und verletzte Verschüttete reichen einfach nicht, um die Spannung über 129 Minuten zu halten. Das konnte der ansonsten so amerikakritische Stone schon besser.
"World Trade Center" ist das beste Beispiel dafür, daß es noch zu früh ist, einen wirklich überzeugenden Film über die Anschläge zu drehen, daß der amerikanische Schock noch zu tief sitzt. Oder, wie es der Gutmensch Dave Karnes in diesem überzeichneten Schmafu so schön ausdrückt: "Dieser ganze Qualm und Rauch ist wie von Gott gewollt. Als sollten wir das, worauf wir nicht vorbereitet sind, nicht sehen."
Dem kann man nur zustimmen.
Nina Munk
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